Im Namen des Erhabenen
Kommentar vom Fuß des iranisch-deutschen Berges (49)
Die Islamische Revolution muss den nächsten kulturellen Schritt gehen
Während der bewaffnete Krieg gegen die Islamische Republik Iran seit 30 Jahren zurückgeschlagen werden kann und die wirtschaftlichen Sanktionen der Westlichen Welt nur zur Stärkung des islamischen Wirtschaftssystems geführt haben, sollte der Blick auf den kulturellen Imperialismus nicht vernachlässigt werden, im Iran wie auch in Deutschland.
Vorab eine kurze Geschichte aus der Endzeit der Osmanen. Ende des 19. Jh. n.Chr. versuchten die Briten den Osmanen Ägypten streitig zu machen. Eine der “Gegenmaßnahmen“ der Osmanen bestand darin, dem im Ägypten die Osmanen vertretenden Herrscher einen neuen Titel zu gewähren. Der bis dahin als “Wali“ herrschende Gouverneur Ismail Pascha bekam 1867 vom Sultan den Abdülaziz den neuen Titel Chadiwa (Khedive) bzw. im Türkischen “Hidiv“ und sein Gehalt wurde verdoppelt.
Eigentlich sollte mit dieser Maßnahme der westliche Einfluss zurückgedrängt werden. Ironie der Geschichte ist, dass der Nachfolger jenes Ismail Pascha, nämlich Chadiwa Abbas Hilmi Pascha “sicher“ gehen wollte, und sich als Rückzugsgebiet einen Palast in Istanbul erbauen ließ, der heute noch Chadiwa-Palast (Hidiv Kasrı) heißt. Jener palastartige Gebäudekomplex wurde von dem italienischen Architekten Delfo Seminati entworfen. Gebaut wurde nach dem damals durch kulturellen Einfluss der Westlichen Welt unter den Osmanen verbreiteten Baustil “Art Nouveau“. Nachdem die Briten Abbas Hilmi Pascha gestürzt hatten, zog er es dann aber vor, in der Schweiz zu leben. Seine Familie hingegen lebte noch bis 1937 in dem Palast.
Kurz: Die Osmanen haben Gelder eingesetzt in ein Amt, um den Staat zu retten, und der Amtsträger hat jene Gelder dafür verwendet, einen riesigen Gebäudekomplex nach Art derjenigen zu bauen, die ihn vertreiben wollten. Wie es dann mit dem Osmanischen Reich weiterging, ist hinlänglich bekannt. Nachdem es keinen “Wali“ mehr in Ägypten gab und auch keinen Chadiwa (Khedive), durfte der Herrscher westlicher Ganden sich “König“ nennen. Der Herrscher in einem Land, dass unter westlicher Kontrolle stand, dessen Bevölkerung aber an nur einen einzigen “König“ glaubt, durfte – oder sollte – sich König nennen, um den Einfluss des Islam zurückzudrängen, auch durch diese kulturelle Maßnahme. Ist es nicht absurd, dass ausgerechnet die Westliche Welt, die dem Herrscher nicht einmal das eigene Brot überließ und ganz Ägypten abhängig von westlichem Weizen gemacht hat, ihm den höchsten Titel verlieh? Später – als Könige nicht mehr “in“ waren in Ägypten – kam ein Pharao im Gewand eines Generals und jene Militärs werden auch heute noch gegen den Willen des ägyptischen Volkes unterstützt.
Jene kleine Episode – von denen es Tausende in der tragischen islamischen Geschichte gibt – soll die Wirkung eines kulturellen Einflusses verdeutlichen und die Gefahren, die damit verbunden sind. Und damit sind wir auch im jetzt und heute.
Während inzwischen so ziemlich jeder nur halbwegs vernünftige Artikel auf den Sanktionslisten der Westlichen Welt steht, gibt es keine Sanktionen für Coca-Cola. Es gibt aber Sanktionen für Kerosin. Das hat zur Folge, dass die staatliche Fluggesellschaft Iran Air, wenn sie von Teheran nach Hamburg fliegt, auf dem Rückweg in Istanbul zwischenlanden muss, nur um aufzutanken. An Bord wird währenddessen Coca-Cola gereicht. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen. Welch eine merkwürdige Situation ist es, dass Passagiere eine beschwerliche Zwischenlandung hinnehmen müssen und mehr als eine Stunde verlieren, und diejenigen, denen sie das zu verdanken haben, noch mit dem Genuss ihrer Getränke belohnen. Was bei diesem Getränk im Kleinen deutlich wird, kann bei viel größeren Dingen genau so beobachtet werden.
Derzeit erleidet die renommierte französische Automarke Peugeot eine schwere Krise. Eines der Gründe dafür liegt in der französischen Politik, den Iran nicht mehr mit Fahrzeugen zu beliefern bzw. bestehende Joint-Ventures in diesem Bereich zu kündigen. Die französische Politik ist bereit, schwere eigene Belastungen hinzunehmen, nur um den Wirtschaftskrieg gegen die Islamische Republik Iran forcieren zu können. An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum die Bevölkerung der Islamischen Republik Iran nicht schon viel früher von sich aus jegliche französische Automarken boykottiert hat? Warum fährt man Fahrzeuge eines Landes, das sich faktisch in einer Art Wirtschaftskrieg mit der eigenen Heimat befindet? Zugegeben, die iranischen Mittelklassewagen haben noch nicht ganz das Niveau der importierten Fahrzeuge. Aber würde die rasante Entwicklung nicht beschleunigt, wenn man die eigenen Fahrzeuge kaufen würde?
Diese Beispiele können auf sehr viele andere Bereiche erweitert werden. Hier noch ein Letztes: Ein Widerstandskämpfer gegen westliche Besatzung kann dies kaum sinnvoll mit einer Marlboro im Mund praktizieren (einmal abgesehen davon, dass Rauchen ohnehin ungeeignet ist).
Das Bewusstsein für die eigene Wirtschaftskraft bzw. Kaufkraft ist bei Konsumenten, die nur als Sklaven des Kapitalismus zu fungieren haben, wenig ausgeprägt. Und so ist die Schlacht um Syrien auch unter diesem Aspekt zu sehen. Syrien war eines der wenigen Länder in der Region, in der der westliche Kapitalismus noch nicht so Fuß fassen konnte, wie in anderen Ländern. So ist vielen Ägyptern bis heute nicht bewusst, dass sie nur wenige Tage ohne US-Amerikanische Weizenlieferungen schwere Probleme bekommen würden, weil die ehemalige Kornkammer Afrikas seine eigene Wirtschaft so abhängig gestaltet hat. Diese Abhängigkeit hat immer mehrere Dimensionen. Eine Dimension sind die Verantwortungsträger, die andere Dimension ist die Bevölkerung. Um es einmal an dem Beispiel der Coca-Cola in dem Iran Air Flieger zu verdeutlichen, der in Istanbul wegen Sanktionen zwischenlanden musste. Die eine Möglichkeit wäre, dass die Verantwortlichen von Iran Air schlichtweg Cola nicht mehr kaufen. Wenn jene Verantwortungsträger über das hinreichende Bewusstsein verfügen, dann entfällt die Verantwortung der Passagiere. Aber wenn jene Verantwortungsträger nicht über das Bewusstsein verfügen, so können die Passagiere es auch erzwingen, indem sie die Getränke nicht trinken sondern auf Wasser oder Säfte ausweichen!
Auf diese Weise agieren Iraner zunehmend – Gott sei Dank. Einmalige Iranreisende wundern sich zwar darüber, wie oft doch noch das eine oder andere westliche Produkt konsumiert wird. Aber Leute, die über Jahre hinweg immer wieder in das Land reisen, können zweifelsfrei den Einfluss der kulturellen Befreiung erkennen. Und jene kulturelle Befreiung wirkt eben weit über die Landesgrenzen hinweg.
Die Zainabiyya in Damaskus, das Mausoleum der Heldin von Kerbela Zainab (a.), wurde auch mit iranischen Geldern zu der Prunkstätte gestaltet, die es heute ist. Und Tausende und abertausende Pilger besuchen tagtäglich die Grabstätte dieser großartigen Widerstandskämpferin gegen Unterdrückung. Allein diese Besuche sind für den Kapitalismus derart gefährlich, dass die Söldner des Kapitalismus, Saudische Hofgeistliche, gleich mehrere Fatwas erlassen haben, dass man jene Stätten zerstören müsste. Und die gleichen Hofschreiber der Westlichen Welt, die sich wochenlang über die Zerstörung einiger mausetoter Statuen in Afghanistan aufgeregt haben, schweigen bei solchen Fatwas ihrer engsten Verbündeten! Auch darum geht es in Syrien.
Ja, die Islamische Republik Iran hat den Weg der kulturellen Befreiung eingeschlagen und ist zunehmend erfolgreich darin, selbst wenn es noch sehr viel zu tun gibt. Andere Länder eifern dem Iran nach. Der westliche imperialistische Kapitalismus aber kann befreite Menschen nicht zu Sklaven ihres Konsumwahns erziehen. Daher muss er solche Befreiungsbestrebungen bekämpfen, auch im Monat Ramadan. Denn allein das wahre Fasten im Monat Ramadan ist ein effektiver Widerstand gegen den Imperialismus.
Was aber können wir in Deutschland daraus lernen? Auch in Deutschland können wir die eigene Wirtschaft, die eigene Heimat durch unser Kaufverhalten stärken! Wir können unser Geld bei der kleinen Sparkasse anlegen und die großen Banken boykottieren. Wir können deutsche waren kaufen: Ami-Schlitten sind in Deutschland ohnehin kaum noch zu sehen. Wir können aber auch darüber nachdenken, warum z.B. ein ehemaliger Bänker uns gegen die Muslime – und auch gegen die kleinen Gemüsehändler unter den Muslimen – aufhetzt. Denn das Geld, das wir dem Gemüsehändler geben, bleibt zum größten Teil in Deutschland. Die Hilfen, die in Form von z.B. Medikamenten oder Ähnlichem zu Verwandten in der ehemaligen Heimat gesandt werden, kommen ebenfalls der deutschen Wirtschaft zugute. Aber das Gemüse, das bei Multis gekauft wird, fließt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil in ein Land, dass Deutschland als sklavenhaften “Verbündeten“ in seinen Kriegen missbraucht. Das Geld, das wir im Dönerladen ausgeben, bleibt in Deutschland. Aber die Gelder in irgendwelchen Multi-Ketten mit ihren Super-Maxi-Burgern fließen teilweise in die USA.
Es liegt an uns, ob wir die Freiheit wählen oder die Abhängigkeit. Der Hofjournalismus verkauft die Abhängigkeit im Gewandt der Freiheit an Menschen, die nicht nachdenken wollen. Aber Nachdenken ist eine Voraussetzung für Freiheit. Und wer nachdenkt, der wird schnell erkennen, dass nicht der kleine Dönerladen seine Zukunft gefährdet, sondern die große Soundso-Burger-Kette. Und wer nachdenkt und Nachrichten auch zwischen den Zeilen liest, wird erkennen, dass nicht die Islamische Republik Iran die Freiheit Deutschlands gefährdet, sondern unter anderem die Atomwaffen, die auf deutschem Boden lagern, ohne dass Deutsche wissen dürfen, wo sie lagern und ohne dass Deutsche darüber entscheiden dürfen, wohin jene Waffen zielen.
Die Islamische Revolution ist der Vorreiter einer kulturellen Befreiung in dieser Welt von der Versklavung. Die Iraner selbst müssen diese Welt beständig weitergehen und haben noch viel zu tun auf diesem Weg. Doch auch andere Ländern können aus dem Beispiel lernen und sich zunächst kulturell aber dann auch wirtschaftlich befreien.
Ihr
yavuz