Ein humanistischer „Querdenker“
Zum Tode von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
Ein streitbarer Geist hat die Feder für immer aus der Hand gelegt. Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen starb vor wenigen Tagen – mitten aus einem fruchtbaren Schaffen ge-rissen. Seine Produktivität – die Klarheit seiner Gedanken, die Brillanz seiner Analy-sen, die Konsequenz, mit der er seine Standpunkte – oftmals wider den Zeitgeist – logisch begründete und überlegen verteidigte, wird Tausenden denkenden Men-schen fehlen, für die seine zahlreichen Veröffentlichungen Anlass zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen boten. Es gab für ihn kaum ein Thema von Relevanz, das er nicht aufgriff – und er stand stets auf der Seite der rechtschaffenen Bürger. Aus-beuter, Schmarotzer und Spekulanten - aber auch korrupte Politiker - durften nicht mit Nachsicht rechnen. Er hielt ihnen den Spiegel vors Gesicht und entlarvte mit In-telligenz und außerordentlich breitem Faktenwissen deren verwerfliches Tun.
Wer – wie der Autor dieser Zeilen – das Glück hatte, in Dr. Hans-Jürgen Falkenha-gen einen Mentor und Lehrer zu finden, mit dem er beinahe täglich kommunizieren konnte, der wird dessen geistiges Potenzial, die Komplexität der Gedanken, die au-ßerordentliche Sprachbegabtheit – er beherrschte nicht weniger als 12 Sprachen - niemals vergessen. Sie wird ihm stets als leuchtendes Vorbild vor Augen stehen und in dankbarer Erinnerung bleiben.
Hans Jürgen Falkenhagen, geboren am 26. September 1932 in Köln, ließ sich auch in Deutschlands schwärzester Zeit nichts vormachen und entwickelte schon als Ju-gendlicher eine kritische Distanz zu vordergründiger Propaganda. Dies brachte ihm einst 100 Liegestütze ein, die er als Sühne für seinen Zweifel am „Endsieg“ vor versammelter Jungenschaft zu leisten hatte. Das war im fernen Jahre 1944, zu einem Zeitpunkt als selbst so mancher Professor noch an diesen „Endsieg“ glaubte bzw. nicht den Mut aufbrachte, seine Zweifel zu äußern.
Auch während seiner beruflichen Laufbahn in unterschiedlichsten Positionen und Institutionen in jenem Teil Deutschlands, in dem nach der Meinung vieler unserer Zeitgenossen „die zweite deutsche Diktatur des 20. Jahrhunderts“ herrschte, sicherte sich Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen, der sowohl ein Jura- als auch ein BWL-Diplom besaß die Unabhängigkeit seines Denkens und ließ sich nicht korrumpieren. Zuwei-len gab er sich sogar „provokatorisch“ – zum Beispiel, wenn er einen Koran deutlich sichtbar auf seinem Arbeitstisch im Finanzministerium der DDR platzierte. Das hinter-ließ bei so manchem Vorgesetzten ratloses Staunen.
Diese Souveränität und Abgeklärtheit des kritischen Geistes behielt er nach 1990 bei – die neuen Herren mochten – oder konnten – dennoch nicht auf seine Fachkompe-tenz verzichten.
Die Zahl der Veröffentlichungen und Übersetzungen von Dr. Hans-Jürgen Falkenha-gen ist Legion. Sie reicht von der Leserzuschrift bis zum umfangreichen wissen-schaftlichen Werk. Nie hat er sich dabei dem Mainstream gebeugt, immer stand er für das ein, das er für richtig erachtete – mit aller ihm eigenen Konsequenz! Da konn-te Hans-Jürgen Falkenhagen unerbittlich sein – aber er wurde niemals verletzend. So bleiben auch die „Streitthemen“ in Erinnerung – z. B. die Beurteilung der Persönlich-keit Stalins, bei der Differenzen unüberbrückbar zutage traten -, aber nie zu Ver-stimmungen führten.
In meiner sächsischen Gebirgsheimat erzählt man sich zuweilen eine uralte Legende: Wenn ein guter Mensch diese Erde verlassen hat, so wird er als hell leuchtender Stern am Himmel erstrahlen. Als ich gestern Abend den Blick auf das unendliche Firmament richtete, da schien es mir, als ob ein neuer Stern besonders hell glänzte…
Sieghard Scheffczyk
Projektleiter
Redakteur der KON TE XIS-Informationsschrift