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Wenn Imam Ali (a.) mich über Safi Saffa auffordert mehr zu schreiben

#1 von Yavuz Özoguz , 19.10.2021 12:29

Wenn Imam Ali (a.) mich über Safi Saffa auffordert mehr zu schreiben

In den letzten Tagen haben sich einige gütige Freunde an mich gewandt mit der Sorge, dass ich jetzt unter den Nachwirkungen der letzten Reise vermehrt „spirituelle“ Texte veröffentlichen würde. Die würden nur von wenigen gelesen werden. Hingegen würde ich mit meinen politischen Texten Tausende erreichen, viele würden zu den Texten verlinken und andere würden sie kritisieren, kopieren usw., was zusätzliche Reichweite bewirke. Die „spirituellen“ Texte hingegen würden nicht nur niemanden aufregen, sie würden auch keine Reichweite generieren.

Bei dieser Beurteilung spielt der Gedanke eine Rolle, dass man „Mehrheiten“ erreichen müsse. Doch die islamische Einstellung zu Mehrheiten ist nicht diejenigen, die der Mehrheit jede Macht gibt. Einst war in diesem Land eine Mehrheit hinter einem der verbrecherischsten Systeme, das Deutschland jemals gesehen hat. Wurde das System dadurch besser? Diejenigen, die davor gewarnt und sich sogar aufgelehnt haben, waren in der absoluten Minderheit. Heutzutage wird das Dollar-basierte Gelddrucksystem der kapitalistischen Verbrecher von der absoluten Mehrheit der Menschheit mitgetragen. Wird es dadurch besser? Die absolute Mehrheit der Menschheit schaut zu, wenn tagtäglich 30.000 Menschen an vermeidbarem Hunger sterben, die Hälfte davon Kinder. Heute steht z.B. die absolute Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in Israel hinter dem Apartheidsregime und unterstützt die Besatzung. Nur eine kleine Minderheit warnt davor und lehnt sich auf. Ist deswegen das Apartheidssystem und die Besatzung legitim? Heute unterstützt die absolute Mehrheit der Deutschen (und nicht nur der Deutschen) in Deutschland rund 200.000 Abtreibungen im Jahr. Wird deshalb Abtreibung etwas Gutes? Die Liste solcher Fragen zu Merheiten ließe sich seitenlang fortsetzen.

Das Konzept des Islam beruht nicht auf Mehrheit, sondern Wahrheit. Daher ist das quranische Konzept nicht eine Mehrheit zu gewinnen, sondern eine einzige Seele zu retten. Wer das tut, der ist so, als wenn er die gesamte Menschheit gerettet hat!

Als wir vor einige Wochen in Nadschaf im Irak angekommen sind, haben wir den Abend bei Imam Ali (a.) verbracht. Da der Eintritt in das Haus dieser Heiligkeit nur ohne Schuhe und ohne Taschen usw. möglich ist, haben meine Frau und ich uns abgewechselt und die Sachen beim anderen gelassen, der im Hof saß und von dort seine Gebete sprach. Ich ließ meiner besseren Hälfte den Vortritt. Währenddessen sprach mich ein Iraner namens Huschang auf Persisch im Hof Imam Alis (a.) an. Als ich ihm höflich antwortete „Farsi balad nistam“ (Ich spreche kein Persisch), fragte er, woher ich komme, und versuchte ein Gespräch mit mir in einem Sprachenmix.



Für seine besondere Liebenswürdigkeit schenkte ich ihm eines der vielen von mir vorbereiteten eingeschweißten Imam Chamenei Bilder, die jeweils ein Unikat waren. Er wollte sich unbedingt bedanken und schenkte mir ein Werbegeschenk der Fa. M.K.S Energy aus dem Iran: Ein schön schreibender Stift. Wie ich nach der Heimkehr festgestellt habe, stand die Internet-Seite, die auf dem Stift angegeben ist, zum Verkauf, obwohl das Unternehmen nach wie vor existiert und arbeitet. Dass der Stift für mich eine andere Bedeutung haben sollte, erkannte ich nach einem späteren nächtlichen Besuch in einem Gebäude, das ich im Dunkeln gar nicht so richtig erkannt habe.



Vor jenem Gebäude standen einige Männer – darunter ein Geistlicher – die meine Frau und mich dringlichst ersucht haben, in das Gebäude einzutreten. Drinnen fand eine sehr lebhafte Trauerveranstaltung für Imam Husayn (a.) mit wunderschönen rhythmischen Trauergesängen statt, bei denen man sich im Takt auf die Brust schlägt. Während dieser Gesänge entdeckte ich Huschang, der mir höflich zunickte. Was für ein „Zufall“ in einer Stadt, in der sich mehrere Millionen Pilger aufhalten, um den Fußmarsch nach Kerbela anzutreten [1].



Der Geistliche, der erfahren hatte, dass wir aus Deutschland kommen, fing uns ab, als wir nach einigen Liedern wieder gehen wollten, und bat mich auf deren Gästewand – eine Art Gästebuch als Riesenposter – etwas auf Deutsch zu schreiben. Ich schrieb: „Der Ruf labbaik ya Husayn (sinngemäß: Wir sind bereit o Husayn) heißt heute labbaik ya Chamenei (Wir sind bereit o Chamenei)“. Der Geistliche erkannte die Worte Husayn und Chamenei im Text und fragte mich auf Arabisch, was ich dort geschrieben habe. Ich kramte meine jämmerlichen Arabischkenntnisse zusammen und sagte „labbaik ya Husayn al-yaum labbaik ya Chamenei“ (wörtlich: Hier sind wir o Husayn heute hier sind wir o Chamenei). Er schaute mich an, als wenn er zum ersten Mal ein Alien gesehen hat. Ich führte es darauf zurück, dass mein Arabisch missverständlich gewesen sein muss und wiederholte auf Persisch: „labbaik ya Husayn emruz labbaik ya Chamenei ast“. Jetzt schaute er noch verdutzter, falls das überhaupt möglich war, und fing plötzlich an zu lächeln, hielt mich fest und beteuerte mir, dass es mit dem Eintrag auf dem Gästeposter nicht genug wäre. Er wolle das unbedingt filmen. Im Nu war eine Kamera besorgt und ich sollte den Satz erst auf Deutsch und dann auf Persisch wiederholen. Im Anschluss habe ich ihm dann eines der Fotos von Imam Chamenei geschenkt. Jetzt war er sehr peinlich berührt und wollte mir auch etwas schenken, aber er fand nichts, lief los und kam dann mit einer angebrochenen Tüte Kandis zurück. Die wäre aus Maschhad von Imam Ridha (a.). Wie süß war doch diese Erfahrung!



Tags darauf wollten wir bei Tageslicht sehen, in welchem Gebäude wir überhaupt waren, und es stellte sich heraus, wir waren im Mausoleum von Safi Saffa [2]. Der Schrein wurde für einen Mann aus dem Jemen namens Uthayb al-Yamani eingerichtet, der als Safi Safa bekannt wurde. Gemäß der Überlieferung [hadith] sah Imam Ali (a.) eines Tages einen jungen Mann auf seinem Kamel reiten, der einen Leichnam bei sich trug. Als der Mann Imam Ali (a.) sah, grüßte er ihn und Imam Ali (a.) grüßte zurück. Imam Ali (a.) fragte woher er komme, und er antwortete, dass er aus dem Jemen gekommen sei. Dann fragte Imam Ali (a.) nach dem Leichnam, und der junge Mann antwortete, dass es sich um den Leichnam seines Vaters handele. Als Imam Ali (a.) wiederum nachfragte, warum er den Vater denn nicht im Jemen beigesetzt hat, antwortete dieser: „Es war mein Vater, der mich angewiesen hat, ihn hier zu begraben, und er sagte, dass eines Tages dort ein Mann begraben werden würde, der eine unerreichbar große Nähe zu Allah hat.“ Imam Ali (a.) fragte, ob der junge Mann wüsste, wer die Person sei. Als dieser verneinte, gab Imam Ali (a.) sich zu erkennen. Imam Ali (a.) wünschte ihm alles Gute und forderte ihn auf, den Wunsch seines Vaters zu erfüllen und ihn vor Ort zu begraben.

Der Name Safi Safa geht zurück auf Safat, was zum einen weißer Speckstein als auch die Stelle, wo Kamele niederknien, bedeutet. Dem wurde Safa (eine Form der Reinheit) hinzugefügt, so dass Safat-Safa entstand. Mit der Zeit soll daraus Safi Safa geworden sein.

Heute ist unter einer blauen Kuppel ein Gebäude, in dessen Obergeschoss Konferenzsäle vorhanden sind, wo wir gesungen haben. Im unteren Stockwerk befindet sich das Grab von Safi Safa, eine prächtig ausgebaute Gebetsnische [mihrab], wo Imam Ali (a.) gebetet haben soll, und ein nachgebauter Brunnen, wo einstmals Imam Ali (a.) geschöpft haben soll. Die Gebetsnische ist eine der prächtigsten, die ich jemals in der Welt gesehen habe. Und Safi Saffas Grabstätte strahlt eine Ruhe aus, die ich uns allen im Herzen wünsche.



Mit jedem Tag wurde die Bedeutung des ersten Geschenks, das ich in Nadschaf erhalten habe, immer klarer: Schreib, schreib und schreib über diese Heiligkeiten, schreib über Deine Erlebnisse. Es wird der Tag kommen, an dem diese Heiligkeiten auch in Deutschland verehrt werden. Auch wenn Du jenen Tag selbst nicht miterleben wirst, so können Deine Schriften es miterleben.

Und so schreibe ich nunmehr für vorerst wenige Leser über diese Erfahrungen an einem der heiligsten Orte dieser Erde in der Hoffnung eines Tages wieder dorthin reisen zu dürfen. Und ich hoffe damit zumindest einige wenige Seelen erreichen zu können. Die eine Seele, die ich retten muss, um die gesamte Menschheit zu retten, ist letztendlich aber meine eigene Seele.

[1] http://www.eslam.de/begriffe/f/fussmarsc...haf_kerbela.htm
[2] http://www.eslam.de/begriffe/s/safi_safa_moschee.htm


Yavuz Özoguz  
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