Zum Geburtstag Jesu ein Friedensgruß voller Liebe zur Gerechtigkeit
Dieses Jahr habe ich sehr lange darüber nachgedacht, wie ich den Geburtstagsgruß für die Organisationen formulieren soll, für die mir Verantwortung anvertraut worden ist. Wie soll ich in einer Gesellschaft, die immer atheistischer wird, eine Grußbotschaft zur Wundergeburt der Jungfrau Maria versenden, wenn inzwischen mehr Muslime als Christen an dieses göttliche Wunder glauben? Wie sollte ich Friedensgrüße glaubhaft herübergingen, wenn das militärische Oberhaupt der westlich-christlichen Welt nur noch Unheil und Kriegslust verbreitet? Wie sollte ich zur Geburt Jesu grüßen, wenn mein Gruß nicht einmal die Mauern überwinden kann, in die Bethlehem eingesperrt ist.
Während ich über den Wahnsinn unserer Zeit nachgedacht habe, ist vor wenigen Tagen der geehrte großartige Gelehrte Ayatollah Mohyeddin Haeri Shirazi in der Heiligen Stadt Qum mit 81 Jahren zu seinem Schöpfer zurückgekehrt. Er war ein derart großartiger Aktivist für die Wahrheit und Gerechtigkeit, dass Imam Chamene’i für ihn eine Kondolenzbotschaft veröffentlicht hat. Die Gnade der Quelle aller Liebe hat auch meiner Wenigkeit die Teilnahme an einem Vortrag dieser großartigen Person ermöglicht, denn er sprach auch sehr gut Englisch und hat für uns englisch gesprochen. Mit mir zusammen war eine Gruppe von rund 15 deutschen Intellektuellen, die sich nach der Reise sehr unterschiedlich entwickelt haben. Der eine ist in Richtung Nazis abgedriftet, andere haben sich von der Politik verabschiedet und wiederum andere sind in ihrem Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit regelrecht aufgeblüht. Einige dieser Aufblühenden haben damals nach dem Vortrag im Fragenteil folgende Frage gestellt, die ich hier nur sinngemäß und verkürzt wiedergebe: „Wir glauben nicht an Gott, setzen uns aber für Gerechtigkeit ein. Wie werden wir aus der Sicht des Islam eingestuft?“ Als diese Frage gestellt wurde, fing mein Herz plötzlich an schneller zu schlagen. Ich habe 15 Deutsche, die gegenüber der Islamischen Revolution und der Islamischen Republik Iran zumindest nicht derart vorurteilsbehaftet sind, wie die Mainstream-Medien, zu diesem Ayatollah gebracht. Und was wird dieser weit über 70 Jahre alte Gelehrte jetzt antworten? Kann mit einer einzigen Antwort mitten in der Reise meine ganze Absicht auf den Kopf gestellt werden? Schließlich wusste ich, dass viele der Teilnehmer ein sehr eigenes Verhältnis zum Schöpfer hatten.
Nie zuvor habe ich mich so sehr in einem Gelehrten, den ich zuvor nicht kannte, derart getäuscht, wie in diesem Fall. Er antwortete in sehr klarem Englisch: „Gerechtigkeit ist eines der wichtigsten Attribute Gottes. Und wer sich für Gerechtigkeit einsetzt, setzt sich für Gott ein, unabhängig davon, ob er glaubt an Gott zu glauben oder nicht.“ Diese Antwort habe ich nie vergessen! Sie wurde sogar zu einer Richtschnur im Umgang mit denjenigen, die glauben, nicht an Gott zu glauben.
Hätte Jesus anders geantwortet? Ayatollah Haeri – Gott habe ihn selig und schenke ihm die Gnade und Liebe, für die wir alle erschaffen worden sind – ist vor wenigen Tagen zu seinem Schöpfer zurückgekehrt, und es war ein Zeichen für mich, an dieses Ereignis zurückzudenken; gerade jetzt, heute zu Weihnachten 2017.
Ich wünsche allen Christen, und allen Nichtchristen, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen, ein gesegnetes Fest im Namen aller, in deren Namen meine Wenigkeit sprechen darf.
„Darum säet euch Gerechtigkeit und erntet Liebe“ (Hosea 10.12)