Überdosis Licht
Meine Augen ersehnen die Sonne. Ich wende den Blick in Richtung des Lichtes, aber nicht einmal eine Sekunde kann ich die Helligkeit ertragen. Die Augenlider schließen sich, um die Augen zu schützen. Ist es auch so, wenn sich die Lieder das letzte Mal schließen? Schützen sie mich dann auch vor der Überdosis Licht, die ich nicht ertragen kann?
Abraham (a.) wollte Dein Licht sehen, Du hast ihn das Wunder der vier wiederbelebten Vögel sehen lassen. Den Moment der Wiederbelebung hätte er nicht ertragen. Das Leben verließ die falschen Berge des Ich und flog zum wahren Geist. Moses (a.) wollte Dich sehen. Aber er hätte es nicht ertragen. Du zeigtest Dich seinem Berg des Ichs, der in sich zusammenfiel. Zurück blieb die Niederwerfung: die höchste Stellung auf Erden, die Du dem Menschen gewährt hast. Jonas (a.) wollte im Sturm der tosenden Welt Dein Licht sehen und hatte erkannt, dass er sich dafür in die Wogen der Meere werfen musste. Dein Licht hätte er nicht ertragen. Stattdessen erhielt er eine undurchdringliche Dunkelheit, die nichts anderes bezeugen konnte als Dein Licht! So viele wahre Lichtempfänger hast Du uns schon gesandt, aber wir haben sie nicht sehen wollen.
Die Heilige Maria (a.) begehrte Dein Licht. Doch sie hätte es nicht ertragen. Sie durfte Dein Licht in ihrem Leib tragen und das geborene Licht ließ einen toten Dattelbaum wiederbeleben und eine Wasserquelle unter ihr entstehen, die Dein Licht wiedergespiegelt hat. Selbst das Feuer unserer Sünden kann nichts anders als Dein Licht bezeugen. So viele Finsternisse werden durch ein einziges Licht vernichtet. Warum sind wir nicht überzeugt von Allah und seinen Gesandten und von dem Licht, das hinabgesandt worden ist?
Die ehrfürchtige Ehefrau des Propheten aller Propheten und Imam aller Imame, die Umm Salama hieß, wollte Dein Licht sehen. Sie hätte es nicht ertragen. Aber sie durfte fünf Strahlen Deines Lichtes gemeinsam sehen, verhüllt unter einer Decke. Jene Lichter (s.) spiegeln Dein Licht für alle Zeiten. Licht über Licht. Allah führt zu Seinem Licht, wen Er will.
Wir stehen vor einem großen weiten Tor, dessen Türen noch verschlossen sind. Aber das Licht hinter dem Tor dringt deutlich durch alle Öffnungen, durch die Scharniere, durch das Schloss, durch die Ritzen oben, unten, an den Seiten, zwischen den Türen. Es scheint so, als wenn das Licht die Türen aufreißen will. Nur noch wenige Tage; dann ist es wieder soweit. Allah öffnet die Tore zu Seinem Monat, zum Monat des Heiligen Quran, zum Monat des Propheten und der Reinen, zum Monat der Läuterung und Lichtdurchflutung. Wir stehen davor und warten. Der Monat wird eröffnet vom Imam der Zeit, der seinen Vertreter beauftragt den Monat anzukündigen. Der verdunkelte Mond darf das Licht der strahlenden Sonne widerspiegeln, damit die Tore aufgerissen werden.
Überall in der Welt sehen wir, wie die Erde sich schmückt, schon seit vielen Jahren. Sie schmückt sich für einen Tag, der so nah erscheint; ein Tag, an dem der Flaggenträger des Lichtes die ganze Welt überfluten wird mit Licht. Der Anfang des Monats Ramadan mit all seiner Überfülle an Licht, ist nur ein Schatten jenes Tages, den wir so sehnlichst erwarten. Doch nicht einmal jenes Licht des besten aller Monate könnten wir ohne den Schleier des Hungers und Durstes ertragen, wie sollten wir dann das Eintreffen des wahren Gottesmonats ertragen?
Wir schließen unsere Lieder. Das Sonnenlicht ist so hell, dass es selbst die Lieder durchdringt. Das Blut meines Körpers lässt das weiße licht leicht rötlich erscheinen. Die Wärme auf meinem Gesicht durchdringt den ganzen Körper. Und dann setzt der Regen der Tränen ein, der die Sünden hinwegschwemmt. Was für ein gesegneter Monat steht vor der Tür? Lasst uns die letzten Tage gemeinsam vor den Toren warten, bis sie aufgehen und lasst uns dann gemeinsam eintreten in die Überdosis Licht.