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Wie steht ein Anhänger Imam Chameneis zur Corona-Impfung?

#1 von Yavuz Özoguz , 27.11.2021 17:33

Wie steht ein Anhänger Imam Chameneis zur Corona-Impfung?

Selten gab es unter den aktiven und einsatzfreudigen Anhänger Imam Chameneis so viel Verwirrung wie aktuell zum Thema Corona-Impfung. Einige Anhänger verbreiten aktuell die These, dass es eine Art Pflicht sei sich impfen zu lassen, wenn man dem Imam treu folge. Das Islamische Zentrum Hamburg hat – noch bevor es die Stadt Hamburg Gottesdiensten auferlegt hat – die 3G-Regelung eingeführt und ruft regelmäßig zum Impfen auf. Bei manchen Veranstaltungen gilt sogar die 2G-Pflicht. Und demgegenüber wird meine Text mit dem Titel „Corona Prüfung oder Strafe? Impfen oder nicht? Wie steht Imam Chamenei zur Impfung?“ [1] dazu verwendet, das Gegenteil zu behaupten.



Bevor ich auf die Einzelsituation eingehe, sei hier Folgendes betont vermerkt: Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Akteure, die mit aufrichtiger Absicht hier sehr gegensätzliche Meinungen vertreten, Gutes anstreben! Und daher sollte vor einer Be- oder Verurteilung der einen oder anderen Position, die jeweiligen Hintergründe genaustens analysiert werden.

Im Islam dürfen bei der Beurteilung der Situation die Maßstäbe des Islam niemals verlassen werden. Insbesondere ist es schädlich in der Öffentlichkeit, noch dazu namentlich erwähnt, Einzelpersonen oder Gruppierungen gegeneinander antreten zu lassen, wenn doch alle sich auf Imam Chamenei berufen. Das ist nicht hilfreich und führt zu unnötiger Verwirrung. Es baut einen Druck für die unsicheren Suchenden auf, die zwischen den Positionen hin- und hergerissen werden und sich dann möglicherweise ganz abwenden.

Grundsätzlich ist aus religionsrechtlicher Sicht festzustellen, dass es bis heute kein religionsrechtliches Urteil Imam Chameneis dazu gibt, sich impfen zu lassen oder nicht und schon gar nicht mit amerikanischen oder britischen Impfstoffen. Wer etwas anderes behauptet, muss die Fatwa dazu vorlegen. Die Tatsache, dass sich Imam Chamenei im Iran mit dem iranischen Impfstoff hat impfen lassen, und viele Iraner zudem russische oder chinesische Impfstoffe (manche auch andere) erhalten haben, ist weder ein Beweis für eine Fatwa noch hilfreich bei der Entscheidungsfindung in Deutschland. Denn in Deutschland gibt es weder iranische noch russische noch chinesische Impfstoffe! Es gibt eine Fatwa bezüglich der Unbedenklichkeit zur Nutzung eines Impfstoffs, bei dem in der Forschung und für Studien menschliche Embryonen zum Einsatz kamen, mit der Einschränkung, dass daraus kein relevanter Schaden folgen darf. Den möglichen Schaden muss jeder selbst abschätzen. Eine andere religionsrechtliche Frage bezüglich Erlaubnis (oder Verbot) von Impfstoffen, bei deren Produktion menschliche abgetriebene Embryonen zum Einsatz kamen, liegt seit mehreren Wochen im Büro des Imams, wurde aber bisher nicht beantwortet. Auch solch eine „Verzögerung“ ist durchaus verständlich, denn würde man es erlauben, würde man Abtreibungen indirekt hinnehmen. Würde man es verbieten, so würde man behaupten, dass Millionen von Muslimen etwas Verbotenes getan haben. Eine Fatwa ist kein einfaches Konstrukt, das Laien mal eben anfertigen können auf Basis von Quran und Hadith. Es ist ein hochkomplexes System, bei dem neben religionsrechtlichen Fragen auch die Umstände der Zeit und vieles andere mehr beachtet werden müssen. Nicht umsonst muss das Vorbild der Nachahmung (Mardscha) eines Schiiten ein aktuell lebender Gelehrter sein.

Niemand bestreitet, dass Imam Chamenei große Bedenken gegen US-amerikanische und britische Impfstoffe ausgesprochen hat. Doch selbst jene öffentlich bekundeten Bedenken gelten religionsrechtlich nicht als Verbot, so dass niemand einem Impfwilligen mit dieser Begründung davon abraten dürfte.

In Deutschland gibt es nur die Impfstoffe aus England und den USA! Da sollten wir uns nichts vormachen. Manche behaupten, dass Biontech ein deutsches Unternehmen sei und daher der Impfstoff kein US-Amerikanischer. Aber Biontech selbst gibt zu, dass der Impfstoff in Kooperation mit dem großen US-Konzern Pfizer entwickelt worden ist. Auf der eigenen Homepage steht: „Die Kooperation mit Pfizer beruht auf der 2018 getroffenen Vereinbarung, gemeinsam einen mRNA-basierten Impfstoff gegen Influenza zu entwickeln ...“ [2]

Was das IZH oder irgendeine andere Gemeinde angeht, so hat jeder Leiter eines Zentrums das Hausrecht. Und wenn er im Rahmen dieses Rechtes zu dem Schluss kommt, dass es unter den bestehenden Rahmenbedingungen angebracht ist die 2G-Regelung umzusetzen, dann ist das sein Recht und jenes Recht muss er vor Gott verantworten, nicht vor den Kritikern. Das Gleiche aber gilt für Zentren, die zu einem anderen Schluss kommen und die gesetzlich erlaubte 3G Regelungen oder noch weniger verlangen, falls es im jeweiligen Bundesland aktuell möglich ist.

Ich erachte es hier angebracht noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich die Impfsituation in Deutschland in der aktuellen Lage für eine individuelle Entscheidung einstufe. Das kann sich ändern, wenn morgen eine Fatwa Imam Chameneis zum Thema veröffentlicht wird. Obwohl ich mich selbst nach aktuellem Stand nicht impfen lassen werden – die Gründe habe ich in früheren Artikeln hinreichend dargelegt – sehe ich mit großem Respekt auf jeden, der für sich zu einem anderen Schluss kommt. Ist aber jemand der Meinung, dass er auch über meine Wenigkeit entscheiden darf, vertritt er die Meinung, dass Imam Chamenei uns dazu aufgefordert habe uns mit den US-amerikanischen Impfstoffen zu impfen, dann werde ich ihn höflichst darauf aufmerksam machen, dass er seine Kompetenzen überschreitet.

Der eigentliche Grund für diesen Artikel ist aber eine Analyse der Situation unabhängig von Corona. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Muslime, Schiiten, oder sogar die Anhänger Imam Chameneis bei einer Fragestellung uneins waren. Bekanntes Beispiel der Vergangenheit ist die unterschiedliche Deutung des Endes des Monats Ramadan. Derartige Meinungsunterschiede sind nicht neu und sie werden auch in Zukunft auftreten. Doch wie kann der einzelne Laie in solch einer Situation die für ihn richtige Entscheidung finden? Wie kann er das richtige Seil Gottes ergreifen und darauf aufbauend Sicherheit im Herzen etablieren? Sind nicht alle Akteure mit unterschiedlichen Meinungen wahrhaftige Anhänger der Heiligkeit unserer Zeit? Wollen nicht alle das Gute?

Zweifelsohne! Und daher muss versucht werden, die Sicherheit auf anderen Wegen in sich aufzubauen und weiterzuentwickeln. Wer hat die notwendige Kompetenz? Wer hat selbst einen geeigneten Draht (Kabel/Habl/Seil) zum Imam durch vertrauenswürdige Zwischenmänner. Wer setzt sich auch sonst für die Belange der Anhänger des Imams im Land ein? Wer ist präsent, erreichbar und steht den Fragen zur Verfügung? Wer kennt die Situation in Deutschland? Wer hat in seinem Umfeld zahlreiche wahrhaftige Aktivisten, die alle den Imam lieben? Wer hat bei vergangenen Missverständnissen welche Figur gemacht? … und viele weitere Faktoren. Nun ist es möglich, dass selbst nach Abwägung zahlreicher Faktoren immer noch keine Klarheit herrscht. Dann muss man sich individuell im Namen Allahs entscheiden und auf Allah vertrauen, dass Er einem bei seiner Entscheidung hilft.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Jahre, an denen einige in unserer Gemeinde zu einem bestimmten Festtag das Fasten gebrochen haben, aber andere an dem Tag eine Reise angetreten haben, weil sie zwar mitfeiern wollten, aber unsicher waren, ob es nicht eventuell ein Fastentag ist. Niemand hat sie deshalb schief angesehen, niemand hat sie aufgefordert, nicht zu reisen. Das sind Entscheidungen, die jeder vor Allah rechtfertigen muss, nicht vor anderen Menschen.

Wer allerdings immer wieder auf den Iran verweist, sollte sich folgendes bekannte und nachprüfbare Szenario vor Augen führen. Ein Vierteljahrhundert lang hat Imam Chamenei darauf verwiesen, dass jegliche Verhandlungen mit den USA sinnlos sind. Dennoch hat seinerzeit das Volk eine Regierung gewählt, die das Heil des Iran im sogenannten Atomabkommen mit den USA sah. Imam Chamenei hat scheinbar „nachgegeben“ und darauf verwiesen, dass die Entwicklung eine Erfahrung für das iranische Volk werden wird. Er hat alle seine Beamten befehligt, nichts gegen jene jahrelangen Verhandlungen zu unternehmen. Am Ende gab es jenen Vertrag mit bekanntem Ausgang. Die USA haben den Vertrag gebrochen und es kam noch schlimmer. Selbst die Europäer haben den Vertrag gebrochen! Der Schaden war am Ende größer als die Ausgangssituation. Hätten die Leute auf Imam Chamenei gehört, würde es dem Volk heute besser gehen. Wenn nun während der Jahre der Verhandlungen mit den sogenannten 5+1 ein Anhänger Imam Chameneis gesagt hätte, dass die Verhandlungen schädlich sind, dass sie aufhören sollten usw., hätten Gegner argumentiert: Aber Imam Chamenei erlaubt sie doch! Ist die Situation bezüglich Corona nicht ähnlich? Geht es nicht wieder darum, dass das Volk im Iran und die Anhänger im Ausland verstehen lernen? Imam Chameneis Ansicht zu Impfstoffen aus England und den USA sind bekannt. Dennoch wurden sie im Iran eingeführt. Hätte Imam Chamenei es verhindert, wäre die Propaganda gegen die Geistlichkeit enorm gestiegen nach dem Motto: Ihr seid schuld an den vielen Corona-Toten. Aber das Szenario ist dabei sich zu drehen. Plötzlich merken immer mehr Menschen in der Welt, dass sie ein Impf-Abo für den Rest ihres Lebens eingehen müssen, falls sie keinen Widerstand leisten. Und die Nebenwirkungen sind auch nicht mehr zu verheimlichen. Auch die Situation im Iran ist dabei, sich zu ändern.

Ich bin dankbar, dass es iranischen Wissenschaftlern gelungen ist, einen eigenen Impfstoff herzustellen. Das kann für zukünftige medizinische Errungenschaften von großer Bedeutung sein. Aber wir müssen aus solchen Errungenschaften keine falschen Schlüsse für uns in Deutschland ziehen.

Vor allem eines muss uns klar sein. Je näher die Zeit der Erlösung kommt, desto mehr wird die Verwirrung zunehmen. Die Entscheidungsketten der Wahrhaftigkeit müssen sich herauskristallisieren. Es wird der Tag kommen, an dem der eine Mardscha sagt, ja das ist der 12. Imam, und der andere wird sagen, dass ist ein Betrüger. Es wird der Tag kommen, an dem manche Anhänger des Mardscha behaupten werden, der Mardscha hätte die Rückkehr des Erlösers verkündet und andere, die das Gegenteil behaupten. Das Internet wird die Verwirrung verstärken. Wir, die wir hier im Westen möglicherweise noch mehr mit Jesu Rückkehr zu tun haben werden, können davon ausgehen, dass die Verwirrung hier noch größer sein wird. Möge der Erlöser bald erscheinen! Um uns darauf vorzubereiten, sind solche aktuellen Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten dienlich. Sie können jedem helfen, seinen Entscheidungsweg zu analysieren und zu justieren.

Ob sich jemand in Deutschland gegen Corona impfen lässt oder nicht, muss er selbst entscheiden. Dafür hat er auch noch Zeit. Aber seinen Entscheidungsweg bezüglich Nähe zu Allah muss er jetzt schon fällen, denn wir wissen nicht, wann die Endphase der Erlösung beginnt.

[1] Corona Prüfung oder Strafe? Impfen oder nicht? Wie steht Imam Chamenei zur Impfung?
[2] https://biontech.de/de/covid-19


Yavuz Özoguz  
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