Gedicht für Erich Fried
Erich Fried war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker im 20. Jahrhundert und setzte sich mit seiner jüdischen Herkunft für die Rechte der Palästinenser ein. Kaum eine Beschreibung in den zahllosen Biographien [1] kann seinen Einsatz so gut wiedergeben, wie er es selbst in einem Gedicht getan hat, das er „Zur Zeit der Verleumder“ nannte: „Sie nennen mich Verräter an meinem Volk. Sie nennen mich Jüdischer Antisemit, weil ich spreche von dem, was sie tun in Israels Namen gegen Palästinenser, gegen Araber anderer Länder und auch gegen Juden, die totgeschwiegen werden. Später einmal werden Juden die übrigbleiben, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist, zu suchen beginnen nach Spuren von Juden, die nicht mittaten sondern warnten… Ob dann ein Wort noch nachlebt von meiner Warnung?“
Das vollständige Gedicht und viele weitere aus der Reihe „Höre Israel“ füllen viele Bücher, Hörbücher und Internetseiten [2]. Eines seiner Gedichte hat meine Wenigkeit emotional berührt, und so möchte ich Erich Fried dort, wo er sich jetzt befindet, danken für seine Zeilen mit einer Art Antwortgedicht. Wer meine bescheidenen Zeilen verstehen will, muss zunächst das Originalgedicht Frieds lesen, dass er mit dem Titel „Aufforderung zum Vergessen“ veröffentlicht hat [3]. Die Anfangszeilen orientieren sich an Frieds Gedicht und die spätere Zeilen an einer Sure im Heiligen Quran.
Wenn du dein Feld vergessen könntest mit der vergifteten Ernte,
und wenn du dein weißes Haus vergessen könntest, dass in Schutt liegt,
und wenn du den großen Krug vergessen könntest, deren Scherben zu dir sprechen,
und wenn du den Ölbaum vergessen könntest, dessen Baumstumpf klagt,
und die Orangenbäume im verbrannten Hain,
und wenn du deine zwei Schwestern vergessen könntest auf dem Weg zu den Gräbern,
und wenn du die Schreie vergessen könntest, die in deinen Ohren hallen,
dann könntest du aufhören dich in Gefahr zu begeben im Einsatz für Gerechtigkeit.
Und wenn die Erde ihr Beben bebt
und wenn die Erde ihre Lasten herauswirft
und wenn der Mensch dann fragt: Was ist nur los?
Dann wird der Mensch seine wahre Natur erkennen.
Dann werden die Menschen sich in Gruppen scharen, zu denen sie sich bekannt hatten.
Dann wird das Geringste an Gutem ihres Wirken sichtbar werden.
Und dann wird das Geringste an Übel ihres Wirken sichtbar werden.
Möge das Gute, was Herr Fried gewirkt hat, ihn heute erfreuen.
[1] http://www.eslam.de/begriffe/f/fried_erich.htm
[2] https://www.arendt-art.de/deutsch/palest...erich_fried.htm
[3] http://www.rither.de/forum/thread/6659-a...sen-erich-fried