Wer ist mein Papst und warum?
Von Mahmoud Ayad
Wer führt im Islam oder in islamischen Ländern eigentlich heute die Muslime, hat also den Führungsauftrag, die Wilaya inne? Und wonach entscheidet sich das? Diese Fragen haben sich mir bereits als Kind aufgedrängt, und ich wundere mich noch heute, warum sich so wenige Muslime, aber auch Nichtmuslime mit dieser Frage beschäftigen.
Etwa 1989, eine Blocksiedlung in Ostwestfalen: Ich sehe mit meinem Vater fern, ich meine sogar in Farbe. Im Fernsehen war ein Mann mit einem beeindruckenden Hut, umringt von Menschen, die ihn offensichtlich bewunderten. „Das ist der Chef von den Christen“, beantwortete mein Vater meine Frage und beschrieb mir damit Papst Johannes Paul II., nicht hundertprozentig treffend, aber sehr einleuchtend für mich. Es war ganz natürlich für mich, dass eine Gemeinde einen Chef, eine Führung hatte und ein bisschen beneidete ich die Christen darum. „Warum haben wir eigentlich keinen?“ Die Frage habe ich nur mir selbst gestellt, mein Vater hätte mir ja davon erzählt. „So etwas erzählt man doch“, dachte ich mir.
Einige Tage später, wieder Fernsehen: Ich erinnere mich nur noch dunkel an einen Saal, gefüllt mit Turban tragenden Männern, die einen weiße, die anderen schwarze. Vielleicht war es doch ein Schwarz-Weiß-Fernseher? Ich weiß es nicht mehr. Aber ein Mann mit einem schwarzen Turban stach heraus und ich ahnte, dass da etwas Wichtiges geschah und dort jemand Wichtiges anwesend war. „Wer ist das und was machen die da?“ Mein Vater rang nach einer Erklärung, zögerte, und meinte schließlich: „Weißt Du noch der Chef von den Christen? So ist der da ungefähr auch bei uns. Und dort ist jetzt ein Neuer.“ Was ich gesehen habe, war vermutlich die auf Empfehlung Imam Chomeinis erfolgte Amtseinführung Imam Chamene’is zum Islamischen Revolutionsführer. Genau weiß ich es nicht mehr, ich weiß jedoch, dass ich sehr froh war, dass wir doch jemanden hatten.
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