Merkel eine Nummer zu groß für das Zentralorgan des Pentagon
von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait vom 30./31.5.2015
Die Kanzlerin Angela Merkel verdient ein großes Lob für ihre professionelle Art, sich im SZ-Interview (SZ 30./31.5.) zu äußern: Vorsichtig, aber eindeutig mit aller Klarheit und Souveränität. Noch einmal liegt es an der fehlenden Intelligenz des SZ-Kommentators Nico Fried oder an seinem Unwillen, die Erklärungen der Kanzlerin, dieses Mal im Interview seiner eigenen Zeitung, im Licht des sachlichen Zusammenhangs richtig auszulegen. ("Der Gipfel der Harmonie", SZ 30./31.5.)
Zum heiklen US-Spionage-Anliegen unterstreicht die Kanzlerin ihren politischen Satz, den sie ganz offensichtlich als einen anspruchsvollen Grundsatz versteht: Abhören unter Freunden geht gar nicht; der Zweck heiligt nicht die Mittel. Das sagte sie schon im Juli 2013 und wiederholt es heute überzeugend im Interview.
Keineswegs hob Merkel die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft hervor, wie der SZ-Journalist Nico Fried Merkels Worte banal und tendenziös interpretiert. ("Der Gipfel der Harmonie", SZ 30./31.5.) Sollte der Journalist über die Antworten der Kanzlerin gründlich nachdenken, just im Zusammenhang mit der inakzeptablen US-Spionage in Europa kann selbst er zu anderen Schlussfolgerungen und Gedanken gelangen. Zur Bemerkung der Interviewer, "mancher Widerstand scheint sich doch aus sehr grundsätzlichen Bedenken gegen die USA zu speisen", antwortet die Kanzlerin bestimmt: "Dann muss man auch grundsätzlich über das transatlantische Verhältnis reden. Die USA sind einer unserer wichtigsten Handelspartner. Gerade für unsere Exportwirtschaft sind die USA außerhalb der EU der größte Markt.... Es ist im Interesse unserer Arbeitsplätze und unseres Wohlstands, den Handel mit den USA zu fördern. ... " Die Abhängigkeit Deutschlands von den USA ist hier von der Kanzlerin selbst erkannt und sie lässt betont erahnen, wie sich diese Abhängigkeit gegen den Wohlstand Deutschlands richten könnte. Deshalb ist es notwendig "über die transatlantische Beziehung grundsätzlich zu reden". Aber das ist eine Nummer zu groß für Journalisten, die ständig dem Washingtoner Diktat bedenkenlos untergeordnet sind.
Selbstverständlich will die Bundesregierung zu einzelnen nachrichtendienstlichen Aspekten nicht öffentlich Stellung nehmen. "Das gilt auch für dieses Gespräch" sagte sie klar und deutlich. Und fügte hinzu: "Im Lichte der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses wird zu entscheiden sein, welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind. ... Wir werden eine Entscheidung treffen, die ich für verantwortbar halte. Wenn es aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen gibt, werden wir sie ziehen. Wie sie aussehen, werden wir dann sehen, nicht heute."
Die weitere Militarisierung der USA und des Nordatlantischen Bündnisses mit der Verstärkung ihrer Aggressivität ist nicht hinnehmbar. Sie beeinträchtigt den Prozess der Verständigung zwischen den Regierungschefs der Großmächte. Die neue Phase der von den USA dirigierten Konfrontation gegen Russland kann sehr schnell in einen "heißen" Krieg umschlagen. Die Initiatoren sind die USA und die führenden NATO-Länder. Das verhängnisvolle dabei ist, dass sich die negativen Folgen dieses Krieges nicht nur auf die russisch-amerikanischen und Russland-EU-Beziehungen auswirken werden, sondern auf die globale Situation insgesamt. Über Syrien konnte sich die Kanzlerin nicht frei äußern, weil die deutsche Außenpolitik diesbezüglich immer noch von Washington gelenkt wird. Aber Deutschland kann keine neue Phase des Kalten Krieges und keinen irgendwie gearteten "heißen" Krieg für sich oder für die gesamte übrige Welt zulassen.
In diesem Zusammenhang ist erhellend, was Peter Koenig, ein Wirtschaftswissenschaftler und geopolitischer Analyst aus der Schweiz, in seinem Artikel "Das Imperium will mit seinen Kriegen keine Siege erringen, sondern nur bleibendes Chaos anrichten" schreibt (Information Clearing House, 5.5.15):
Es ist und war immer das gleiche Spiel – im Jemen, in der Ukraine, in Syrien, im Irak, im Sudan, in Zentralafrika, in Libyen und anderswo. Die vom Westen gekauften Mörderbanden agieren als ISIS/IS/DAISH /DAESH/Al Qaida oder unter anderen Tarnnamen, um die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Diese Killerorganisationen prostituieren sich für das angelsächsisch-zionistische Imperium (aus USA, Großbritannien und Israel). Vor dessen Karren lassen sich aber auch Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, andere Golfstaaten, Frankreich (und andere NATO-Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland) spannen. Auch der Bombenkrieg im Jemen, den Washington im Auftrag seiner zionistischen Meister angezettelt hat, richtet sich gegen "Rebellen", die eigentlich nur eine gerechtere Regierung wollen. Der Westen bedient sich eines irreführenden Vokabulars, so dass wir nicht mehr erkennen können, was das Gesagte wirklich bedeutet. Wir wiederholen die westliche Propaganda und glauben sie, auch weil sie uns von den Mainstream-Medien Tag für Tag eingetrichtert wird. ... Unruhe stiften, Chaos und Elend verbreiten – das können Washington und seine Vasallen am besten. Sie wollen nur andauerndes Chaos und bleibende Unsicherheit erzeugen, um die überfallenen Völker leichter unterwerfen zu können; das nennen sie dann "totale Überlegenheit".
Und weil die US-Streitkräfte und ihr verlängerter Arm – die NATO – nicht überall sein können und auch nicht überall gesehen werden wollen, heuern sie Killerbanden an. Washington erfindet und erschafft sie und hält sie mit nie versiegenden Geldströmen am Leben – unabhängig davon, ob sie IS, ISIS, Daesh oder Al Qaida heißen; diese Killerbanden lassen sich beliebig vermehren, und sie kämpfen, töten, begehen Anschläge unter falscher Flagge und erzeugen überall da Chaos, wo ihre Meister in Washington es wollen; dann können das Pentagon und die NATO Truppen schicken, und so tun, als wollten sie die Killer bekriegen, die sie selbst geschaffen haben und bezahlen. Diese Wahrheit berichten die Mainstream-Medien (wie die SZ und FAZ) natürlich nicht.>
Das eine sind die offenen und verdeckten Militäraktivitäten der USA und das andere betrifft ihre Nachrichtendienste. Jetzt beschweren sich die Regierungen von Belgien und den Niederlanden bei der deutschen Bundesregierung über die inakzeptable Spionage des deutschen Bundesnachrichtendienstes BND auf ihren Territorien, die in Zusammenarbeit mit entsprechenden US-Stellen geschieht. Beide Länder verlangen volle Klarheit darüber. US-Interessen können hier Schaden nehmen, deshalb wohl kein Wort darüber in der Süddeutschen Zeitung. Nicht umsonst gilt die Süddeutsche Zeitung als das Zentralorgan des Pentagon in Deutschland.
In Bezug auf den Rechtsbruch der USA bei ihrer überzogenen Spionage hat sich die Kanzlerin auch klipp und klar ausgesprochen: "Auf deutschem Boden hat man sich an deutsches Recht zu halten. Bei uns, in Deutschland und Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts." So die deutsche Kanzlerin Merkel. (ZDF-Berlin Direkt, 17.5.) Hält sich das transatlantische Bündnis daran, halten sich die USA an die deutsche, europäische Rechtsordnung? Ramstein ist deutsches Hoheitsgebiet und den USA zur militärischen Nutzung überlassen. Werden von diesem Gebiet aus strafrechtliche Handlungen begangen und die US-Justiz schreitet nicht ein, ist die Bundesregierung gefordert, mutmaßlichen Straftatbeständen nachzugehen. Am 27.5.15 wurde ein Prozess wegen gezielter Tötungen eröffnet, die von dieser US-Basis aus in Deutschland erfolgen. Das Europäische Parlament forderte alle Mitgliedstaaten auf, die "Praxis gezielter außergerichtlicher Tötungen zu verbieten" und auf keinen Fall zu "begünstigen" (27.2.14). Berlin hat häufig kund getan, eigene Kampfdrohnen auf gar keinen Fall für "gezielte" Tötungen einsetzen zu wollen. Die transatlantische Beziehung ist zu prüfen, wenn sie dazu führt, dass gegen die Rechtsordnung Deutschlands so krass verstoßen wird, dass von deutschem Territorium aus Tötungen und Krieg von einem fremden Souverän, dem sogenannten atlantischen Partner, angeordnet werden.
Die Kanzlerin Deutschlands, Angela Merkel, kennt die Skrupellosigkeit ihres transatlantischen Partners, der sich als offener Gegner Europas profiliert. Sie zeigt sich deshalb vorsichtig und klug, damit nicht Deutschland und seine Regierung von dessen Krallen zerrissen werden. Ihre Ansichten sind nicht zufällig gerade im Interview im "US-amerikanischen" Sprachrohr Deutschlands erschienen. Damit sind alle US-Kommunikationskanäle verstärkt angesprochen, alle US-Repräsentanten und Regierungsmitarbeiter, US-Diplomaten und der US-Präsident Obama selbst. Nicht nur der Erscheinungsort des Merkel-Interviews ist wichtig, auch der Zeitpunkt (30.5), nämlich kurz vor dem in Deutschland stattfindenden G-7 Gipfel (7.-8.6.), der eigentlich ein G-8-Gipfel sein würde, hätte nicht die Hegemonialmacht USA gegen Russland agitiert. Der Ausschluss Russlands ergab sich aus willkürlicher Anordnung eines sich aufdrängenden Präsidenten Obama. Es ist verständlich, dass die deutsche Kanzlerin, die CDU-Mehrheit und weite Kreise in der deutschen Bevölkerung von der grenzenlosen US-Anmaßung genug haben.
Dem US-Präsidenten ist es bisher nicht gelungen, die großen Ganoven, die gigantische Korruption und unermessliche Manipulationen der Finanzen in seinem Land unter Kontrolle zu bringen, wie der Dokumentarfilm im offiziellen Sender Phönix "Goldman Sachs" am 28.Mai ausführlich enthüllt.
Trotzdem mutet Obama den Bürgern Europas zu, dass US-Regierungsstellen gegen europäische Interessen und Gesetze agieren, dass US-Einrichtungen Europas Bewohner massenweise überwachen, Industrie ausspionieren, US-Mordaufträge und Terroranschläge von europäischen Boden aus ausführen und US-Regierungsstellen auch noch die Außenpolitik europäischer Regierungen, gerade auch Deutschlands, bestimmen wollen.
Dabei sollte klar sein: ("Abgeschrieben", Junge Welt, 27.5.15)
Suma Sumarum: Die Tatsache, dass US-Regierungen die deutsche Rechtsordnung nicht respektieren, versetzt Berlin in die juristisch gut begründete Lage, alle Vertragsverpflichtungen mit den USA auf seinem Territorium zu überprüfen und gegebenenfalls mit sofortiger Wirkung aufzukündigen. Ein Anliegen, das selbstverständlich die deutsche Kanzlerin zu entscheiden und im Bundestag zu erklären hat.