Die Aussagen des Papstes zum Völkermord an Armeniern verstört und irritiert gleichermaßen.
Eigentlich ist dieser Papst angetreten, um auf der Seite der Armen gegen die Reichen, um an der Seite der Unterdrückten gegen die Unterdrücker zu stehen. Was mit allerlei bemerkenswerten Gesten untermalt wurde, stößt dann im Großen offensichtlich doch an die Machtgrenzen des kapitalistischen Imperialismus. Was der Papst da zuletzt angerichtet hat, lässt sich sehr gut zusammenfassen in einem Bericht der Katholischen Kirche (katholisch.de): „Es gibt mächtige Staatsmänner, die sich das nicht trauen, weil sie die Türkei nicht verprellen wollen. Papst Franziskus hat es sich getraut: „In einem Gottesdienst zum 100. Jahrestag des Beginns der Verfolgung der Armenier während des Ersten Weltkriegs sprach er am Sonntag vom "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts". Damit hat er zwar die Mehrheit der Historiker auf seiner Seite - aber Ankara gegen sich.“
War das wirklich so mutig, was der Papst da getan hat?
Bevor wir auf das Massaker an Armeniern eingehen, fällt sofort eine Passage aus dem epochalen Brief Imam Chameneis an die Jugend in Nordamerika und Europa ein: „Ich will auch gar nicht die Geschichte tadeln, wenn ich einen Ausschnitt aus dieser langen Liste nenne, sondern ich möchte, dass Ihr Eure Intellektuellen fragt, warum das kollektive Gewissen im Westen immer erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahrzehnten und manchmal mehreren Jahrhunderten aufwacht. Warum ist die Korrektur des kollektiven Gewissens immer auf die weit zurückliegende Vergangenheit gerichtet und nicht auf die aktuellen Probleme?“
Ja, es ist leicht über etwas zu urteilen, das so lange zurückliegt, bei dem weder Opfer noch Täter noch leben. Es ist auch leicht jemanden – oder ein ganzes Volk – zu verurteilen, wenn die betreffenden gar nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Warum aber wird nicht der gleiche Maßstab bei der ethnischen Säuberung Palästinas angelegt?
Doch zuerst einmal zurück zu dem möglichen Völkermord an Armeniern. Ich schreibe nicht deswegen „möglicher“ Völkermord, weil ich als Türkischstämmiger ein Problem damit hätte, irgendwelche Gräueltaten von meinen Vorfahren zu verurteilen. Wie oft habe ich schon die Brudermorderlasse der Osmanen verurteilt, und wie oft habe ich dieses ganze Palastgehabe von Möchtegernkalifen offen angeprangert. Und ich hätte auch kein Problem damit, einen möglichen Völkermord an Armeniern zu verurteilen, wenn er historisch so belegt stattgefunden hat und die Ankläger nicht die übelsten Verbrecher der Westlichen Welt wären.
Bei aller historischen Betrachtung zum Völkermord an den Armeniern fällt mir immer wieder ein Aspekt auf, der gar nicht oft genug wiederholt werden kann und der historisch unwidersprochen ist. Eine der maßgeblichen Personen bei jenen Gräueltaten war Talat Pascha (1872-1921). Er war Innenminister und Großwesir der Osmanen und einer der Anführer der so genannten Jungtürken. Jener Talat Pascha gehörte der Freimaurergroßloge der Türkei an und war überhaupt der erste Großmeister der Freimaurergroßloge der Türkei! Kritiker werfen ihm vor mit dem freimaurerischen Denken die islamische Basis der Türkei zugunsten des Nationalismus zersetzt zu haben. Als Innenminister war Talat der Hauptverantwortliche für die nationalistisch motivierte Vertreibung der Armenier, die vor allem in den Jahren 1915/16 erfolgte. Talat stellte als Innenminister die konkreten Deportationsbefehle aus, die offiziell als kriegsbedingte Umsiedlung einer unzuverlässigen Minderheit begründet wurden, wobei es zu Massakern kam. Talat Pascha lebte vom 10. November 1918 bis zu seiner Ermordung am 15. März 1921 unter dem Namen Ali Sai in Berlin. Ein deutsches U-Boot brachte Talat Pascha und andere vom 2. auf den 3. November 1918 nach Odessa und verhalf ihm zur Flucht, als die Briten in der Türkei nach ihm suchten. Talat Pascha wohnte zunächst für wenige Tage in einem Hotel am Alexanderplatz, danach in einem Sanatorium in Neubabelsberg. Nach einiger Zeit hatten Freunde ihm eine 3-Zimmerwohnung in der Hardenbergstraße in Charlottenburg besorgt. Hier wohnte er mit seiner Frau Hayriye Hanım. Am 15. März 1921 erschoss der Armenier Soghomon Tehlirian Talat Pascha in der Hardenbergstraße in der Nähe seiner Wohnung. Tehlirian war Mitglied in dem geheimen armenischen Kommando Operation Nemesis, das die Täter des Massakers an den Armeniern verfolgte und tötete. Er wurde im folgenden Mord-Prozess vom Vorwurf eines Tötungsdeliktes freigesprochen. Er rechtfertigte das Attentat mit folgenden Worten: „Ich habe den Mörder meiner Frau und Großeltern gerichtet.“ Talats Leichnam wurde am 25. Februar 1943 von Berlin nach Istanbul überführt, und dort beim Abide-i Hürriyet, dem Denkmal der jungtürkischen Revolution von 1908 begraben.
Aus der Geschichte ist zu ersehen, dass der Hauptverantwortliche jenes Massakers von den Deutschen geschützt wurde. Ist das möglicherweise der Grund dafür, dass die Deutschen heute so intensiv für jene Völkermordthese plädieren? Aus den Berichten wird aber etwas anderes noch deutlicher. Talat Pascha war Freimaurer, also Mitglied einer weltweit agierenden gefährlichen Sekte, die ihre Fühler bis in den Vatikan ausgestreckt haben soll. Warum verlangt denn niemand von den Freimaurern, dass sie sich von ihrem Mitglied distanzieren und ihren ehemaligen Großmeister verurteilen sollen? Das erscheint wirklich merkwürdig!
Noch merkwürdiger aber erscheint die Aussage des Papstes, es wäre der erste Völkermord im 20 Jh. gewesen. Die fast vollständige Vernichtung der so genannten Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika erfolgte zwischen 1904 und 1908 und zahlreiche andere Massaker in Afrika, z.B. an 10 Millionen Afrikanern in der Kolonie Kongo des belgischen Königs Leopold II., die Ende des 19. Jh. Begannen, werden dabei gar nicht mit berücksichtigt. Gelten für den Papst nur Massaker an Christen als Völkermord? Da der Papst diese Dinge sicherlich nicht selbst recherchieren kann, ist die Frage auch an seine "Berater" weiterzuleiten, die möglicherweise den Papst in eine Falle locken wollen.
Noch gravierender fällt aber auf, dass es offensichtlich in der Wahrnehmung der imperialistischen Welt des Kapitalismus eine sehr einseitige Wahrnehmung bezüglich Völkermorden gibt. 100 Jahre nach den Ereignissen in der Ost-Türkei, die während eines zerfallenden Großreiches geschahen, werden heute noch jahrjährlich aufgefrischt und politisch ausgeschlachtet. Aber der nahezu zur gleichen Zeit ablaufende sowohl in der Dimension als auch in der Grausamkeit erheblich größere, rein kolonialistisch motivierte Völkermord der Briten an den Iranern findet keinerlei Widerhall in der Westlichen Welt:
Irans große Hungersnot von 1917-1919 war eine Periode der britischen Besatzung im Iran, in der ca. 40% der damaligen Bevölkerung an Hunger starb! Während des Ersten Weltkrieges hatte die Kolonialmacht Großbritannien weite Teile des Iran besetzt. Als es zu Ernteausfällen ab 1917 kam, wurde der Hunger durch die Besatzungsmacht verstärkt, indem die Briten große Teile der Ernte für sich konfiszierten, den Zahlungsverkehr des Iran mit dem Ausland unterbanden und dadurch die Lebensmitteleinfuhr aus dem Ausland, z.B. aus Indien, verhinderten. Auch konnte Iran kein Öl ausführen, da die britischen Besatzer das Öl plünderten. Die heutigen Briten, die den Iran vom Weltzahlungsverkehr abgekoppelt haben, sind die Nachkommen der damaligen Briten.
Zwischen 8 und 10 Millionen Iraner, was damals ca. 40% der Bevölkerung war, verhungerten während der britischen Besatzung. Die Ereignisse gelten als größte von Imperialisten im Iran erzeugte Katastrophe. In der Westlichen Welt wird das Ereignis größtenteils totgeschwiegen und erscheint in keinem Schulbuch. Im Iran wird das Ereignis zudem als Völkermord gewertet.
In ihrer Not aßen die Menschen sogar Baumwurzeln und Tierkadaver. Daraufhin brach auch noch eine Typhus-Epidemie aus. Der damalige amerikanische Konsul in Iran sagte: “Ich selbst konnte sehen, wie Leichen und verhungernde Personen sterbend am Straßenrand lagen. Ich konnte zudem beobachten, wie hungernde Menschen Tierkadaver sowie Blätter und Gräser verschlangen, sofern die sengende Sonne nicht schon alles verbrannt hatte.” Weltweit starben während des Ersten Weltkriegs rund 9 Millionen Menschen, die 8-10 Millionen iranischen Opfer des Iran wurden dabei nicht mitgezählt.
Sicherlich kann man keinen Völkermord mit dem anderen aufrechnen. Aber hier hat in der jüngeren Geschichte ein Völkermord stattgefunden, bei dem sogar mehr Menschen ermordet wurden, als der als so historisch einmalig gewertete Mord an Juden in Konzentrationslagern der Deutschen. Urenkel der damaligen Deutschen zahlen heute noch mit Steuergeldern und atomar aufrüstbaren U-Booten für die Verbrechen ihrer Urahnen. Briten haben für ihr Massaker niemals bezahlt! So lange die Westliche Welt einen sehr einseitigen imperialistisch ausgeschlachteten Blick auf Massaker der Geschichte pflegt, dürfen die Westfanatiker sich nicht wundern, wenn andere Völker sich geradezu reflexartig dagegen wehren. Denn den Vertretern der Westlichen Welt geht es nicht um die Wahrheit, sondern um die Unterdrückung aller, die sich nicht vor der Westlichen Welt verbeugen und niederwerfen.
In der heutigen Türkei konnten die Glaubensgeschwister des Papstes sowohl Ostern als auch zuvor Weihnachten ungestört feiern. Sie können aus- und einreisen nach Belieben. Die Türkei hat viele christliche Flüchtlinge aus Nachbarländern aufgenommen (viel mehr als alle Europäer zusammen). Obwohl es viel zu viele Kirchen in der Türkei gibt, welche die dort lebenden Christen gar nicht alle betreiben können, dürfen sie neuerdings auch wieder Kirchen bauen. Gleichzeitig konnten Christen in Nazareth und Bethlehem nur hinter großen Mauern ihres Heilandes gedenken. Sie können weder einreisen noch ausreisen. Sie fristen ein Dasein als unterdrückte besetzte Bürger, die vor unseren Augen leiden. Jeglicher Neubau von Kirchen ist verboten. Viele alte Kirchen wurden abgerissen. Die Anführer der zionistischen Unterdrücker haben inzwischen ungehemmt und ohne jegliche Scham verkündet, dass sie den Palästinensern niemals ihre Rechte zubilligen werden!
Der heutige Papst war nicht geboren, als die Geschehnisse in der Ost-Türkei erfolgten. Er ist dafür in kleinster Weise verantwortlich, auch nicht dafür, damals geschwiegen zu haben, denn die Rolle des damaligen Papstes zu untersuchen wäre sicherlich von Interesse in diesem Zusammenhang. Aber auch dafür kann der heutige Papst nichts. Er lebt aber in der Zeit der unaufhörlichen ethnischen Säuberung Palästinas und der andauernden Vertreibung und regelmäßiger Massaker an den Palästinensern, darunter auch Christen. Wenn ein Mensch sich intensiv und medienwirksam gegen die Verbrechen der Geschichte stellt aber die Verbrechen seiner eigenen Zeit nicht mindestens mit der gleichen Intensität verurteilt, der muss sein verhalten eines Tages vor seinem Schöpfer verantworten. Und das gilt nicht nur für den Papst, sondern für jeden von uns. Der amtierende Papst hat in einer ersten Anfangseuphorie den Eindruck erweckt, antikapitalistisch und antiimperialistisch wirken zu wollen, weil beides gegen das wahre Christentum steht. Seine Bemühungen diesbezüglich in der eigenen Kurie, im eigenen Staat und in den eigenen Banken scheinen etwas an Euphorie verloren zu haben. Auch fällt auf, dass er – außer ab und zu einem deftigen Wort – wenig gegen die wahren Verbrecher unserer Zeit agiert, seien es die Vertreter eines kapitalistischen Bankensystems oder die Vertreter der imperialistischen Westlichen Welt. Zweifelsohne darf ein Mensch in solch einer Position andere diplomatische Wege wählen, um die Welt zu verbessern. Aber wenn er wirklich die Geschichte aufarbeiten will, dann würde ich einmal im Vatikan anfangen getreu dem Wort Jesu bezüglich des Balkens und des Splitters im Auge. Und so lange nicht weltweit alle Freimaurerlogen dazu aufgefordert werden, sich von ihrem Großmeister Talat Pascha zu distanzieren, erscheint es merkwürdig, dass heutige Muslime sich von ihm distanzieren sollen, die nie eine Nähe zu ihm hatten!