Wenn der Papst Silvester stirbt
Außer einem schwindenden Rest von gläubigen Katholiken in Deutschland und einem kümmerlichen Rest von kulturell und geschichtlich gebildeten Bürgern gibt es wenige, die wissen, dass Silvester nicht der Name einer Böllerorgie, noch der bürgerliche Name von Rambo ist. Tatsächlich handelt es sich um den Namen eines Papstes. Silvester I. starb am 31. Dezember 335 nach Christus. Fast ein halbes Jahrtausend nach dessen Ableben, nämlich im Jahr 813 wurde der 31. Dezember als Namenstag von Silvester festgelegt. Und weitere fast acht Jahrhunderte später, nämlich im Jahr 1582 wurde im Zuge der gregorianischen Kalenderreform der letzte Tag des Jahres vom 24. Dezember auf den 31. Dezember verlegt. Seither heißt der 31. Dezember Silvester.
Gestern ist wieder ein Papst am 31. Dezember gestorben. Es handelt sich um den einzigen deutschen Papst Benedikt XVI., der zuvor als Kardinal Ratzinger bekannt war. Er gilt als der Papst mit dem höchsten Lebensalter der Kirchengeschichte (95 Jahre 259 Tage). Allerdings erreichte er dieses Alter nicht im Amt, sondern als zurückgetretener Papst, was ihn wiederum in historische Dimensionen erhebt. Denn seit dem Jahr 1294 war kein Papst von sich aus freiwillig zurückgetreten, und seit 1417 war kein Papst lebendig aus dem Amt geschieden. Genau jener historische Papst ist nun am Todestag des Papstes Silvester I. verstorben.
Daher lohnt ein Blick auf den Papst, der das historische Konzil von Nicäa (heute Iznik in der Türkei) im Jahr 325 n.Chr. maßgeblich beeinflusst hat, obwohl er nur durch einen Vertreter anwesend war. Das Konzil endete mit dem Nicänischen Glaubensbekenntnis, der erstmaligen Festlegung der Dreieinigkeit als Glaubensbekenntnis der Christenheit: „Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, …“ Die Antwort des Islam auf jenes Glaubensbekenntnis der Dreieinigkeitsbefürworter folgte Jahrhunderte später in der Sure 112 des Heiligen Quran: „Nicht zeugt er und nicht ist er gezeugt.“
Tatsächlich war die Dreieinigkeitsformel auch im Konzil von Nicäa nicht unumstritten. Bischoff Marcellus von Ancyra trat offen dagegen auf, durfte im Anschluss seine Abneigung weitere acht Jahre lehren, bevor er deshalb aus der Kirche ausgeschlossen worden ist. Ein noch berühmterer Widersacher der Dreieinigkeitslehre auf dem Konzil war Arius, der seinen Widerstand gegen die Dreieinigkeit tiefsinnig theologisch begründen konnte. Seine Lehre sollte als Arianismus noch lange bestehen, selbst wenn er im Konzil von Nicäa zu den Verlierern gehörte. Die Legende besagt, dass der Heilige Bischof Nikolaus von Myra auf dem Konzil von Nicäa dem aus seiner Sicht Abweichler Arius eine schallende Ohrfeige verpasst habe. Bis vor kurzem erhofften sich Kinder in diesem Land am 6. Dezember ein Geschenk von jenem Ohrfeigenverteiler. Doch die Nikolaus-Sitte wird jetzt einige Tage zuvor von Monstern mit Kürbisköpfen überschattet.
Zurück zu dem verstorbenen Papst Benedikt XVI. Aus muslimischer Sicht hat meine Wenigkeit ein differenziertes Bild über jenen deutschen Papst. Einerseits war mir die katholische Kirche als eine der letzten verbliebenen Instanzen in Deutschland gegen die zunehmende Gottlosigkeit der Gesellschaft immer eine wichtige Institution. Aber andererseits hat genau jener Papst erstmalig seit vielen Päpsten den Islam frontal angegriffen und den heiligsten Menschen aus Sicht des Islam öffentlich beleidigt. Im Nachgang gab es dann eine Reihe von Relativierungen, Dialogansätzen und gemeinsamen Erklärungen, die aber immer von jener Vorlesung in Regensburg überschattet worden sind.
In einem größeren weltpolitischen Blick – der Verfassungsschutz würde es „verschwörungstheoretisch“ nennen – war der polnische Vorgänger namens Johannes Paul II. dafür „zuständig“ den Kommunismus zu bekämpfen, worin er sehr erfolgreich war. Papst Benedikt XVI. hatte die Aufgabe den Islam zu schwächen, worin er weniger erfolgreich war. Und sein Nachfolger Papst Franziskus hat die Aufgabe die Orthodoxie zu bekämpfen; Ergebnis offen.
Doch was haben Kommunismus, Islam und orthodoxes Christentum gemeinsam, das bekämpft werden müsste? Oder anders gefragt: Sind der zunehmende Atheismus in Deutschland und Europa nicht eine viel größere Gefahr für das Christentum als der Glaube in fernen Ländern? Müsste nicht in Deutschland viel mehr missioniert werden als in muslimischen Ländern? Man braucht sich nur die neue Religion in Deutschland anzusehen, um zu verstehen, warum der Kommunismus vernichtet worden ist und der Islam und die Orthodoxie aktuell aufs Blut bekämpft werden von den Anbetern von Statuen und Luftschlössern. Die neue Religion heißt LGBT und die neue Ideologie heißt: „Willst du nicht meiner Meinung sein, so schlag ich Dir den Schädel ein“. Gewaltsam im wahrsten Sinn des Wortes werden Dogmen im Bereich Energiewende, Klimawandel, Corona-Gefahren und vielem anderen mehr gegen alle Andersdenkenden durchgesetzt. Jeder hat sich der schlimmsten Diktatur seit dem zweiten Weltkrieg unterzuordnen, sonst wird er von der neuen Religion exkommuniziert. LGBT ist jene Ideologie, in der die grausamsten Kriege in Europa seit Jahrzehnten geführt werden. LGBT ist der finale Todesstoß für eine Gesellschaft, in der es ohnehin kaum noch intakte Familien gibt und Kinder zu einer aussterbenden Spezies geworden sind.
Das Dahinscheiden von Papst Benedikt XVI. hat sich seit mehreren Tagen angebahnt. Die gläubigen Katholiken haben seit vielen Tage für ihn gebetet, weil sie wussten, dass er an diesen Tagen sterben wird. Und doch hat es die Seele des emeritierten Papstes bis zum Tag von Silvester durchgehalten. Wollte er damit den Katholiken ein Zeichen geben, damit sie über die Dinge der Zeit nachdenken? Sollten Sie über das Konzil von Nicäa nachdenken? Und sollen sie möglicherweise darüber nachdenken, dass der Krieg gegen Russland in Wirklichkeit andere Hintergründe hat als die uns vorgegaukelten? [1]
Wollte der Papst die früher Spaltung der Kirche überwinden helfen mit seinem letzten Atemzug? Am 5. Januar will der amtierende Papst Franziskus auf dem Petersplatz ein Requiem für seinen Vorgänger im Papstamt feiern. Am 6. Januar ist Weihnachten für die orthodoxe Kirche. So können die Ereignisse zu einer Brücke für die Konfessionen oder zu einer Ausweitung der Spaltung führen. Es hängt von uns ab. Das zunehmende Verbot und die Verfolgung der Orthodoxen Kirche in der Ukraine durch einen sich jüdisch ausgebenden Schauspieler und das demonstrative Schweigen der katholischen Kirche zu einem lauten Hilferuf des Mytropoliten Mark von Berlin und ganz Deutschland [2], das Schweigen der Kirchen zu den Hilferufen ihrer Glaubensgeschwister aus dem besetzten Bethlehem und stattdessen der Einsatz für Frauen im Iran, die der Heiligen Maria ihr Kopftuch entreißen wollen, verdeutlichen die Schieflage, in welche die katholische Kirche geraten ist. Möglicherweise war es der letzte Lebenseinsatz von Papst Benedikt XVI. auf diese Schieflage hinzuweisen, indem er symbolträchtig zu Silvester Abschied genommen hat. Denn mit Böllern und Raketen kann man nicht die Geister vertreiben, die man selbst geschaffen hat.
Joseph Aloisius Ratzinger, der einstmals Benedikt XVI. war, ist zu seinem Herrn zurückgekehrt. Unabhängig davon, was meine unbedeutende Wenigkeit über diesen Menschen denkt, so gilt meine aufrichtige Anteilnahme auch im Namen vieler Muslime den gläubigen Katholiken. Wir teilen ihre Trauer nicht mit Böllern, sondern mit Gebeten für eine friedvolle segensreiche Welt ohne Grenzen in den Ländern und in den Herzen. Möge die Christenheit aus diesem Dahinscheiden die besten Lehren ziehen, um allen gottlosen Kräften dieser Welt entgegenzutreten. In diesem Sinn wünsche ich uns allen ein gesegnetes neues Jahr 2023.
[1] Kämpft Russland gegen den Antichristen?
[2] https://www.youtube.com/watch?v=4CUUJke23Y4