Deutschland könnte jetzt zum Symbol für Frieden in der Welt werden
Der aktuelle Anschlag in Paris war ein Anschlag auf den Islam. Und es fällt vielen Muslimen schwer auf Hass mit Liebe zu reagieren, aber wie hätte der Prophet der Liebe und Gnade reagiert?
Einmal mehr kommt es ganz hart auf uns Muslime zu: Immer wieder müssen wir uns dieser Tage anhören, dass Muslime eine Religion hätten, die jegliches Hinterfragen nicht zulassen würde. Daher sei der Islam mit Demokratie, Aufklärung, Freiheit und so weiter nicht vereinbar! Die Gleichen, die solche radikalen Äußerungen von sich geben, erlauben es aber nicht, dass man den Anschlag hinterfragt, der zum neuerlichen Angriff auf den Islam und die Muslime geführt hat. Ja, der Anschlag selbst war ein Anschlag auf den Islam! Doch wie sollen die Muslime darauf reagieren? Sämtliche Verbände in Frankreich und Deutschland, sämtliche bedeutende und weniger bedeutende Persönlichkeiten des Islam haben sich von dem Anschlag distanziert. Aber was hat es ihnen genützt? In Frankreich wurde auf Moscheen geschossen, vor einer Döner-Bude wurde ein Sprengsatz gezündet und in Deutschland wollen zwar immer mehr Politiker Islam und „fanatischen Islamismus“ nicht gleichsetzen, jedoch oft mit dem Zusatz „aber“.
Fanatismus kann nicht mit Fanatismus bekämpft werden, weder von der einen Seite noch von der anderen! Wenn es dennoch geschieht, werden alle Beteiligten Verlierer sein. Doch wer ist dann der lachende Dritte? Die bedeutsame französische Systemzeitung „Le Figaro“ hat es heute sehr extrem ausgedrückt. Man befände sich in einem Krieg mit dem fanatischen Islam und einen Krieg, den man nicht vermeiden könne, sollte man zumindest gewinnen. Was aber, wenn die Gegenseite – wer immer das ist – ähnlich denkt und nicht freiwillig verlieren will? Wollt ihr den totalen Krieg? Wer will Europa so destabilisieren?
Gestern gab es einen Anschlag auf eine Redaktion in Paris, bei der 12 Menschen ermordet worden sind. Die Hysterie der keinen Widerspruch duldenden kapitalistischen Medien der Westlichen Welt hat aus den 12 Menschen die Flaggenträger von Freiheit und Demokratie gemacht und aus den Mördern Angreifer gegen die Werte der Westlichen Welt. Jeder anständige Bürger habe auf der Seite der Satiriker zu stehen! Satire darf schließlich alles, wie es Tucholsky definiert hat, und wie es jeder Bürger gefälligst uneingeschränkt zu glauben hat, sonst wird er bekämpft! Darf meine Wenigkeit die Verbrecher aufs Schärfste verurteilen, ohne gleich jede Satire zu unterstützen? Am gleichen Tag wurde im Jemen ein Terroranschlag auf Bewerber an einer Polizeischule verübt. Es gabt mindestens 30 Tote und 40 Verletzte, viele schwer verletzt! Sind diese unschuldigen jungen Menschen weniger wert, weil sie nicht mit Satire die Werte der Westlichen Welt „verteidigt“ haben? Darf ich im gleichen Atemzug die Terroristen im Jemen verurteilen, weil sie einfach „nur“ junge Menschen ermordet haben?
Im Heiligen Qur’an heißt es, dass jemand, der auch nur einen einzigen Menschen ermordet, so ist, als wenn er die gesamte Menschheit ermordet hat. Am gleichen Tag, während die Satiriker umgebracht wurden, fielen wieder einmal einige hundert Bomben von der „westlichen Allianz“, die ohne jegliches Mandat die Monster in Syrien und im Irak bekämpft, die sie selbst dorthin verfrachtet hat. Dabei sterben – natürlich nicht absichtlich – auch eine ganze Reihe von Zivilisten. Die Bombardements erfolgen ohne jegliche völkerrechtliche Legitimation, einfach, weil es die Westliche Welt beschlossen hat! Das weiß auch die Westliche Welt und gibt es offen zu. Daher soll das Ganze untersucht werden. Darf ich auch um diese Menschen trauern und mich von den westlichen Bombardements distanzieren, ohne gleich als „Extremist“ oder „Fanatiker“ verschrien zu werden, weil für mich das Leben einer syrischen Mutter, eines jemenitischen Jugendlichen und eines französischen Satirikers gleichwertig sind? Sind sie nicht alle Träger des Geistes Gottes in ihren Herzen, wie ich es im Islam gelernt habe? Welche andere Religion lehrt solch eine Gnade für Nichtmitglieder?
Und wie ist es, darf ich – trotz der Pflicht zu trauern – die Umstände des Attentates hinterfragen? Der Islam kennt keinen Rassismus bzw. lehnt ihn entschieden ab. Wir sind alle Kinder Adams und Evas. Die Westliche Welt kennt Rassismus und träumt immer noch von der Vorherrschaft des weißen Mannes in der Welt, selbst wenn es heute nicht mehr Rassismus heißt sondern Besonderheiten einer Ethnie. Aber kann es sein, dass Terroristen, die im missbrauchten Namen des Islam Anschläge verüben, tatsächlich ein besonderes Rassenmerkmal haben, das genetisch bedingt ist? Wie anders ist es zu erklären, dass zweifelsfrei absolute Profis immer wieder ihre Ausweise im Fluchtautos und ähnlichen markanten Stellen liegen lassen? Wieso hatten sie überhaupt Ausweise mit? Sollten im Fall des Scheiterns die Polizisten möglichst schnell ihre Adressen herausfinden können, damit sie die Häuser der Verwandten untersuchen?
Darf bei der Untersuchung eines solchen Falles ein ausgebildeter Polizist die Motivlage untersuchen, oder muss er das herausfinden, was vorgegeben wird? Darf er die Frage stellen, wem solch ein Anschlag nützt? Tatsache ist, dass der Anschlag den Europäern nicht nützt, weder Franzosen, noch Deutschen. Tatsache ist auch, dass der Anschlag den Muslimen in jeglicher Hinsicht schadet, sowohl den Muslimen in Europa als auch jeglichen Muslimen in der Welt, unabhängig davon, ob sie in irgendeine kriegerische Auseinandersetzung verwickelt sind und unabhängig davon, auf welcher Seite sie stehen. Wem also nützt dann solch ein Anschlag? Wem nützt die Spaltung der Gesellschaft in Europa?
Warum wird eigentlich der nachweisliche geistige Sumpf des Terrors nicht ausgetrocknet? Wäre es nicht sinnvoll, die Quelle des Übels zu bekämpfen, anstatt an den Symptomen herumzudoktern? Wenn die Westliche Welt sich so sicher ist, dass der Salafismus dahinter steckt, warum bekämpft er dann nicht den Staat, der nachweislich jahrzehntelang den Salafismus (auch in Deutschland) finanziert und unterstützt hat? Warum gibt es keine Sanktionen gegen das Saudische Königshaus? Sind die nicht Vertreter der mit Abstand rückständigsten Strömung im missbrauchten Namen des Islam. Deutsche Unternehmen dürfen nicht einmal mehr Käse nach Russland exportieren und verlieren deswegen ihren Kunden, warum dürfen deutsche Unternehmen dann Panzer nach Saudi-Arabien exportieren? Darf man das in solch einem Moment fragen?
Und wie ist es mit den Westlichen Werten? Bereits zur Schulzeit habe ich gelernt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Diesen ersten Artikel des Grundgesetzes fand ich immer schützenswert und habe ihn als höchstes Gut verstanden, das wir Deutsche im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen verteidigen sollten. Das habe ich auch als meine islamische Pflicht gesehen. Und wenn von meinesgleichen in den letzten Jahren immer wieder unser Treueid zu den Westlichen Werten abverlangt wurde, habe ich diesen größten und wichtigsten Artikel des Grundgesetzes vor Augen gehabt. Jetzt aber lerne ich, dass es daneben auch andere „Westliche Werte“ gäbe. So gäbe es den Westlichen Wert der Meinungsfreiheit, der sich auch in einer Satire ausdrücke, die alles dürfe, weil Tucholsky das einstmals so definiert hat. Darf Satire dann auch die Würde des Menschen antasten? Oder besteht die Würde des Menschen in der Westlichen Welt nur noch aus seinem nackten Leben? Bin ich jetzt ein Ketzer an den Westlichen Werten, weil ich diese Frage gerade jetzt aufwerfe, gerade jetzt zu diesem sensiblen Zeitpunkt?
Und wenn wir schon einmal beim Zeitpunkt sind, darf ich auch die Frage zum Zeitpunkt stellen? Vorgesten noch sprach die ganze Welt über Israel, und dass Israel wegen 70 Jahren ethnischer Säuberung, 70 Jahren Vertreibung, 70 Jahren Siedlungsbau evtl. vor dem internationalen Gerichtshof landen könnte. Heute redet niemand mehr davon. Vorgestern noch hat der französische Staatspräsident die Sanktionen gegen Russland in Frage gestellt, denn von den Sanktionen profitieren allein die USA, während Europa teuer dafür bezahlen muss. Heute wird er diese Frage nicht wiederholen. Vorgestern noch hat Deutschland nach einem Ausweg gesucht, um keinen Krieg im Namen der USA in Europa anzetteln zu müssen. Rückt der Krieg jetzt näher? Vorgestern noch haben rassistische Bewegungen wie PEGIDA einige Dämpfer durch ein aufgewecktes Volk erhalten. Heute schwingen sie wieder ihre Hasskeulen. Ein geistiger Brandstifter unter den Rassisten wollte gerne mit einem Muslim auf die Reeperbahn und dann mit einer Muslima in die Disko (mit oder ohne Kopftuch). Darf ich hier die Frage stellen, wer in Deutschland die würde der Frau verteidigt?
Offensichtlich wollen bestimmte Kräfte in dieser Welt Europa in einen Strudel von Fanatismus, Hass, Spaltung der Gesellschaft, Religionskrieg und viele andere Verwerfungen zwängen. Doch wer würde davon profitieren, wenn sich weltweit Christen und Muslime bekämpfen? Wer würde davon profitieren, wenn die leistungsstarke deutsche Gesellschaft einen Teil ihrer Kraft in inneren Zermürbungskämpfen verliert? Wem nützt es, wenn das Ansehen Deutschlands in der muslimischen Welt leidet?
Wahre Freiheit ist ein Wert des Islam und nicht der Westlichen Welt. Denn Gott hat dem Menschen die Freiheit gegeben! Er hat sogar die Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden! Gott hat dem Menschen die Freiheit gegeben, seinen Lebenspartner in der ganzen Welt zu suchen. Gott hat uns die Freiheit gegeben, unsere Heimat selbst zu wählen. Die Freiheit, die uns Gott gegeben hat, kann und keine teuflische Macht nehmen. Es sind die Gefängniswärter einer eingesperrten Seele, die anderen Menschen vorschreiben wollen, wo sie zu leben haben, was sie zu glauben haben, welchem Goldenen Kalb sie zu huldigen haben und was sie dafür opfern müssen, nämlich ihre Freiheit.
Der aktuelle Anschlag in Paris war ein Anschlag auf die gesamte Menschheit. Es liegt an uns, die wahren Urheber zu suchen, zu benennen und uns in jeder Hinsicht von ihnen zu distanzieren.
Derzeit schwappt eine Welle des Hasses gegen sämtliche muslimische Einrichtungen in Europa, auch in Deutschland. Unsere Mailer laufen einmal mehr voll mit Hassmails. Wie sollen wir reagieren? Wie hätte der Prophet der Liebe und Gnade reagiert? Als Muslim ist es von großer Bedeutung zu verstehen, warum wir erschaffen wurden, und das niemals zu vergessen: Wir wurden erschaffen, um die Liebe Gottes in seiner höchstmöglichen Stufe zu erlangen, in der Stufe der Freiheit, diese Liebe anzunehmen oder ablehnen zu können. Wir wurden erschaffen, um die höchstmögliche Stufe der Liebe zu erlangen, eine Liebe, die Berge versetzen kann. Als bestkonzipierte Liebesempfänger ist es genau diese Freiheit, die uns sowohl die höchstmögliche Stufe als auch die niederträchtigste ermöglicht. Es ist die Freiheit, die uns die Wahlmöglichkeit gibt, Gnade und Liebe oder Hass. Wenn also Hass unsere Liebe zerstören will, dann ist das nicht möglich, wenn wir uns auf die Liebe konzentrieren. Denn Liebe ist stärker als Hass, wie Licht stärker ist als Finsternisse, selbst wenn Letztere in der Mehrzahl auftreten. Was tut die Muslima, die sie auf der Straße angespuckt wird, weil sie ein Kopftuch trägt. Sie sagt: „Gott vergebe Ihnen“, geht zur Wasserquelle und wäscht die Spucke ab. Was macht der Muslim, der gemobbt wird, weil er kein Bier mittrinkt? Er betet für diejenigen, die ihn mobben. Denn diejenigen, die in diesen Tagen ihren Hass ausleben – auch auf Dresdens Straßen – sind selbst Opfer, Opfer ihrer Blindheit und ihrer falschen Angst. Und was macht eine Moschee, die einen Schweinekopf an der Tür findet? Sie wäscht die Tür ab und beschenkt die Nachbarn mit Blumen!
Man will den Menschen auf allen Seiten Angst einjagen, damit sie nicht mehr klar denken können. Der Nichtmuslim soll sich vor jedem Muslim fürchten und die Muslime sollen den Straßenmobb fürchten. Mit Angst will man die Welt beherrschen. Aber wenn jemand diese Angst besiegt, seine Hoffnung auf die Wahrheit konzentriert und sich für wahre Gerechtigkeit einsetzt, dann ist er wirklich frei und Frieden im Herzen ist ihm sicher. Mein Beileid gilt allen Angehörigen aller Opfer von Gewalt und ich bete für meine Heimat Deutschland, dass das zwischen manchen Zeilen doch erstaunlich deutlich hervortretende Differenzierungsvermögen dieser Tage zu einem Merkmal eines Deutschlands wird, das so zum großen Symbol für Frieden in der Welt wird und nicht für Krieg.