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Die Dialektik der Paarung führt von Dualität zur Einheit

#1 von Yavuz Özoguz , Gestern 13:55

Die Dialektik der Paarung führt von Dualität zur Einheit

In seiner Ansprache zum Geburtstag der heiligen Fatima an die ehrenvollen Frauen der Islamischen Republik Iran hat Imam Chamenei auf die große Bedeutung eines grundsätzlich revolutionären Denkansatzes hingewiesen, nach dem diese so kriegserschütterte Welt dürstet. Ich betrachte die wiederholten Hinweise Imam Chameneis als Befehl für jeden verantwortungsbewussten Dichter und Denker, für jeden menschlichen Intellektuellen und jeden menschwürdigen Schreiber sich intensiver mit dieser Thematik auseinander zu setzen.



Imam Chamenei sagte erst vor wenigen Tagen: „Im Islam, gemäß der islamischen Auffassung, basiert die Schöpfung der Welt, die Geschichte der Menschheit und die Geschichte des Universums auf Harmonie und Partnerschaft.“ [1] Bereits vor fast zwei Jahren hat Imam Chamenei mit ähnlichen Worten die Dichter und Denker des Landes und der Welt aufgefordert, über diesen Ansatz nachzudenken, als er sagte: „Das Gesetz der Paare ist ein universelles Gesetz. Ich möchte hier noch einen weiteren Aspekt am Rande unserer Diskussion erwähnen. Diese Paarung, die in der islamischen Sichtweise so offensichtlich ist, ist genau der entgegengesetzte Punkt zum Widerspruch aus der hegelschen und marxistischen Dialektik.“ [2] Anscheinend ist seither nicht genügend geschehen, so dass Imam Chamenei seine Worte nachdrücklich und wiederum an vor allem die Schwestern gerichtet, widerholen musste. Meine Wenigkeit hatte damals eine Text mit dem Titel „Dialektik der Dualität“ verfasst [3], der heute vertieft und ergänzt werden soll.

Die aktuelle Aufforderung Imam Chameneis ist unmissverständlich: „Im Islam, gemäß der islamischen Auffassung, basiert die Schöpfung der Welt, die Geschichte der Menschheit und die Geschichte des Universums auf Harmonie und Partnerschaft – im Gegensatz zu der Dialektik von Hegel und Marx, die behaupten, dass die Grundlage der Welt im Widerspruch liegt. Sie sagen, ein Ding entsteht, dann entsteht dessen Gegenteil, und aus diesem Widerspruch entsteht etwas Drittes, das wiederum ein Gegenteil hervorbringt, und so weiter. Die Geschichte schreite auf diese Weise fort. Der Islam jedoch sagt: Nein, ein Ding entsteht, und dann entsteht ein weiteres Ding, um mit dem ersten in Harmonie und Verbindung zu treten. Aus der Harmonie und Verbindung dieser beiden entsteht etwas Drittes, und die Geschichte schreitet auf diese Weise fort. Natürlich, wie gesagt, sollten Experten sich diesem Thema widmen, es weiterverfolgen und die Wurzeln dieses Konzepts erforschen, um herauszufinden, wohin es führt. Es ist ein wichtiges Thema.“ [1] Nun ist meine Wenigkeit zwar weder ein Dichter noch ein Denker, sondern ein einfacher Liebender der Heiligkeit unserer Zeit [3] Imam Chamenei – Gott schütze ihn. Aber meine Heimat ist immerhin das Land, das einstmals als Land der Dichter und Denker galt, bevor wir als Vasall der USA nicht nur die Fähigkeit zu denken verloren haben, sondern auch unsere Souveränität und Freiheit.

Tatsächlich sind Imam Chameneis Gedanken auch in der Westlichen Welt vorhanden gewesen. Es ist die Gnade Gottes, dass wir in einer Zeit leben dürfen, in der Imam Chamenei diesen uralten Gedanken der Einheit, wie er selbst lange vor dem Islam existiert hat, in unsere Zeit überträgt und uns auffordert, zu diesem Gedanken des wahren Monotheismus, der wahren Einheit zurückzukehren mit den Mitteln und der Sprache unserer Zeit. Bereits der antike griechische Philosoph Heraklit behauptete: „Das Eine entsteht durch das Andere, und Gegensätze ergänzen sich.“ [4] Und Aristoteles hatte in seinem Werk „Physik“ die Wirkursache als eine Art Vereinigung der Formursache und die Zielursache erkannt. Auch Platons Philosophie strebt danach, die Vielheit der sinnlichen Welt mit der Einheit der Ideenwelt zu verbinden. Und der mittelalterliche und stark vom Islam beeinflusste große deutsche Theologe Nikolaus von Kues hat mit seinem Begriff Coincidentia oppositorum (lateinisch; „Zusammenfall der Gegensätze“) einen neuen zentraler Begriff im Denken des Philosophen und Theologen geprägt [5]. Er wurde dabei beeinflusst von Avicenna (Ibn Sina), Averroes (Ibn Ruschd) und Abu Nasr Muhammad Farabi.

Die Überführung der Dualität zur absoluten [samad] Einheit ist nicht nur dem Islam oder den monotheistischen Religionen vorbehalten. Die Schule der Advaita Vedanta, eine Schule der hinduistischen Philosophie, lehrt, dass die scheinbare Dualität zwischen dem individuellen Selbst (Atman) und der absoluten Realität (Brahman) letztlich eine Illusion (Maya) ist. Die Bhagavad Gita betont die Vereinigung von Gegensätzen wie Wissen und Handeln, Leidenschaft und Ruhe, um ein höheres spirituelles Gleichgewicht zu erreichen. Im mittleren Weg des Buddhismus (Madhyamaka) erklären die Lehren von Nagarjuna, dass Dualitäten wie "Existenz" und "Nicht-Existenz" auf konventioneller Ebene bestehen, jedoch in der ultimativen Realität leer (Shunyata) sind. Im Taoismus werden Dualitäten wie Licht und Dunkelheit, Aktivität und Passivität durch das Prinzip des Tao vereint, das die zugrunde liegende Einheit aller Gegensätze ist. Das Ziel ist Harmonie durch die Anerkennung, dass Gegensätze sich nicht bekämpfen, sondern ergänzen. Selbst die moderne Quantenphysik zeigt, dass Dualitäten wie Welle und Teilchen auf fundamentaler Ebene miteinander verbunden sind und in einer Einheit koexistieren.

Der große deutsche Dichter Goethe betrachtete die „Polarität und Steigerung“ als Schlüsselbegriffe in seinen naturwissenschaftlichen Schriften. Im ersten Prinzip der Polarität erfolgt die Manifestationen in den physikalischen Disziplinen der Pole im Magnetismus, als Gelb und Blau in der Farbenlehre, als Säuren und Basen in der Chemie, als Plus und Minus in der Elektrizität und vieles andere mehr. Erst durch die Zusammenkunft der beiden scheinbaren Gegensätze kommt es zu dem, was Goethe „Steigerung“ zum Höheren nennt [6]. Der zeitgenössische Philosoph Alfred Schmidt versteht Goethes Kategorien Polarität und Steigerung als „Letztelemente allen Geschehens“.

Im Islam ist die Vereinigung der Dualität, um etwas größeres zu erreichen sehr deutlich zu spüren in den Aufzählungen im Heiligen Quran wie bei: Sonne und Mond, Männer und Frauen, Himmel und Erde, Diesseits und Jenseits, Licht und Finsternisse, Glauben und gute Werke tun und vieles andere mehr. Bereits in den ersten beiden Namen Allahs am anfang des Heiligen Quran, nämlich Gnädiger [rahman] und Begnadender [rahim] wird deutlich, dass die Unterschiede der Betrachtung bei uns Menschen liegen und nicht in der Pracht der Herrlichkeit des Einheitsnamens, in dem Rahman und Rahim zur eins verschmelzen.

Der große russische Philosoph, der auch der Arbain-Marsch mitgelaufen ist, betrachtet die Dualität aus Sicht der Horrors und der Furcht, die den Menschen eingeflößt werden sollen, um sie zu beherrschen. Er sieht die Befreiung davon in der Gottesehrfurcht: „Die Furcht vor dem Herrn ist die vertikale Achse des Seins.“ [7]

Doch bei so viel abstrakter Philosophie muss die Frage aufgeworfen werden, welchen praktischen Nutzen solch eine Betrachtung haben kann und welche praktischen Auswirkungen auf das Leben. Wie ist es z.B. mit der Einheit von Mann und Frau? Wenn Mann und Frau heiraten, entsteht idealerweise etwas Neues. Damit sind nicht erwünschte Nachkommen gemeint, sondern allein die Tatsache, dass Mann und Frau in der Liebe verschmelzen, ergibt bereits ein neues, höheres Wesen: Das Ehepaar. Zwei unvollständige Seelen werden in dieser neuen Heraufstufung vervollständigt. Doch wie soll das in der Praxis funktionieren, wenn die Gleichberechtigung (nicht Gleichheit) gesellschaftlich nicht gewährleistet wird? Gleichberechtigung hieße z.B., dass eine Frau, die 25-30 Jahre lang 4-5 Kinder großgezogen hat, ein warmes Heim für die Familie bereitet hat und die Innenministerin des Hauses war, genau die gleichen Rentenabsicherung erhält wie ein Mann, der diese Familie so lange versorgt hat. Doch weder ist das iranische Rentensystem bis heute darauf ausgerichtet noch das deutsche. Gleichberechtigung hieße, dass jene Frau genauso entlohnt wird für ihre Leistung wie der Ehemann, der draußen arbeitet, um die Familie zu versorgen. Aber wie soll das möglich sein bei einem Gehalt, das gerade einmal für das Nötigste reicht? Das Bewusstsein der Schönheit der Frau und die daran gekoppelte Faszination der Anziehungskraft für ihren Ehemann darf nicht kapitalistisch missbraucht werden, sondern sollte die Liebesverschmelzung bis ins hohe Alter intensivieren helfen. Doch wie soll das möglich sein in einer Gesellschaft, wie dem Iran, in der es offensichtlich nicht möglich ist, alle Frauen davon zu überzeugen, dass ihre Entblößung nur zur triebgesteuerten Entmenschlichung der Gesellschaft führt, die kapitalistisch ausgebeutet wird. Erst in der exklusiven Verschmelzung mit dem eigenen Partner entsteht die Vervollständigung. Dabei bräuchten die Iranerinnen nur auf Deutschland zu schauen, wo inzwischen jedes Kleinkind völlig unproblematisch unmenschlichste Pornografie konsumieren kann und jeder Mensch einmal im Jahr einfach behördlich sein Geschlecht wechseln darf (das ist kein Scherz!). Das ist die Konsequenz, wenn man die Vereinigung ablehnt und den Individualismus vergöttert. Gegen solche Irrwege und in derartigen Bereichen gibt es für uns alle noch sehr viel zu tun und viel Anstrengung – so Gott will – um die Gesellschaft voran zu bringen.

Betrachten wir aber abschließend noch einige scheinbare Gegensätze, die durch ihre Vereinigung zu Großartigem geführt haben. Die heiligen Gräber in Nadschaf und Kerbela liegen weit auseinander. Die Vereinigung führte zum jährlichen weltgrößten Friedensmarsch, dem sogenannten Arbain-Marsch mit Millionen von Teilnehmern [8]. Die Vereinigung des iranischen Volkes mit der Führung führte zur größten Revolution unserer Epoche. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Schiiten die Rückkehr des erwarteten Erlösers Imma Mahdi zusammen mit Jesus erwarten. Und so können Schiiten z.B. auch in der Vereinigung mit Sunniten vieles lernen wie das gemeinsame Beten. Selbst in Luxushotels im Iran gibt es auf einem Doppelzimmer immer nur eine Gebetsdecke. Die Vereinigung von Muslimen mit orthodoxen Christen kann dem Wunsch von superreichen Kapitalisten nach Weltherrschaft entgegentreten. Die Vereinigung von souveränen Ländern kann ein neues, nicht auf Unterdrückung aufbauendes Finanzsystem etablieren, in dem die Werte der Völker den Völkern, und vor allem den Armen, zugutekommen. Die Vereinigung von Ingenieuren im Iran mit den großen und reichen Stiftungen und dem Volk können nicht nur die Energieversorgung mittelfristig im eigenen Land sichern, sondern auch kurzfristig Probleme lösen, indem jeder in einer nicht so stark überhitzten Wohnung lebt. Die Vereinigung deutscher Ingenieurskunst mit russischen und iranischen Bodenschätzen könnte die gesamte Armut der Welt überwinden, wenn Deutschland eines Tages souverän wird. Und die Nachkommen von Goethe und Hafis könnten vereint den Sinn des Lebens für alle Menschen besser entfalten.

Wie sagte Imam Chamenei: „Aus der Harmonie und Verbindung dieser beiden entsteht etwas Drittes, und die Geschichte schreitet auf diese Weise fort. Natürlich, wie gesagt, sollten Experten sich diesem Thema widmen, es weiterverfolgen und die Wurzeln dieses Konzepts erforschen, um herauszufinden, wohin es führt. Es ist ein wichtiges Thema.“

Meine Wenigkeit ist kein Dichter, kein Denker und auch kein Experte. Aber so lange die Experten verhindert sind, die Worte Imam Chameneis zum Wohl der Menschheit umzusetzen, traut sich so einer wie ich an die Thematik in der Hoffnung, dass die Experten motiviert werden, darüber nachzudenken und ihre Gedanken in die Tat umzusetzen, denn „Glauben und Gute Werke tun“ ist auch solch eine Paarung, die uns weiterbringen wird – so Gott will.

[1] http://khamenei.de/wordpress/2024/12/20/...-frau-im-islam/
[2] Dialektik der Paarung
[3] http://www.eslam.de/begriffe/h/heiligkeit_unserer_zeit.htm
[4] https://rw-ktf.univie.ac.at/fileadmin/us...ehrer_2016_.pdf
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Coincidentia_oppositorum
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Polarit%C3%A4t_(Goethe)
[7] https://alexanderdugin.substack.com/p/to...heory-of-horror
[8] http://www.eslam.de/begriffe/f/fussmarsc...haf_kerbela.htm

Yavuz Özoguz  
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