Imam Chamene’is zweiter Brief soll im Niedersächsischen Landtag behandelt werden
Was den Anhängern Imam Chamene’is kaum gelungen wäre, hat jetzt eine Niedersächsische Landtagsabgeordnete der CDU aus Delmenhorst bewirkt. Um ihre anscheinend Goldenen Kühe USA und Israel zu „verteidigen“, bringt sie zumindest einige Abgeordnete dazu, den zweiten Brief Imam Chamene’is an die Jugend im Westen zu lesen.
Aber der Reihe nach: Bereits vor vier Tagen hatte die Nordwestzeitung [1] unter der Überschrift „Plakat wird Thema im Landtag“ berichtet, dass die CDU-Landtagsabgeordnete Annette Schwarz mitgeteilt habe, sie werde in dieser Woche eine Anfrage an die Landesregierung stellen, um zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht der Volksverhetzung gegeben sei, weil in dem Brief Imam Chamene’is , auf dem im Plakat verwiesen wird, folgender Satz stehe: „Der doppelzüngige Umgang des Westens mit der Erwachungsbewegung in der Islamischen Welt liefert ein anschauliches Beispiel für die Widersprüchlichkeit der westlichen Politik. Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch in der Unterstützung für den Staatsterrorismus Israels.“ Die Meldung war so klein, dass sie kaum aufgefallen ist. Der Satz steht wirklich im zweiten Brief Imam Chamene’is an die Jugend im Westen [2], wird seit mehreren Wochen auf Dutzenden in Deutschland gehosteten deutschsprachigen und Tausenden englischsprachigen Seiten im Internet verbreitet. Nicht einmal irgendeine jüdische Gemeinde in der Welt hat sich bisher vernehmbar juristisch darüber beschwert.
Heute nun kam ein geringfügig ausführlicherer Bericht im Delmenhorster Kreisblatt, allerdings nur in der Printausgabe (siehe Foto unten). Zusammengefasst lassen sich folgende Aspekte aus dem Artikel entnehmen:
• Die Landtagsabgeordnete will in einer mündlichen Anfrage im Landtag klären lassen ob durch das Plakat zum zweiten Briefe – welches in Delmenhorst einige Tage hing – „der Anfangsverdacht des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach Paragraph 130 des Strafgesetzbuches“ gegeben sei.
• Ihr Hauptargument ist aus dem Inhalt des Briefes der Verweis auf den Staatsterrorismus Israel, der im Brief erwähnt wird (siehe oben).
• Als weiteres Argument nennt sie als Anschuldigung, dass in dem Brief behauptet werde, dass die USA Terrororganisationen wie Al-Qaida oder Taliban bewaffnet hat.
Es ist mehr als erschreckend über welch außenpolitisch Inkompetenz – ja, geradezu Ignoranz – manche Hinterbänkler in den Landtagen, und wahrscheinlich auch im Bundestag aufweisen, wenn es um USA und Israel geht. Die Tatsache, dass Al-Qaida und Taliban von den USA bewaffnet worden sind, ist inzwischen so weit verbreitet und bekannt, dass man den Weg von Delmenhorst in den Landtag nach Hannover mit verbundenen Augen geführt worden sein muss, um das nicht zu wissen, zumal die Nachricht nicht einmal neu ist. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wollte man alle Belege aus westlichen Quellen, inklusive Aussagen von US-Politikern dazu hier zitieren. Daher nur eine Miniauswahl:
Die berühmte Daily Mail schrieb am 22. April 2014 in einem Artikel: „Eine selbstgewählte Gruppe von ehemaligen Top-Militärs, CIA-Insidern und Think-Tankern erklärte am Dienstag in Washington, dass eine siebenmonatige Untersuchung der tödlichen Terroranschläge von 2012 feststellte, dass diese hätten verhindert werden können – wenn die Vereinigten Staaten nicht dabei geholfen hätten, die al-Kaida-Milizen in ganz Libyen ein Jahr früher zu bewaffnen.“ [3] Und der US-Senator Rand Paul hat in 2014 sogar in einer Live-Sendung von CNN offen zugegeben, dass die USA die ISIS bewaffnet hat [4]. Niemand in den USA bestreitet das. Es gehört aber zu den wirklich erschreckenden Erkenntnissen in Deutschland, dass in unseren Landtagen Abgeordnete sitzen, die sich das nicht einmal vorstellen können, welche Verbrechen in der Welt von den USA ausgehen. Ist es da ein Wunder, wenn Deutschland so eng mit dem größten Staatsterroristen der Weltgeschichte verbündet ist, und ist es da ein Wunder, wenn so wenig gegen die wirklichen Ursachen von Terrorismus in der Welt getan werden kann? Selbst wenn man sämtliche Morde aller echten und vermeintlichen nichtstaatlichen Terroristen der Welt zusammen rechnen würde, erreichen die Opferzahlen nicht einmal einen Bruchteil der zivilen Opfer, die durch den offenen und verdeckten (aber später zugegebenen) Staatsterrorismus der USA bewirkt werden. Und wenn es in Deutschland immer noch Landtagsabgeordnete gibt, die das nicht wissen, wäre es doch zumindest angebracht, dass sie sich auf die Themen konzentrieren, von denen sie Ahnung haben.
Kommen wir nun zum Hauptargument für die angebliche Volksverhetzung: Israels Staatsterrorismus. Hierbei kann es sich entweder um eine Tatsachenbehauptung handeln oder eine Meinungsäußerung. Wenn es sich um eine Meinungsäußerung handelt, die als Volksverhetzung angeprangert werden kann, muss das in einer Weise erfolgen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Wenn Imam Chamene’i der erste und einzige Mensch in Deutschland und in der Welt wäre, der das behauptet, ließe sich zumindest darüber diskutieren. Wenn aber Dutzende andere vor dieser Aussage das bereits getan haben und der öffentliche Friede nie gestört worden ist, dann grenzt solch eine Anfrage an Amtsmissbrauch.
Die Berliner Tageszeitung hat bereits während des Gaza-Massakers einen Artikel verfasst, in der Israel Staatsterrorismus vorgeworfen wird [5]. Der deutsche Politiker Möllemann hat bereits 2001 Israel Staatsterrorismus vorgeworfen, ohne dass der Zentralrat der Juden gegen ihn Anzeige erstattet hat [6]. Der weltberühmte Hochschullehrer und Publizist Noam Chomsky hat bereits Ende der 1990er Jahre mehrfach bei Vorträgen in Deutschland, unter anderem bei einem Symposium zum Staatsterrorismus an der Frankfurter Universität, vorgetragen, dass Israels Palästina-Politik nach Grundsätzen des Staatsterrorismus gestaltet ist [7], ohne dass ihn irgendwer dafür angezeigt hätte. Es gibt auch zahlreiche historisch bewiesene Beispiele von Staatsterrorismus Israels, die von niemandem bestritten werden, wie z.B. die Lawon-Affaire [7]. 2009 bezichtigte der uruguayische Schriftsteller und Journalist Eduardo Galeano in der deutschen Zeitung „junge Welt“ das Vorgehen Israels gegen die palästinensische Bevölkerung als Staatsterrorismus [8], die deutsche Publizistin Evelyn Hecht-Galinsky hat auf ihrer Homepage gleich einige Dutzend Male seit Jahren dem Staat Israel Staatsterrorismus vorgeworfen [9]. Der jüdische Philosoph und Zionismuskritiker Omri Boehm hat erst im letzten Jahr in der Wochenzeitung „Die Zeit“ Israel des Staatsterrorismus bezichtigt, worauf er von deutschen Publizisten Claus Walischewski (The Israeli Committee Against House Demolitions Deutschland) öffentlich gelobt worden ist: „Es ist bewundernswert, wie scharf Omri Boehm mit Israel ins Gericht geht, ihm die Maske der vermeintlichen Legalität herunterreißt und es Staatsterrorismus nennt, wenn Häuser von palästinensischen Gewalttätern mit Erlaubnis des Obersten Gerichts als Abschreckung für andere mögliche Straftäter zerstört werden, obwohl deren Bewohner sich keiner Straftat schuldig gemacht haben.“[10] Belege für den Staatsterrorismus Israels wie auch der Tatsache, dass in Deutschland diese Verbrechen durchaus öffentlich thematisiert werden, würden Bücher füllen und sind so offensichtlich, dass es eher erschreckend anmutet, dass eine Landtagsabgeordnete der CDU davon absolut nichts zu wissen scheint.
Noch erschreckender aber wird es, wenn eine Landtagsabgeordnete das eigene Recht und Gesetz offensichtlich auf den Kopf stellt, wenn es um Israel geht. Von der Schule an über sämtliche Politiklehre im Land wird den Bürgern eingetrichtert, dass ein wesentliches Merkmal von so genannten freiheitlichen Demokratien in der Gewaltenteilung besteht. Eine mögliche Straftat wird ggf. bei den entsprechenden Behörden angezeigt und ein unabhängiger Richter entscheidet ggf. darüber, ob es sich um eine Straftat handelt oder nicht. Auch gehört es nicht zu den Aufgaben von Politkern über einen möglichen Anfangsverdacht zu urteilen, sondern ein Staatsanwalt (ebenfalls Mitglied der Justiz und nicht des Parlaments) entscheidet, ob er ein Ermittlungsverfahren eröffnet oder nicht. Im genannten Plakat-Fall hat bisher niemand Strafanzeige gestellt und der Staat selber sah auch keinen Handlungsbedarf. Nicht einmal die Abgeordnete Schwarz hat bisher bekannt gegeben, dass sie Strafanzeige gestellt habe. Wenn Sie dann jetzt den Weg über eine Anfrage im Landtag einschlägt um prüfen zu lassen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, erscheint das wiederum grenzwertig bezüglich Amtsmissbrauch.
Frau Schwarz schädigt mit ihrem Vorstoß das Ansehen der Stadt Delmenhorst. Dieses Phänomen konnte bei einigen Delmenhorster Politikern in den letzten Jahren beobachtet werden, dass ihnen das Wohl der USA und Israels mehr am Herzen liegt, als das Wohl der eigenen Heimat. Bei Frau Schwarz scheint dieses Phänomen besonders ausgeprägt zu sein, denn sie schadet damit auch noch dem Bundesland Niedersachsen.
Der Niedersächsische Wirtschaftsminister Lies war erst im Oktober zu Gast im Iran und wollte als einer der ersten Deutschen sein Bundesland in Position bringen, wenn es um die neuerlichen Geschäfte mit dem Iran geht [11]. In seiner sehr großen Delegation befanden sich Wirtschaftsbosse aus ganz Niedersachen (darunter auch viele CDU-Mitglieder). Allein 300 Unternehmen aus Niedersachen versprechen sich neue Aufträge aus dem Iran [12]. Rund die Hälfte der Aufträge aus dem Iran kommen von staatlichen oder halbstaatlichen Institutionen; insbesondere die Großaufträge. Warum aber sollte der Iran mit einem Bundesland seine Beziehungen verstärken, wenn ausgerechnet die angeblich so unternehmernahe CDU im Landtag Anlass dazu bieten könnte, das religiöse Oberhaupt anzugreifen und zu beleidigen und es über ein Dutzend konkurrierende Bundesländer gibt, ohne solche Politiker? Auch die eigenen Aufstiegschancen in der Partei dürften nicht ehr so groß sein wie einstmals, als jeder Einsatz für die USA und Israel zur Beförderung führte. Es gibt immer mehr deutsche Politiker in allen Parteien, die sich lieber für ihre Heimat Deutschland einsetzen.
Fassen wir also zusammen. Eine Landtagsabgeordnete der CDU will im Landtag eine Frage stellen, die folgende Effekte haben kann: Das Ansehen der Heimatstadt wird geschädigt, um USA und Israel in einer Angelegenheit zu schützen, die mehr als zweifelhaft ist. Das Ansehen des Bundeslandes Niedersachen, aber insbesondere das Interesse der Unternehmer und der Kaufleute, denen die CDU nahe stehen will, wird im Iran bei zukünftigen Geschäften geschädigt. Landtagsabgeordnete, die den Brief Imam Chamene’is an die Jugend in Deutschland wohl nie gelesen hätten, werden dazu motiviert, es doch zu tun. Es kommt selten vor, dass ein Vorpreschen einer Politikerin derart effektiv den eigenen Interessen schadet.
Alle Dankbarkeit gebührt dem Herrn der Welt, auch dafür dass alle Geschöpfe ihm dienen, selbst die, die es gar nicht wollen.
[1] http://www.nwzonline.de/delmenhorst/plak...3079351123.html
[2] http://www.schia-blog.de/wp-content/uplo...hirmversion.pdf
[3] http://www.dailymail.co.uk/news/article-...azi-attack.html
[4] https://www.youtube.com/watch?v=QEBSnITUSHU
[5] http://berlinertageszeitung.de/index.php...jordanland.html
[6] http://www.zentralratdjuden.de/en/articl...rismus-vor.html
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Lawon-Aff%C3%A4re
[8] http://www.arbeiterfotografie.com/israel...srael-0037.html
[9] http://sicht-vom-hochblauen.de
[10] http://nahost-forum-bremen.de/?p=2242
[11] http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ha...londs29364.html
[12] http://www.focus.de/regional/niedersachs...id_5219570.html