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Der Brief des Imams – Warum ausgerechnet an die westliche Jugend?

#1 von Yavuz Özoguz , 02.12.2015 14:14

Der Brief des Imams – Warum ausgerechnet an die westliche Jugend?

Wenn innerhalb eines Jahres die höchste schiitische Autorität der Welt gleich zwei Briefe an die Jugend im Westen formuliert, müssen wir uns Gedanken darüber machen, warum ausgerechnet an diese Jugend?

Zunächst sei darauf verwiesen, dass Imam Chamene’i sich selbstredend schon viel intensiver mit der eigenen Jugend im Iran und mit den Jugendlichen in der muslimischen Welt beschäftigt hat. Jedes Jahr bei der Hadsch-Botschaft, aber auch bei vielen anderen Gelegenheiten, übersendet er ihnen Ratschläge und Hinweise. Dennoch ist die Hinwendung an die westliche Jugend auffällig.

Im ersten Brief hatte Imam Chamene’i noch voller Respekt auch die Eltern der Jugendlichen in seinen Brief mit einbezogen. Der Brief war eine sehr höfliche Einladung, sich Gedanken darüber zu machen, was die Ursachen für die aktuelle Weltsituation sind und warum bestimmte Kräfte einen Konflikt mit dem Islam heraufbeschwören. Der zweite Brief beginnt mit dem Hinweis, dass die Notwendigkeit zu diesem Brief darin besteht großen bevorstehenden Schaden abzuwenden.

Bei der Frage, warum jetzt schon zum zweiten Mal die westliche Jugend angeschrieben wird, gibt es zwei Extremansichten, zwischen denen sich die Intentionsanalyse bewegt. Die eine Ansicht geht davon aus, dass die westliche Jugend inzwischen so verkommen und so lethargisch ist, dass sie im Prinzip nichts mehr mitbekommt. Sie ist so träge, dass man sie ohne größeren Aufwand in einen Weltkrieg führen kann. Sie interessiert sich weder für das Leid der Menschheit noch für dasjenige der besonders Bedürftigen und täglich an Armut und Hunger sterbenden. Letztendlich sind sie es, die eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass der bevorstehende dritte Weltkrieg die ganze Welt erfassen und so viel Leid verbreiten wird. Sie werden dann wieder sagen, dass sie es nicht wussten. Um ihnen die Möglichkeiten dieser Ausrede zu nehmen, wendet sich Imam Chamene’i nach dieser Ansicht direkt an die Jugend und gibt ihnen die Chance, etwas zu erfahren. Er nimmt ihnen damit auch die Ausredechance, es wieder einmal nicht gewusst zu haben.

Die andere Ansicht sieht in der westlichen Jugend die einzige verbliebene Zukunftshoffnung für den Westen. Die westliche Welt steht finanziell, moralisch und ethisch am Abgrund und der Absturz ist kaum noch aufzuhalten. Die Familien als Grundlage einer jeden halbwegs gesunden Gesellschaft sind zerrüttet bis zerstört. Die Politiker sind in unterschiedlichen Formen korrumpiert und dienen den „Märkten“. Sie haben keine Skrupel ihre eigenen Wähler in Weltkriege zu führen. Die Jugend aber sucht nach neuen Wegen. Sie wenden sich wieder der Spiritualität zu, wenn auch sehr naiv. Der Islam ist die einzige wachsende Weltreligion unter westlichen Jugendlichen. Betrogen durch die eigenen Medien, suchen sie nach Alternativnachrichten und Alternativwegen. Und Imam Chamene’i will bei dieser Suche seiner Verantwortung als oberster Geistlicher der Schia im Islam gerecht werden und den Jugendlichen seine Einladung senden.

Weitere Aspekte sind bei dem Brief zu berücksichtigen. Beide Briefe haben eine Länge (insbesondere der zweite), die für zumindest deutschsprachige Jugendliche in den allermeisten Fällen eine totale Überforderung darstellen. In einer Gesellschaft, in der Apps gegen Laternenkollisionen verbreitet werden, damit junge Smartphone-Nutzer beim Surfen mit ihrem Telefon sich auf offener Straße keine Beule holen, erscheint auch die inhaltliche Qualität des Briefes eine echte Herausforderung zu sein. Und dennoch wird Imam Chamene’i die Briefe nicht „auf gut Glück“ verfasst haben. Manche seiner Anhänger glauben sogar, dass er diese Briefe im Auftrag des erwarteten Erlösers verfasst hat, zu dem viele seiner Anhänger ihm einen direkten Kontakt zutrauen. Insofern ist es von Bedeutung, den pessimistischen Blick auf die Jugend auszuradieren und nicht den Fehler zu machen, den viele Ältere gerne machen („als ich jung war, war alles viel besser“).

Die Jugend in der Westlichen Welt wird seit Jahrzehnten mit Pornographie geradezu bombardiert. Die Smartphone-Jugend kennt Sexualität in allen denkbaren und undenkbaren Varianten noch bevor sie einen Führerschein haben. Dennoch hat sich die Jugend größtenteils den Traum der Romantik, der Liebe und der ewigen monogamen Beziehung bewahrt. Manche setzen ihre Träume auch in die Tat um. Es stimmt zwar, dass sehr viele Männer und Frauen in Deutschland keine Kinder mehr kriegen (wollen), aber die Durchschnittsangabe verhindert den Blick auf die Familien, die mehr als ein Kind groß ziehen, weil sie auch darin das Glück der Familie sehen.

Die politische Lethargie im deutschen Parlament ist derart gravierend, dass man die Grünen bei der Kriegspolitik kaum noch von der CDU unterscheiden kann. Einzig die Linke versucht dem Parlament den Anschein einer Opposition zu geben. Tatsächlich aber ist es gleichgültig, welche Partei regiert, was insbesondere in den Bundesländern deutlich wird. Letztendlich regiert das Kapital. Aber genau von jenem Kapital wollen sich viele Teile der Jugend lossagen. Außerparlamentarische Bewegungen und Initiativen gibt es sehr viele. Die meisten sind antikapitalistisch und antiimperialistisch, unabhängig davon, ob sie sich rechts oder links einordnen. Trotz sieben Jahrzehnten Auschwitzkeule ist die Kritik an den Verbrechen Israels am palästinensischen Volk nicht tot zu kriegen. Jüngst haben die Machthaber auf Druck der eigenen Bevölkerungen die Kennzeichnung von Waren aus den besetzten Gebieten gebilligt. Die Initiativen dazu wurden vor allem von jungen Menschen vorangetrieben.

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass die Jugend – und auch Teile der älteren Bevölkerung – durchaus über ein politisches Bewusstsein verfügen, das den Kapitalisten nicht gefällt. Der immer lauter werdende Protest gegen das so genannte Freihandelsabkommen ist das deutlichste Beispiel. Aber auch die Abwahl der Olympiakandidatur in Hamburg verdeutlicht, dass die Bevölkerung nicht hinter dem grenzenlosen Wachstumswahn steht. Die noch vor einem Jahr kaum vorstellbare Willkommenskultur, die zumindest von gewissen Teilen der Bevölkerung vorgelebt wurde gegenüber den Flüchtlingen, wurde auch von vielen Jugendlichen mitgetragen. Die deutsche Jugend verfügt zudem über Tugenden, die es in vielen muslimischen Ländern in diesem Ausmaß leider nicht gibt. Dazu gehören das Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft, die Umwelt, die Nachbarschaft, den Verein. Dazu gehört die Lebensdisziplin, welches mit einem frühen Arbeitsbeginn verbunden ist. Dazu gehört die persönliche Hygiene wie die Bereitschaft der Mülltrennung. Dazu gehört aber auch ein im Weltvergleich sehr hoher Bildungsstandart verbunden mit einer weltweit einmaligen Handwerkerausbildung.

In keinem einzigen muslimischen Land wird so viel für behinderte Menschen getan, wie z.B. in Deutschland, was nicht allein mit dem vorhandenen Reichtum erklärt werden kann. Es sind zwar ältere Geschäftsführer, die Behinderten einen Job anbieten, aber lauter junge Mitarbeiter, die sie einweisen und mit ihnen arbeiten.

Die Jugend in Deutschland wünscht sich vor allem Frieden in der Welt. Gäbe es hinreichend ausführliche Debatten über deutsche Kriegseinsätze, so würde kein einziger deutscher Soldat ins Ausland geschickt werden können, ohne große Proteste. Das ist auch der Grund dafür, dass die Ausländseinsätze in unvorstellbaren Hauruck-Verfahren immerzu in aller Eile durch die Parlamente gejagt werden.

Denkt man ein wenig über die Jugend in Deutschland (und in der westlichen Welt) vorurteilsfrei nach und lässt eine altersbedingte Neigung zur Arroganz gegenüber der Jugend beiseite, kommt man zu dem Schluss, dass hier ein riesiges Potential für Wahrheit und Wahrhaftigkeit schlummert, das geweckt werden möchte.

Imam Chamene’is Brief war ein solcher Weckruf. Er wird sicherlich nicht alle Jugendlichen erreichen, aber viele. Sicherlich werden nicht alle die beiden Briefe lesen, aber sie haben jetzt die Chance dazu. Allein die Tatsache, wie extrem der zweite Brief (noch mehr als der erste) in den deutschen Medien verheimlicht wird, ist ein deutlicher Beleg dafür, dass große Sorge über die Wirkung der Briefe besteht. Es sei daran erinnert, dass einstmals jeder Rülpser eines gewissen USAma bin Laden in sämtliche Sprachen der Welt übersetzt worden ist von den Medien der westlichen Welt und dessen Presstituierten, noch bevor der Mann aufstoßen konnte. Hier aber richtet sich die weltweit wichtigste Persönlichkeit des schiitischen Islam – wenn nicht gar des Islam überhaupt – öffentlich an die Jugend in der Westlichen Welt mit einem direkten Brief, und sämtliche Medien verschweigen die Existenz. Ein deutlicheres Zeichen für die pro-zionistische Hörigkeit der Medien kann es kaum geben, geht doch insbesondere der zweite Brief auf die wahren Ursachen des Leids in der heutigen Erde ein. Doch dieses Verschweigen verdeutlicht, dass selbst die Machthaber der Westlichen Welt ihrer eigenen Jugend ein antikapitalistisches, antiimperialistisches und antizionistisches Potential zutrauen. Warum sollte es dann Imam Chamene’i nicht tun?

So Gott will werden wir uns in Folgeartikeln mit den Inhalten des Briefes beschäftigen.

Yavuz Özoguz  
Yavuz Özoguz
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