Neu geboren werden im Monat Ramadan mit der ersten Offenbarung
Als erste Offenbarung gilt der verbale Ausdruck der ersten offenbarten Verse des Heiligen Qur'ans über die Lippen des Propheten Muhammad (s.) in der Höhle Hira.
Die Nacht der ersten Offenbarung wird daher auch Berufung [mab'ath] genannt. Als erste offenbarte Verse gelten die ersten fünf Verse der Sure al-Alaq (96. Sure). Vorab war bereits in der Nacht der Bestimmung der gesamte Heilige Qur'an ins Herz des Propheten Muhammad (s.) eingegeben worden, so dass am Tage der ersten Offenbarung jenes Herzenswissen auf die Lippen des Propheten Muhammad (s.) gebracht wurden.
Der gesamte Qur’an wurde im Monat Ramadan eingegeben, und danach konnte er bei Bedarf abgerufen werden von dem Herz auf die Zunge. Das ist einer der Gründe, warum Muslime versuchen im Monat Ramadan einmal den Heiligen Qur’an durchzulesen, was eine empfohlene Handlung ist. Mit diesem Qur’an im Herzen, stehen einem die Welten offen. Imam Chamene’i sagt dazu: „Wenn wir der Bedeutung und dem Sinngehalt des Koran unser Herz schenken, werden wir in der heutigen komplexen und stürmischen Welt voller Probleme, sicherliche die Tiefe seiner Worte und deren Wirkung besser verstehen.“ [1]
Derjenige, der im Monat Ramadan sein Herz mit Liebe füllt, dem wird nach dem Monat viel Gutes widerfahren. Doch was geschah bei der ersten Offenbarung wirklich?
Nachdem ALLAH dem Prophet Muhammad (s.) eine Fülle Seiner besonderen Gnade erwiesen hatte, offenbarte Er ihm den gesamten Heiligen Qur'an in einer Heiligen Nacht, der Nacht der Bestimmung [lailat-ul-qadr] (vgl. Sure 97) in das Herz des Propheten Muhammad (s.). Als die Zeit für die Veröffentlichung der Prophetentums reif war, sandte ALLAH ihm auch Gabriel (a.), damit Gabriel (a.) die in das Herz des Prophet Muhammad (s.) geschriebenen Worte auf seine Zunge bringen möge, um den Prophet Muhammad (s.) in seiner schweren bevorstehenden Aufgabe zudem zu bestärken. Gabriel (a.) nahm den Arm des Propheten sagte zu ihm: „O Muhammad, lies!“, und der Prophet fragte: „Was soll ich lesen?“.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass Gabriel nicht sagte „sprich“, sondern „lies“. Lesen kann man nur etwas, was irgendwohin geschrieben wurde, und man es erkennen kann. Der Prophet Muhammad (s.) antwortet hier auch nicht „Ich kann nicht lesen“ oder ähnliches, sondern fragt, welche der Tausenden und abertausenden in sein Herz eingebrannten Worte er denn nun als Erstes lesen solle.
Und Gabriel (a.) sagte: „Lies im Namen deines Herrn“ (Heiliger Qur'an 96:1 ff ). Danach verlas Prophet Muhammad (s.) die Offenbarung Gottes. Dann kam der Muhammad (s.) aus der Höhle heraus. Am Horizont hatte sich Gabriel (a.) in der für ihn schönstmöglichen Gestalt aufgebaut, um den Propheten (s.), das beste aller Geschöpfe, zu grüßen und zu ehren. Die Faszination der Wahrheit war in jedem Atemzug zu spüren. Jedes Blatt, jeder Stein, jeder Baum und jeder Grashalm grüßte den Propheten mit dem Friedensgruß „as-salamu-alaika, ya ayyuhannabi-ullah“ (Der Friede sei mit Dir oh Prophet Gottes). Prophet Muhammad (s.) hörte bei jedem Ding an dem er vorbeiging diese Stimmen: „Friede sei mit dir, o Muhammad, Friede sei mit dir, o Freund Gottes, Friede sei mir dir, o Gesandter Gottes" und tausenden Engel grüßen ihn. Jeder Muslim hat die Gnade, genau an jenem Gruß tagtäglich mindestens 8 Mal in seinen Gebeten teilzunehmen „as-salamu-alaika, ya ayyuhannabiyyu“ (Der Friede sei mit Dir oh Prophet). Welch eine Gnade, die uns Menschen zuteil geworden ist.
Wegen der Herrlichkeit Gottes, die den Propheten erleuchtet hatte, der Faszination des Islam, die ihn, den Auserwählten, grüßte, der wunderbaren Gestalt Gabriels (a.), der sich in alle Blickrichtungen vor ihm aufbaute und seiner eigenen Bescheidenheit über diese Gnade ALLAHs erzitterte und erschauerte der gesamte Körper des Prophet Muhammad (s.) vor Faszination und Liebe, als wenn er krank war. So kam er zuhause an und seine Frau Chadidscha (a.) erkannte sofort die Situation, auch sie hatte mit ihrem Mann gewartet auf diesen Moment und sie holte eine Decke und wickelte ihn ein. Dann kamen die Verse „Oh Du Eingehüllter, stehe auf, dann warne ... (Heiliger Qur'an 74:1ff.).“ Wer erfüllt ist von Liebe, muss aufstehen, unabhängig davon, wie widrig die umstände sind. Aufzustehen ist das Merkmal des Menschseins, aufzustehen für Gerechtigkeit, für Wahrheit, für Aufrichtigkeit, für die Entrechteten und an der Seite der Unterdrückten. Aufzustehen ist das Merkmal des erwarteten Erlösers, möge er bald erscheinen.
Gemäß einer eigenen Überlieferung Imam Alis (a.), war auch er Augenzeuge dieses Ereignisses, denn er brachte dem Propheten Muhammad (s.) immer wieder Verpflegung von Chadidscha (a.), während dieser in der Höhle weilte. In der Sammlung seiner Aussagen Nahdschul-Balagha heißt es an einer Stelle: „Er zog sich jedes Jahr in (die Höhle) Hira zurück, während ich ihn sah, aber niemand anders ihn zu Gesicht bekam. In jenen Tagen versammelten sich nur der Gesandte Allahs (s.) und Chadidscha im Namen des Islam in einem Hause, und ich war der Dritte unter den beiden. Ich sah das Licht der Offenbarung und der Botschaft, und ich roch den Duft des Prophetentums. Ich habe den Schrei des Satans gehört, als die Offenbarung auf ihn – Allah segne ihn und seine Familie – herabkam, und ich fragte: „Oh Gesandter Allahs, was war das für ein Schrei?“, und er erwiderte: „Dieser Satan hat nun jede Hoffnung verloren, angebetet zu werden. Du hörst wirklich, was ich (ebenfalls) höre, und du siehst, was ich sehe, außer dass du kein Prophet bist, aber du bist ein Bevollmächtigter [wazir], und du bist auf dem Wege des Guten.“ [2]. Dieses Ereignis hat die Welt verändert!
Goethe hat dazu sein Gedicht Mahomets Gesang verfasst, in dem es heißt: „Bäche schmiegen
Sich gesellig an. Nun tritt er in die Ebne silberprangend. Und die Ebne prangt mit ihm. Und die Flüsse von der Ebne, und die Bäche von den Bergen, jauchzen ihm und rufen: Bruder! Bruder, nimm die Brüder mit, mit zu deinem alten Vater, zu dem ewgen Ozean, der mit ausgespannten Armen, unser wartet die sich, ach! vergebens öffnen, Seine Sehnenden zu fassen…“ [3]
Das Herz kann sich im Monat Ramadan auffüllen mit Liebe. Es kann so voll werden, dass es danach wartet zu bersten, um die Liebe allen Mitmenschen zuteil werden zu lassen. Imam Husain (a.) hat gefastet, um wenige Monate danach aufzubrechen in die Offenbarung des Martyriums. Die Heilige Maria (a.) hat gefastet, um dann Teil eines unvorstellbaren Wunders zu werden. Noah hat gefastet, um am Ufer der Reinheit anzukommen, nachdem das Wasser alle Unreinheit vertilgt hatte. Der Heilige Qur’an ist voll mit fastenden Vorbildern.
Allah hat uns Nordeuropäern die Gnade erteilt, dass wir hier in diesem Jahr 21 Stunden fasten dürfen! Ist das nicht eine besondere Auszeichnung? Ist das nicht ein Gnadenerweis der Liebe? Und die besonderen Gnaden, die jeder erhält, der bis zum Morgengrauen betet, ist uns in den Nächten sehr leicht gemacht.
Möge der heilige Monat Ramadan unsere Herzen reinigen und unsere Ziele läutern. Mögen wir inschaallah erkennen, dass jede reine Absicht nur mit reinen Taten umgesetzt werden kann. Es sind die Feinde der Menschlichkeit, denen jedes Mittel recht ist, um ihre Ziele durchzusetzen. Als Anhänger der Wahrheit aber dürfen wir das nicht. Manche leichtgläubige beschweren sich, dass es dann ja eine Art Ungleichheit in der Auseinandersetzung gäbe. Die einen dürfen alles, jede Schandtat, die anderen sind begrenzt in ihren Einsatzmöglichkeiten und dürfen nur Wahrhaftiges und Anständiges. Aber sie vergessen das Wichtigste dabei: Allah entscheidet über den Erfolg einer Tat. Und den wahrhaftigen Anhängern der Wahrheit hat Er verheißen, dass Er allein den Lohn des Fastens gewährt. Der große Lohn für Fasten ist Liebe. Mögen wir diese Liebe in vollen Zügen genießen inschaallah.
[1] http://www.khamenei.de/imam_d/nachrichte...16.htm#08062016
[2] http://www.eslam.de/manuskripte/buecher/...192_predigt.htm
[3] http://www.eslam.de/manuskripte/gedichte...mets_gesang.htm