Die verspotteten Opfer
Machmout Abbas, also der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde von Israels Gnaden, war
bislang nicht unbedingt für offene Kritik an Israel bekannt. Vorübergehend ließ er es allerdings zu einer
Ausnahme von der üblichen Regel kommen. Und dies ausgerechnet in Berlin, wo er Bundeskanzler
Scholz seine Aufwartung machte. Bei dieser Gelegenheit brachte er ebenso bemerkenswerte wie vor allem
richtige Worte zu Gehör.
Auszug: "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen.
50 Massaker- 50 Holocausts".
Damit war- selbstverständlich- der kollektive bundesdeutsche Aufschrei gleichsam vorprogrammiert.
Ganz abgesehen davon, dass der aus dem Alt-griechischen stammende Begriff "Holocaust" hierzulande bis
zur Ausstrahlung der vierteiligen amerikanischen Fernsehserie gleichen Namens im Jahre 1979 in der ARD
völlig ungebräuchlich war, dient er mit seiner Opferzuerkennung allein an das jüdische Volk heute dazu, die
Verbrechen Israels am Volk von Palästina zu rechtfertigen.
Anders formuliert: Das unbestrittene Unrecht, was Juden widerfuhr, muss heute dazu herhalten, neues Unrecht
zu legitimieren.
Also genau das, was man Abbas vorwirft, nämlich dass er "den Holocaust am jüdischen Volk relativiere", trifft
leider umgekehrt, bezogen also auf Palästina, in jeder Hinsicht zu. Stellvertretend für alle jüdisch-zionistischen
Verbrechen sei hier nur das Massaker von Deir Yassin vom 9.April 1948 erwähnt.
Seinerzeit ermordeten Angehörige der Terrorgruppen Irgun Zwai Leumi sowie Lechi in dem heute zu Jerusalem
gehörenden Dorf Deir Yassin mindestens 400 arabische Einwohner.
Sie standen unter dem Befehl des späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin.
Dieser wird bei Wikipedia folgendermaßen zitiert: "Das Massaker von Deir Yassin hatte nicht nur seine Berechtigung-
ohne den Sieg von Deir Yassin hätte es auch niemals den Staat Israel gegeben." (1)
Ist man nun "Antisemit", wenn man darauf hinweist und den seinerzeitigen Mörder sogar noch zu Wort kommen lässt?
In der hiesigen Bundesrepublik Deutschland, wo nichts sein kann, was nicht sein darf, sicherlich ja.
Genauso verhält es sich mit der massiven bundesdeutschen Kritik an der Verwendung des Begriffes "Apartheid"
durch Herrn Abbas. Denn all das, was seinerzeit den internationalen Protest an der damaligen Republik Südafrika, die
übrigens beste Beziehungen zu Israel unterhielt, auslöste und legitimierte, findet so ja bereits seit Jahrzehnten durch
Israel gegen das Volk von Palästina statt.
Die Verbrechen des damaligen südafrikanischen Rassisten-Regimes dürfen aber selbstredend in unseren Breiten nicht
mit Israels gleichartigem Verhalten in Palästina verglichen werden. Und dies, obwohl die renommierte Menschenrechts-
organisation Human Rights Watch in ihrem am 27.April 2021 veröffentlichten 213-seitigen Bericht Israel genau dies,
also Apartheit und Verfolgung, vorwirft.
Ein ebenso perverses wie widerliches Verhalten, werden hier doch unschuldige jüdische Opfer der Vergangenheit dafür
missbraucht, aktuelles Unrecht zu rechtfertigen.
Genau dies findet bekanntlich in diesem Land schon seit langem statt und erreichte am gestrigen Tag- einmal mehr-
seinen traurigen Höhepunkt.
Die sicherlich durch nichts zu rechtfertigenden Verbrechen, begangen an Juden, sollen und müssen also dafür herhalten,
das Unrecht eines Terror-Staates, denn um nichts anderes handelt es sich bei Israel, gegenüber dem palästinensischen Volk
gutzuheißen.
Israel verfolgt übrigens mit wahrhaft alttestamentarischem Hass jede historische Darstellung, welche gleichfalls auf Millionen
Menschenopfer hinweist. Der als "Holodomor" in die Geschichte eingegangene Vernichtungsfeldzug des Stalinismus gegenüber
dem ukrainischen Volk sei hier beispielhaft genannt.
Von 1929 bis 1933 fielen der damals durch die sowjetischen Behörden absichtlich herbeigeführten Hungersnot in der Ukraine
bis zu sieben Millionen Menschen zu Opfer. Infolge dessen haben die Vereinten Nationen dieses traurige Ereignis mit dem Status
eines Holocausts ausgestattet, was sofort wütende jüdische Proteste hervorrief. Auch hier wurde unverzüglich die Keule einer
angeblichen "Holocaust-Relativierung" geschwungen, obwohl die durch Stalins Anordnung ausgelöste Hunger-Katastrophe in der
Ukraine eine unbestreitbare historische Tatsache darstellt.
Dies war, ist und bleibt auch das Schicksal für jeden anderen Hinweis auf Massenverbrechen in der Geschichte. Waren dabei Nicht-
Juden als Tote zu beklagen, bleiben sie relativ unbeachtet.
Hier sei nur an die 30 bis 40 Millionen Menschenleben erinnert, welche die Diktatur Stalins forderte. Im China Mao-Tse-Tungs sollen
sogar bis zu 70 Millionen Tote zu beklagen gewesen sein. An die vielen alliierten Kriegsverbrechen, verübt an der deutschen Zivilbevölkerung
oder deutschen Kriegsgefangenen, will ich gar nicht erst erinnern.
Wie so oft, knickte angesichts der massiven deutschen Proteste, auch Machmout Abbas rasch ein und nahm unverzüglich einen Teil seiner
vorher artikulierten Israel-Kritik zurück.
Neueste Abbas-Version: "Ich bekräftige, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist".
Abbas erklärte weiter, "dass er nicht dessen Einzigartigkeit in Frage stellen wollte. Gemeint habe er vielmehr die Verbrechen und Massaker
gegen das palästinensische Volk, die Israels Streitkräfte seit der Nakba begangen hätten." (2)
Trotz allem, es genügen auch diese hier wiedergegebenen Worte aus Abbas Munde.
Sie werden das hiesige Geschrei überdauern. Wahrheit kann man eben nicht vergewaltigen, obwohl sich alle relevanten bundesdeutschen
Parteien, wenn es um die Darstellung des israelischen Unrechts gegenüber Palästina geht, ständig und konsequent darum bemühen!
1
Siehe dazu den WIKIPEDIA-Artikel über das Geschehen in Deir Yasssin
2 Zitate nach "tagesschau.de" vom 17.August 2022