Israels irrsinnige Masche
von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait
Die Spinnerei des israelischen Außenministers springt in die Augen. „Der Außenminister hält die Lage in Ägypten für bedrohlicher als die iranischen Bombenpläne.“ Bedenkenlos verbreitet Peter Münch diese Spinnerei aufgrund der Kündigung eines Gas-Lieferungsvertrag und spielt so die irrsinnige Masche mit. „Israel bereitet sich auf den Zusammenbruch des Friedensabkommens von Camp David vor.“ Ein wirtschaftlicher Vertrag hat mit einem Friedensvertrag gar nichts zu tun. Darüber hinaus ist die Kündigung eines Vertrags die normale Folge, wenn ein Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Und das ist gerade der Fall in Bezug auf den Gasvertrag zwischen Ägypten und Israel. Israel habe vier Monate nicht gezahlt, was die israelische Regierung natürlich bestreite. „Fünf Mal sei Israel über Zahlungsrückstände benachrichtigt worden“ gab die Ägyptens Ministerin für Internationale Zusammenarbeit bekannt. (SZ-Artikel „Dazu haben wir das Recht“ von Sonja Zekri vom 25.4.12).
Erwartungsgemäß hatte die Vertragskündigung unter den politischen Kräften in Ägypten Zustimmung gefunden. Das ist nicht nur verständlich, sondern völlig plausibel angesichts der wiederholten aggressiven Politik Israels, die ihm alle Sympathie in der Welt, insbesondere in der arabischen Welt, entzieht. Schon in den ersten Monaten von 2012 hatte sich der Ton zwischen Kairo und Tel Aviv verschärft. Der Niedergang der Beziehungen stand sogar früher an. Einen Botschaftssitz in Kairo gibt es nicht mehr, seitdem ein wütender Mob die israelische Botschaft in der Innenstadt im September 2011 verwüstete. Aber diese Tatsachen hängen nicht mit der Kündigung des Vertrags über Gas-Lieferungen zusammen, sondern mit der inakzeptablen Politik des unbequemen Nachbarn, der sich weiter von den zivilisierten Ländern entfernt. Unabhängig von der israelischen Lesart der Gaslieferungsvertragskündigung und sachlich betrachtet, ist die Kündigung „ein natürlicher Schritt“, wenn man bedenkt, dass der Vertrag von Korruptionsvermutungen begleitet war. So der Ex-Außenminister und Präsidentschaftskandidat Amr Mussa, wie Sonja Zekri ganz nüchtern in ihrem SZ-Artikel „Dazu haben wir das Recht“ von 25.4. berichtet. Ein Sprecher der Muslimbrüder, deren Partei die Mehrheit im Parlament stellt, lobte den Schritt als „exzellente Entscheidung“.
Für Israel sicherlich ein herber Schlag, denn 40% seines Erdgases stammt aus Ägypten. Der Gasvertrag war der größte Handelsvertrag zwischen Israel und Ägypten, 2005 wurde er geschlossen.
Allerdings bedeutet die Kündigung des Gas-Lieferungsvertrags keine diplomatische Krise, wie Peter Münch als Israels Sprachrohr maßlos übertreibt. Es handelt sich nur um einen Streit ums Geld, insbesondere wenn Israel die Gas-Lieferung nicht regelmäßig und pünktlich bezahlt hat. Die israelische Regierung will aber die Lage hochspielen. Jetzt wird nicht nur ein neuer Hochsicherheitszaun zwischen Israel und Ägypten errichtet, sondern auch über eine grundlegend neue Verteidigungsstrategie und die Verlegung zusätzlicher israelischer Truppen an die südliche Grenze des Sinai diskutiert. Ein Oppositionsführer aus Tel-Aviv sieht die Beziehungen auf einem Tiefpunkt angekommen und fordert eine Reaktion der USA als Garantiemacht des Camp-David-Abkommens. Es ist offensichtlich, dass Israel, wie schon früher, die Spannung zusätzlich erhöht und darüber hinaus Verwirrung stiftet, ein beliebtes israelisches diplomatisches Vorgehen, wenn es vermeintlich schlechte Karten in der Hand hält. Jetzt werden zur allgemeinen Verwirrung zwei verschiedene Dinge zusammengebracht, die gar nichts miteinander zu tun haben: Der Gaslieferungsvertrag, der gekündigt worden ist, und das Camp-David-Abkommen, das immer weiter in voller Kraft ist.
Zwei der drei aussichtsreichsten Bewerber für die im Mai bevorstehende Präsidentschaftswahlen in Ägypten sind Islamisten, Mohamed Mursi und Abdel Menaim Abul-Futuh. Mohamed Mursi hat gleich am Anfang des Wahlkampfs bereits versprochen, dass er als Präsident Ägyptens keinen israelischen Politiker empfangen wird. Der dritte Kandidat, Ex-Außenminister Amr Mussa, galt schon unter Mubarak als ausgesprochener Israelkritiker. Keiner der drei will den Camp-David-Vertrag von 1979 kündigen, aber alle wollen überprüfen, ob er noch den Interessen Ägyptens entspricht.
Nach mehr als dreißig Jahren kalter Frieden, andauernden Angriffskriegen und der fortwährenden Weigerung Israels, seine Beziehungen mit den arabischen Nachbarn in der Region zu normalisieren, erscheint diese Reaktion völlig plausibel und legitim. Es ist höchste Zeit, dass Israel endlich seine Lage mit seinen arabischen Nachbarn durch legitime anerkannte Grenzen regelt, wie es zu jedem anerkannten rechtmäßigen Staat gehört.
Sollte Israel wirklich daran interessiert sein, den Gas-Lieferungsstreit zu überwinden, anstatt ihn einkalkuliert eskalieren zu lassen, um aus ihm ein neues Täuschungsmanöver für die Medien zu konstruieren, wäre Israel gut beraten, seine fehlenden Zahlungen für die Gaslieferung mit Ägypten so bald wie möglich zu regeln, und womöglich einen erhöhten Preis zu akzeptieren. Dann wird Ägypten bereit, wieder Gas nach Israel zu liefern. Alles andere, wie seine perfide Anspielung auf den Iran, ist medial hoch manipulativ und falsch.
Der Versuch Tel Avivs, den Spieß umzudrehen, um den Iran als Problem darzustellen, ist eklatant gescheitert, vor allem nach dem jüngsten erfolgreichen Treffen der westlichen Industrienationen mit dem Iran in Istanbul (14.4.). Nur deutsche Medien zeigen sich immer noch anfällig für israelische Medienmanöver, wie sich auch Peter Münch mit seinem tendenziösen Artikel bloßstellt. Das Weiße Haus sieht zu Recht den Nahostkonflikt, nicht den Iran, als Priorität. In dieser Hinsicht hat Washington nicht nur die Palästinenser, sondern alle arabischen Länder, zahlreiche europäische Länder und fast die ganze Welt hinter sich.