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Unbegleitete Minderjährige Fast 5000 Flüchtlingskinder in Deutschland vermisst gemeldet
Mehrere Tausend minderjährige Flüchtlinge in Deutschland sind nach Angaben des Bundeskriminalamts nicht auffindbar. Flüchtlingskinder seien durch die Umstände „sehr leichte Opfer“ für Kriminelle, warnt der Kinderschutzbund.
03.02.2016
Anfang des Jahres waren in Deutschland fast 4800 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zumindest zeitweise vermisst gemeldet. Das berichtet die „Frankfurter Rundschau“ unter Berufung auf Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA). Eine Sprecherin der Behörde sagte, dass am 1. Januar 2016 genau 4749 unbegleitete Flüchtlinge im Kindes- und Jugendlichen-Alter als vermisst galten. 431 davon waren jünger als 13 Jahre, 4287 zwischen 14 und 17 Jahren und 31 über 18. Am 1. Juli 2015, also ein halbes Jahr zuvor, lag die Zahl der vermissten unbegleiteten Flüchtlinge noch bei 1637.
Zwar sagte die Sprecherin, dass dies „Momentaufnahmen“ seien. Oft tauchten Vermisste nach kurzer Zeit wieder auf oder es gebe Mehrfachregistrierungen. „Nur weil jemand als vermisst gemeldet ist, heißt das nicht, dass er verschwunden ist oder gekidnappt wurde“, sagte eine BKA-Sprecherin am Mittwoch. Auch Mehrfachregistrierungen von Flüchtlingskindern sorgten für Unklarheit.
Nach den Worten der BKA-Sprecherin wird zum Beispiel ein unbegleitetes Flüchtlingskind dem Jugendamt in München überstellt und in eine Einrichtung gebracht. Am nächsten Tag verlasse das Kind die Einrichtung, um sich auf den Weg zu Verwandten nach Hamburg zu machen. Die Einrichtung in Bayern melde das Kind dann als vermisst. „So taucht das Kind in der Vermisstenstatistik auf“, erklärte die Sprecherin. Man könne zwar nicht ausschließen, dass bei der hohen Vermisstenzahl auch Straftaten eine Rolle spielten, fügte die BKA-Sprecherin hinzu. Bislang lägen aber keine Hinweise vor, wonach kriminelle Banden Flüchtlingskinder versklavten.
Zuvor hatte die europäische Polizeibehörde Europol mitgeteilt, dass in den vergangenen 24 Monaten mindestens 10.000 allein reisende Flüchtlingskinder nach ihrer Ankunft in Europa verschwunden seien. „Dies bedeutet nicht, dass allen etwas passiert ist“, erklärte ein Sprecher. „Ein Teil der Kinder könnte sich tatsächlich mittlerweile bei Verwandten aufhalten. Aber es bedeutet, dass diese Kinder zumindest potentiell gefährdet sind“, beispielsweise durch sexuellen Missbrauch. Allein in Italien seien nach Angaben der Behörden 5000 Flüchtlingskinder verschwunden, so Europol, in Schweden 1000.
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Der Präsident des Kinderschutzbundes sagte am Dienstag der „Frankfurter Rundschau“, Kinder seien durch die Umstände „sehr leichte Opfer“ für Kriminelle. Oft würden sie nicht registriert und so lange sie nirgendwo in Obhut seien, seien sie „recht- und schutzlos“. Hilgers sei überzeugt, dass sie besonders gut ausgenutzt werden könnten.
Europol lägen auch Informationen darüber vor, dass jene Kriminellen, die zunächst als Schlepper und Menschenhändler von den Flüchtlingen profitiert hätten, nun auch versuchten, die Flüchtlinge de facto zu versklaven oder sexuell auszubeuten. Die Öffentlichkeit müsse davon ausgehen, dass die verschwundenen Kinder nicht „irgendwo im Wald versteckt“ würden, sondern „unter unseren Augen“ lebten. Dies bedeute, dass die Öffentlichkeit wachsam sein sollte, um möglicherweise ausgebeutete Kinder zu entdecken.
Im Europaparlament haben mehrere Abgeordnete Auskunft über die mehr als 10.000 unbegleiteten Flüchtlingskinder gefordert. In einem Brief an den Rat der 28 Mitgliedsstaaten wiesen sie darauf hin, dass die verschollenen Minderjährigen möglicherweise Opfer von paneuropäischen Banden wurden, die sie für Sexarbeit, Sklaverei oder sogar Organhandel missbrauchen könnten. Dies teilte der FDP-Abgeordnete Michael Theurer am Dienstag mit, der nach eigenen Angaben zu den Unterzeichnern gehört.
Unter anderem wollen die Parlamentarier wissen, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den einzelnen EU-Staaten registriert wurden. Im Namen des amtierenden niederländischen EU-Vorsitzes hatte Außenminister Bert Koenders zuvor versichert, die Angaben von Europol würden überprüft. Sollten sie zutreffen, wäre dies eine „schlimme Sache.“