Was ist ein Völkermord aus Sicht des westlichen Kapitalismus?
Neben dem aktuell absurden Schauspiel, dass zum Gedenken an die Deportation von Armeniern im Ersten Weltkrieg erfolgt, ist es von entscheidender Bedeutung, die Definition des Begriffs Völkermord aus der Sicht des imperialistischen Systems (IS) des westlichen Kapitalismus besser zu verstehen.
Wie sollte man ein geschichtliches Ereignis einem bestimmten festgelegten Begriff zuordnen, wenn die Definition des Begriffs nicht feststeht. Daher machen wir uns auf, um die Definition des Begriffs „Völkermord“ aus Sicht des westlichen Kapitalismus bzw. des Herrenmenschendenkens zu verstehen.
Die aktuelle Fatwa-Sammlung der Westlichen Welt namens Wikipedia, die moderne Scharia westlicher Begriffsdefinitionen, beschreibt Völkermord folgendermaßen: „Gekennzeichnet ist der Völkermord oder Genozid durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Daher wird er auch als einzigartiges Verbrechen, als Verbrechen der Verbrechen oder als das schlimmste Verbrechen im Völkerstrafrecht bezeichnet. Ein Völkermord ist seit der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, der nicht verjährt. Letztere Festlegung aber ist kaum vernünftig anwendbar auf Verbrechen, die 100 Jahre oder mehr zurückliegen, da weder Opfer noch Täter noch leben (nicht einmal mehr deren direkte Nachkommen).
Die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) das Töten von Angehörigen der Gruppe
b) das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe
c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen
d) die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung
e) die zwangsweise Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“
Es Bedarf also nur einer einzigen der genannten Handlungen zu erfolgen, und schon handelt es sich um Völkermord. Im deutschen Völkerstrafgesetzbuch ist die Tat entsprechend der Konvention definiert. Nun wird kein Völkermörder von sich aus zugeben, die Absicht zu einer der genannten Taten gehabt zu haben, so dass unabhängige Beobachter und/oder der gesunde Menschenverstand dafür herhalten müssen, um die Verbrechen entsprechend zu klassifizieren.
Betrachten wir dazu einige Beispiele aus der Geschichte. Da sind zum Beispiel die sogenannten Indianer. Sie wurden nahezu komplett ausgerottet und ihre zehntausende Jahre alte Kultur vernichtet. Sie wurden komplett unterworfen, so dass die völlige Zerstörung der Gruppe erfolgt ist. Mindestens drei der genannten maßgeblichen Faktoren sind zweifelsfrei erfüllt worden. Die Nachkommen der kolonialistischen Briten haben auf dem amerikanischen Kontinent zwischen 10 und 18 Millionen Ureinwohner vernichtet. Obwohl eigentlich jeder Erdenbürger weiß, dass die Nachkommen der Europäer dort ein Massaker ohnegleichen ausgeführt haben, wird jenes Massaker bis heute nicht offiziell als Völkermord definiert, es gibt keinen weltweiten Gedenktag, niemand braucht sich zu entschuldigen, und die westliche Führungsmacht ist auf einem der größten Völkermorde der Geschichte aufgebaut. Auch lernen unsere Kinder in der Schule nichts von diesem Völkermord und schon gar nichts von einer zweistelligen Millionenzahl an Opfern.
Werfen wir einen Blick nach Australien. Die Aborigines waren bei Ankunft der Europäer zwischen 300.000 und einer Million (die Historiker streiten sich). Unstrittig ist, dass sie mehr oder weniger gewaltsam auf 60.000 im Jahr 1920 reduziert worden sind. Die Verbliebenen wurden kulturell zwangsintegriert. Ist das kein Völkermord?
Werfen wir einen Blick auf die britische Besatzung im Iran. Irans große Hungersnot von 1917-1919 führte dazu, dass unter britischer Besatzung im Iran ca. 40% der damaligen Bevölkerung an Hunger starb. Während des Ersten Weltkrieges hatte die Kolonialmacht Großbritannien weite Teile des Iran besetzt. Als es zu Ernteausfällen ab 1917 kam, wurde der Hunger durch die Besatzungsmacht verstärkt, indem die Briten große Teile der Ernte für sich konfiszierten, den Zahlungsverkehr des Iran mit dem Ausland unterband und dadurch die Lebensmitteleinfuhr aus dem Ausland, z.B. aus Indien, verhinderte. Auch konnte Iran kein Öl ausführen, da die britischen Besatzer das Öl plünderten. Zwischen 8 und 10 Millionen Iraner, was damals ca. 40% der Bevölkerung war, verhungerten während der britischen Besatzung. Die Ereignisse gelten als größte von Imperialisten im Iran erzeugte Katastrophe. In der Westlichen Welt wird das Ereignis größtenteils totgeschwiegen und erscheint in keinem Schulbuch. Im Iran wird das Ereignis zudem als Völkermord gewertet. Für jenen Völkermord hat sich nie irgendjemand entschuldigt.
Und wie ist es mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki? Sie waren nahezu ausschließlich auf Zivilisten gerichtet. Durch die Atombombenexplosionen wurden insgesamt etwa 92.000 Menschen sofort ermordet – fast ausschließlich Zivilisten und von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter. An Folgeschäden starben bis Jahresende 1945 weitere 130.000 Menschen. In den weiteren Jahren kamen etliche Hunderttausende hinzu. Ist das zu wenig, um als Völkermord definiert zu werden, oder werden Verbrechen dieser Art im Laufe eines Krieges nicht zu der Kategorie Völkermord gezählt? Letzteres wäre verwunderlich, denn das aktuell diskutierte Massaker an Armeniern erfolgte auch im Rahmen eines Krieges, in dem sich die Armenier in Anatolien gegen das damalige Osmanische Reich gestellt haben.
Über die Reconquista auf der iberischen Halbinsel im 15. Jh. wollen wir hier gar nicht ausführlich schreiben, denn bei jenem Ereignis wurden sämtliche Kriterien, die für Völkermord gelten, gleichermaßen erfüllt!
Was die aktuell diskutierten Massaker an Armeniern angeht, so wurde bereits in diesem Forum darüber geschrieben. Hinzuzufügen sind die merkwürdig auseinander driftenden Zahlen. Während die Westliche Welt den Osmanen (mit denen die Deutschen verbündet waren) 1,5 Millionen Morde vorwerfen, haben nach Aussagen türkischer Historiker zu jener Zeit ohnehin nur 800.000 Armenier in Anatolien gelebt, und von denen über 200.000 in Istanbul, wo sie völlig unbehelligt blieben. Bis heute betreiben sie ihre Jahrhunderte alten Kirchen.
Aus den Geschichten der Völker ließen sich sowohl in der älteren als auch in der jüngeren Geschichte sehr viele weitere grausame Bespiele bringen. Man denke nur an die Briten im alten Indien oder an den Jugoslawienkrieg! Aber ein aktuelles Beispiel sollte noch betrachtet werden. Seit über 70 Jahren besetzen Zionisten Palästina. Seit über 70 Jahren wird ein Massaker nach dem anderen verübt. Städtenamen wie Deir Yassin und Sabra und Schatilla sind inzwischen so legendär, dass sie in das Gedächtnis der palästinensischen Seele eingebrannt sind. Zumindest die ersten drei der fünf genannten Kriterien für Völkermord werden seit über 70 Jahren unaufhörlich vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit verübt. Dennoch gilt in der Westlichen Welt das für jene Völkermorde verantwortliche Israel als Ausgeburt des Guten. Als Rechtfertigung für die Völkermorde gilt die Sicherheit Israels. Die Sicherheit der Briten war die Rechtfertigung für den Völkermord im Iran, und die Sicherheit der USA war die Rechtfertigung für den Völkermord in Hiroshima. Die Sicherheit der Siedler war die Rechtfertigung für den Völkermord an den Ureinwohnern und die Sicherheit des westlichen Kapitalismus ist eigentlich die Rechtfertigung für jedes noch so unmenschliches Verbrechen!
Aber es sind nicht allein die Sicherheitsbedürfnisse der Westlichen Welt, die dazu führen, dass die Verbrechen an anderen Völkern nicht entsprechend gewürdigt werden dürfen. So wäre es z.B. für die in Detuschland juristisch festgelegt Zahl von 6 Millionen ermordeten Juden durch die Nazis fatal, wenn es vorher 9 bis 10 Millionen ermordete Iraner gegeben hätte! Dann wäre der Einmaligkeitsnimbus gefährdet. Auf jenem Einmaligkeitsnimbus beruht aber die Tatsache, dass Deutschland bis heute U-Bote an Israel verschenken muss und Israel Palästinenser weiterhin ungestört unterdrücken darf. Selbst der rassistisch motivierte Völkermord der Weißen in Südafrika hat ein Ende gefunden, aber Israelis und die Westliche Welt scheinen immer noch davon auszugehen, dass die Unterdrückung der Christen und Muslime in Palästina mit deren Auslöschung bzw. Vertreibung enden wird. Anders ist es nicht zu verstehen, dass dieser Völkermord so stillschweigend unterstützt wird. Man könnte auch die Frage aufwerfen, wie viele Menschen eine Besatzungsmacht ermorden muss, damit es als Völkermord gilt. Israel hat es seit dem Jahr 2000 auf immerhin rund 12.000 Zivilisten gebracht, die sie ermordet haben. Die Zahlen der zuvor bei der Besatzung des Libanon ermordeten Zivilisten dürfte noch höher gewesen sein.
Die genannten exemplarischen Beispiele verdeutlichen, dass die Definition der Westlichen Welt gar nicht zum Ziel hat, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in irgendeiner Form aufzudecken. Vielmehr geht es um die altbekannte Demütigungspolitik im Sinn des Herrenmenschendenkens. Während der Zionismus vor unseren Augen unaufhörlich weiterhin Völkermord betreibt, stellen sich im Bundestag einige Leute hin und bezeichnen das, was im Osmanischen Reich vor 100 Jahren geschehen ist, als Völkermord. Dabei wird dann eine Theaterinszenierung aufgeführt, bei der es um angebliche Spitzfindigkeiten geht, ob die Einbettung des Begriffs in einen Satz juristisch einwandfrei sei oder nicht, ob die Türkei die Verantwortung übernehmen solle oder nicht usw. usf. Diejenigen, die da aufstehen, nennen sich sogar zuweilen Juristen!
Jene Juristen sollten aber wissen, dass der juristische Begriff des Völkermordes erst 1948 als Straftatbestand im Völkerstrafrecht aufgenommen wurde, genau in der Zeit, in der die zionistischen Verbrechen begangen, aber Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg, in dem der angebliche osmanische Völkermord stattgefunden haben soll. Normalerweise wird ein Gesetz nicht rückwirkend angewandt. Wenn es aber rückwirkend angewandt werden sollte, dann gibt es mehr als hinreichend übelste Völkermordverbrechen der Westlichen Welt, für die sie sich bis heute nie entschuldigt haben! Ein Gesetz ist aber nach ihrer Verankerung gültig. Und so gibt es heute viele Verbrechen der Westlichen Welt, die sicherlich als Völkermord eingestuft werden würden, wenn es nicht eine Siegerjustiz gäbe. Alleine eine Million ermordete Iraker mit hinterlassener Uranmunition, die die noch nicht einmal geborenen Nachkommen schädigt, fallen genau so in diese Kategorie, wie die Verbrechen der Westlichen Welt in Afghanistan.
Aus Sicht des westlichen Kapitalismus ist ein Völkermord genau wie jeder andere Begriff nur eine Waffe, um die Unmenschlichkeit des Herrenmenschendenkens aufrecht zu erhalten und die Verbrechen des Imperialismus zu rechtfertigen. Heute hat es die Türkei getroffen, weil diese Türkei sich nicht im hinreichenden Maß der Westlichen Welt unterworfen hat. Doch die Westliche Welt wird eines Tages aus der Region abziehen bzw. vertrieben werden. Irak, Iran und Syrien bleiben aber auch in Zukunft Nachbarn der Türkei. Und selbst wenn türkische Politiker diesbezüglich einige schwere Fehler in der Vergangenheit begangen haben, so steht die Türkei nach wie vor gegen den Völkermord Israels an den Ureinwohnern der Region. Und dafür werden sie bekämpft werden, wie jedes andere System, dass sich gegen die Vorhut der westlichen Weltherrschaft stellt. Aber keine noch so mächtige Weltherrschaft hat ewig gewährt!