Wenn Verfassungsrichter und Ärzte Gott spielen wollen
Wenn Selbstmord nicht mehr so heißen darf und Verfassungsrichter wie auch Ärzte zu Gehilfen von dem werden, was ehemals Selbstmord hieß, dann verdeutlicht die Westliche Welt ihre Werte und wie gottlos sie geworden ist.
Das vorsätzliche Beenden des eigenen Lebens hieß Jahrhunderte lang Selbstmord und war Kultur- und Religionsübergreifend ein absolutes Tabu. Niemand hatte das Recht über das Leben des Menschen zu bestimmen außer demjenigen, der es erschaffen hat. Selbst als der Gottesbezug in der Gesellschaft am Schwinden war, war das irdische Leben dennoch heilig. Die Todesstrafe in westlichen Ländern wurde genau deshalb abgeschafft, weil der Mensch nicht über Leben und Tod bestimmen sollte.
Ohne dass es einen öffentlichen Widerhall gefunden hätte, und ohne dass die Kirchen zum Sturm gegen die Entmenschlichung des Menschen aufgerufen hätten, hat bereits am 20. Januar 2011 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Recht auf Beendigung des eigenen Lebens als Menschenrecht anerkannt [1]. Das war bereits ein Dammbruch einer gottlosen Werteordnung dem weitere folgen sollten. Absurderweise sollte man seither nicht mehr von „Selbstmord“ sprechen, sondern von Freitod, Selbsttötung oder Suizid, worunter der Selbstmord in den einschlägigen Lexika zu finden ist. Suizid entstammt dem lateinischen „sui“ (seiner selbst) und caedere (morden).
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 26.2.2020 dem ganzen Treiben einer völlig verkommenen Werteordnung die Krone in Deutschland aufgesetzt: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.“ [2]
Deutsche Verfassungsrichter behaupten hier allen Ernstes, dass die Unantastbarkeit der Würde des Menschen bedeute, dass man sich selbst töten darf, wann immer man es ernsthaft wünscht! Bei solch einer Urteilsfindung stellt sich die Frage, ob der selbstmordgefährdete Bürger psychologischen Beistand bedarf oder ein Verfassungsrichter. Das aktuelle Urteil reiht sich konsequent in die Reihe des Abtreibungswahns gegen behinderte Menschen [3]. Lebensunwertes Leben soll eben beendet werden können; und zwar vom Menschen, das sagt die gottlose Gesellschaft. Es geht nur noch darum, wer über was bestimmen darf.
In der deutschen Geschichte gab es bereits lange vor den aktuellen Urteilen die Euthanasie, bei der ebenfalls „lebensunwertes Leben“ ausgelöscht worden ist. Damals haben andere über jenes Leben entschieden, wie auch heute bei der Abtreibung. Im Fall des Selbstmordes – zu dem jetzt auch legal Beihilfe geleistet werden darf – soll der Betroffene selbst entscheiden. Er muss dafür kein Patient sein. Er kann auch andere Gründe dafür haben, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen. Er habe das Recht dazu.
Ich frage mich, unter welchen Umständen jetzt noch irgendjemanden psychologische Hilfe „aufgezwungen“ werden kann. Schließlich ist es sein Recht, sich selbst zu töten. Die Absurdität des aktuellen Urteils kann an einer Zuspitzung erläutert werden. Im § 109 des Strafgesetzbuches heißt es unter Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung: „(1) Wer sich oder einen anderen mit dessen Einwilligung durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder machen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ [4] Selbst der Versuch ist strafbar! Zwar gibt es in Deutschland aktuell keine Wehrpflicht, weil sie ausgesetzt ist, aber die Aussetzung könnte jederzeit rückgängig gemacht werden. Das Gesetzt ist nach wie vor gültig. Entzieht sich der Wehrpflichtige aber seiner Pflicht durch Selbstmord, darf man ihm offensichtlich von Gesetzes wegen sogar helfen.
Neben der Erosion von Werten einer zunehmend wertelosen Gesellschaft gibt es allerdings auch einen ernster zu nehmenden Aspekt bei der Gesetzesdebatte. Wie ist es mit unheilbar Kranken, die derart gravierende Schmerzen haben, dass sie es kaum mehr aushalten können? Die Antwort auf diese Frage hat die Palliativmedizin bereits gegeben. Der Mediziner versucht sein Bestes, um die verbleibende Lebenszeit des Patienten erträglich zu gestalten, aber er tötet ihn nicht. Als Gegenargument wird angeführt, dass das Verabreichen von Morphinen auch eine Art Tötung in Raten sei. Das könnte man in bestimmten Fällen sogar für die Chemotherapie behaupten. Aber in beiden Fällen ist die Absicht des Arztes nicht, den Patienten zu töten. Das ist ein großer Unterschied zu einem Menschen, der Beihilfe zur Tötung leistet. Es wird ja nicht nur der Patient getötet; auch derjenige, der Beihilfe leistet, tötet seine eigene Seele. Der „Gnadenschuss“ darf eben nicht bei Menschen erfolgen!
In der gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung heißt es: „Mit großer Sorge haben wir zur Kenntnis genommen, dass das Bundesverfassungsgericht am heutigen Tag (26. Februar 2020) das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) aufgehoben hat. Dieses Urteil stellt einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar. Wir befürchten, dass die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen auf subtile Weise unter Druck setzen kann, von derartigen Angeboten Gebrauch zu machen. Je selbstverständlicher und zugänglicher Optionen der Hilfe zur Selbsttötung nämlich werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Menschen in einer extrem belastenden Lebenssituation innerlich oder äußerlich unter Druck gesetzt sehen, von einer derartigen Option Gebrauch zu machen und ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten.“ [5] Die defensive Art, mit dem dieser Skandal in der Gesellschaft angeprangert wird, verdeutlicht den Niedergang der Kirchen bei Wertediskussionen in der Gesellschaft.
In der EU ist Sterbehilfe bisher in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden erlaubt bzw. straffrei, allerdings mit schweren Auflagen verbunden. Belgien verfügt mit Abstand über die höchste Selbstmordrate innerhalb der EU [6]. In den anderen beiden Ländern gab es diese Auswirkung nicht.
Eine andere Auswirkung der Selbsttötung wird in allen Diskussionen völlig ausgeklammert. Es ist der Aspekt der Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit. Hoffnungslosigkeit ist die größte Sünde im Islam, noch größer als Mord, Raub oder Vergewaltigung. Macht sich Hoffnungslosigkeit breit, so ist Gottlosigkeit die Folge und Gottlosigkeit führt zu einer Gesellschaft, in der Menschen die Werte willkürlich festlegen, sogar die Werte über Leben und Tod. Wohin das führt, hat die Menschheitsgeschichte hinreichend oft bewiesen. Weder darf ein Patient hoffnungslos werden, noch ein Betreuer der Patienten. Hoffnungslosigkeit ist das Ende jeder Gesellschaft.
Hospizmitarbeiter sind diejenigen, die tagtäglich mit Patienten zu tun haben, die vor ihren Augen sterben. Sie begleiten diese Menschen beim Sterben. Niemand hat mehr Erfahrung mit Patienten wie Hospizmitarbeiter. Ihnen gebührt große Hochachtung für ihre außerordentliche Leistung! Es ist ausgerechnet der Hospiz- und Palliativverband (DHPV), der sich nach dem aktuellen Sterbehilfe-Urteil besorgt zeigt. DHPV-Chef Prof. Dr. Winfried Hardinghaus, Chefarzt der Klinik für Palliativmedizin, fordert unter anderem, dass eindeutig geklärt werden müsse, ob die Betroffenen wirklich freiverantwortlich handelten. Aber das sei kaum leistbar. 90 Prozent der Suizidenten würden psychisch leiden und es sei besonders schwer zu entscheiden, ob sie freiverantwortlich handeln [7].
Gemäß Verständnis des Islam ist jemand, der eine Seele ermordet, so belastet, als wenn er die gesamte Menschheit ermordet hätte, und jemand, der eine Seele rettet so, als wenn er die gesamte Menschheit gerettet hätte. Nach islamischem Verständnis handelt es sich dabei nicht einmal um eine islamische Neuerung, sondern um eine Art „Naturgesetz“, welches bereits zur Zeit der Juden existiert hat [8]. Die Verbände der Juden in Deutschland halten sich bei derart fundamentalen Fragen für die deutsche Gesellschaft zurück, so lange es keine Auswirkungen auf Israel hat. Die Kirchen äußern sich derart zurückhaltend, dass kein Gesetzgeber deshalb irgendeine Sorge verspüren würde. Und muslimische Verbände sind derzeit so stark mit der Verteidigung der Sicherheit der eigenen Gemeinden beschäftigt, dass sie solche Gesetzte zuweilen gar nicht mitbekommen. Die Gesamtsituation wird zudem überschattet von der Corona-Angst, die das öffentliche Denken lahmlegt.
Es ist meines Erachtens aber angebracht, dass insbesondere die muslimischen Verbände sich diesbezüglich klipp und klar äußern, selbst wenn sie nur eine Minderheitenmeinung vertreten. Es wird der Tag kommen, an dem sich dieses Land für alle Abtreibungen genau so schämen wird wie für alle „Sterbehilfen“, denn sie werden rückwirkend ähnlich beurteilt werden, wie man heutzutage Euthanasie beurteilt. Der Islam ist die einzige verbliebene Wertequelle in Deutschland, welche die Kraft haben könnte, sich solchen Irrwegen entgegen zu stellen, wie sie das Bundesverfassungsgericht jetzt eröffnet hat. Aber dafür müssen die Muslime endlich ihrer Verantwortung als Geschöpfe Gottes in ihrer Heimat Deutschland etwas deutlicher vernehmbar gerecht werden.
Meine Wenigkeit äußert daher im Namen aller, die es mittragen – seien es wenige oder viele – hier klipp und klar und unmissverständlich, dass ich Sterbehilfe als ein Verbrechen an Menschen und an Menschlichkeit einstufe. Gleichzeitig drücke ich meine Hochachtung vor allen mutigen und lichterfüllten Menschen aus, die Sterbebegleitung durchführen, denn sie erfüllen eine der schwierigsten und gleichzeitig gottgefälligsten Aufgaben auf Erden, insbesondere in Kinderhospizen!
[1] https://www.echr.coe.int/Documents/CLIN_..._ENG_881521.pdf
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/.../bvg20-012.html
[3] https://www.zeit.de/gesellschaft/familie...ung-behinderung
[4] https://dejure.org/gesetze/StGB/109.html
[5] https://dbk.de/nc/presse/aktuelles/meldu...irche-i/detail/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Suizidrate_nach_L%C3%A4ndern
[7] https://www.oldenburger-onlinezeitung.de...orgt-34397.html
[8] Heiliger Quran 5:32