Offener Brief eines einfachen Muslims an die Katholiken Deutschlands
Sehr geehrte gläubige Christen, die sich in der Gnade Gottes als Kinder Gottes verstehen,
der Friede Gottes sei mit Ihnen und mit allen Herzen, die Sie erreichen. Meine Wenigkeit ist ein einfacher deutscher Muslim, der sich heute an Sie – verehrte Brüder und Schwestern im Glauben an den Einzigen Gott – wendet, weil mein Herz sehr darunter leidet, wie Sie Ihre eigene Kirche, Ihre eigene Gemeinschaft in Gott, systematisch zerstören. In wenigen Stunden mache ich mich – so Gott will – auf zum weltgrößten Friedensmarsch mit über zehn Millionen Teilnehmern, der jährlich im Irak stattfindet [1]. Es handelt sich um einen Fußmarsch, bei dem auch Christen aus aller Welt, vor allem aber irakische Christen, mitlaufen. Starpunkt ist das Grab Imam Alis in Najaf, der bei der Niederwerfung vor seinen Schöpfer im missbrauchten Namen des Islam ermordet worden ist. Er ist ein Märtyrer der Niederwerfung. Und Ziel des Fußmarsches ist Kerbela, wo die Tragödie von Aschura [2] stattgefunden sein. Der Sohn Imam Alis mit dem Namen Husain hat dort seine Söhne (darunter ein Säugling), seine Brüder, seine Getreuen und viele seiner Familie allesamt und sich selbst geopfert, damit die Wahrheit überlebe. Mit Gottes Gnade und Erlaubnis werde ich auch für Sie, geehrte Katholiken in Deutschland – dort beten.
Ich wende mich zu dieser Stunde an Sie, weil ich das Gefühl habe, dass Sie sich in einer sehr entscheidenden Phase des Christentums in Deutschland befinden. Das gesamte Gottesbild, das Sie in Zukunft Ihren Kindern vermitteln werden, hängt von diesen Tagen und Wochen ab. Zu meiner völligen Überraschung und geradezu als Schock habe ich gelesen, dass einer Ihrer Bischöfe Homosexualität als „gottgewollt“ bezeichnet hat [3]. Homosexualität sei „gottgewollt wie die Schöpfung selbst“ [4]. Der Widerspruch aus der Kirche gegen diese Aussage hielt sich in Grenzen. Ist das wirklich der Glaube, den Sie Ihren Kindern und Enkeln vermitteln wollen? Was ist das für ein Gottesbild? Und was sagt das aus über Ihr Menschenbild und den Sinn der Schöpfung?
Wenn man behauptet, dass Homosexualität Gottes Wille sei, könnte man auch behaupten, dass der Holocaust oder gar die Tragödie von Aschura in der Ebene von Kerbela Gottes Wille sei. 30.000 Hungertote an jedem Tag des Herrn in unserer heutigen Welt wären demnach auch Gottes Wille. Kann den überhaupt etwas geschehen gegen Gottes Willen? Sollte die Lehre, durch die ein ausgebildeter Bischof gehen muss, wirklich derart naiv sein, wäre das ein Armutszeugnis für die Kirche in Deutschland. Oder kann es nicht sein, dass hier nicht die christliche Wahrheit wiedergegeben, sondern lediglich einem unsagbar großen unchristlichem Druck nachgegeben wird?
Jetzt werden einige Argumentieren, dass Holocaust, Aschura, Hungertote und Ähnliches nicht angeboren sind, sondern lediglich die Folge menschlicher Taten, hingegen Homosexualität angeboren ist und daher der Geborene daran keine Schuld trage. Ob das so stimmt, sei einmal dahingestellt. Es ist aber nicht meine Bestrebung irgendeine Schuld auszusprechen, sondern meine Sorge ist Ihr Gottesvorstellung! Wie ist es denn mit den Contergan-Kindern? Welche Schuld tragen sie? Und wie ist es mit den psychischen und körperlichen Schäden eines Säuglings, dessen Mutter während der Schwangerschaft Alkoholikerin war? Welche Schuld hat der Säugling? Und wie ist es mit den geschädigt geborenen Kindern der viel zu vielen an Hunger Leidenden. Sind jene Babys mitschuldig? Sicher nicht! Kein Contergan-Kind, kein Alkoholiker-Baby, kein Säugling einer Hungerleidenden ist schuld an dem Zustand, in dem es geboren worden ist. Aber ist der Zustand nicht dennoch ein Missstand, den zu beseitigen wir Menschen allesamt aufgefordert sind? So bliebe nur noch die Frage, ob Homosexualität ein Missstand ist oder nicht. Solch eine Frage aber lässt sich nicht am Zeitgeist beantworten, sondern bedarf einer erheblich tiefgründigeren Recherche. Doch gerade als Christ haben Sie Bücher, in denen sehr klar Stellung zum Thema bezogen wird. Viele Ihrer Propheten, die auch Propheten im Islam sind, beziehen klar Stellung dazu. Und ist eine Aussage des Islam, die als „Allahu Akbar“ (Gott ist größer; größer als am größten) nicht auch im Christentum gültig? Oder ist der Zeitgeist größer? Ist der Druck, dass Kirchen geschlossen werden könnten, größer? Ist der Verlust an Gottgläubigen größer?
Doch zurück zur Kernfrage. Ist das alles Gottes Wille? Wenn man nun antworten würde, dass es nicht Gottes Wille ist, so können offensichtlich Dinge geschehen, die gegen Gottes Willen sind, was große theologische Probleme mit sich bringen würde. Wäre es Gottes Wille, dann hätte Gott Übles veranlasst, was mindestens genauso viele theologische Probleme mit sich bringt. Ich bin sicher, dass die katholische Theologie diesbezüglich eine vernünftige Antwort hat. Meine Wenigkeit erlaubt sich, Ihnen in diesem Zusammenhang die Antwort des Islam zu verdeutlichen im Bewusstsein, dass die katholische Antwort sicher nicht weit davon entfernt sein wird.
Im Heiligen Quran gibt es zwei unterschiedliche Begriffe für den „Willen“ Gottes. Der eine Begriff heißt „scha“. Sie kennen ihn durch in-scha-Allah (falls Gott will; oder: falls Gott es zulässt). Ein gläubiger Muslim sagt „inschaallah“ zu allen zukünftigen Vorhaben. Das brauche ich Ihnen nicht zu erklären, da sie ja das Gegenstück dazu in der Bibel finden. Nichts geschieht, was Gott nicht zulässt. Insofern hat Gott tatsächlich den Holocaust, Aschura, die Hungertoten und vieles andere mehr „zugelassen“. Doch war es auch Sein Wille? Hat er die Menschen erschaffen, damit sie Unheil anrichten? Der zweite Begriff, der im Heiligen Quran zu „Wille Gottes“ vorkommt, ist „irada“. Hierbei geht es um eine Bezweckung mit allen Konsequenzen. Gott „bezweckt“ jeden Menschen zu begnaden mit der höchsten Stufe der Liebe, doch nicht alle Menschen gelangen zu diesem Ziel. Woran liegt das?
Gott, der Schöpfer einer jeden Mutter, ist viel gnädiger als Sein Geschöpf. Kulturübergreifend würde jede Mutter alles für ihr Baby opfern, wenn es sein muss. Gott braucht nicht zu „opfern“, denn er kann geben, was immer Er will. Und so will Er dem Menschen „alles“ geben, also Vollkommenheit, oder wie Sie es ausdrücken, Kinder Gottes sein zu dürfen. Die ursprüngliche tierartigen Geschöpfe Adam und Eva hatten im Paradies keine göttliche Freiheit. Sie konnten z.B. Gott nicht verleugnen, denn sie kommunizierten mit Ihm! Daher wurden sie „herabgesandt“ in einen Zustand, in dem sie diese Fähigkeit erhielten. Diese Fähigkeit ist verbunden mit einem Schamgefühl, das den Menschen von jedem Tier unterscheidet. Entscheidet sich der Mensch in dieser Freiheit für Gott, so kehrt er zurück und hat einen höheren Zustand als sein Ausgangszustand. Entscheidet er sich gegen Gott, so kehrt er auch zurück und hat einen niedrigeren Zustand als sein Ausgangszustand. Der Islam beschreibt diese Bandbreite von „niedriger als Tier“ bis „höher als Engel“. Das ist das Potential des Menschen, den Sie als „Ebenbild“ Gottes beschreiben. Jener Mensch ist als Mann und Frau erschaffen, wobei sich jeweils unterschiedliche Attribute Gottes in den Geschlechtern widerspiegeln. Durch die „Wiedervereinigung“ der aus einer Seele erschaffenen zwei Geschlechter beteiligt Gott das Paar an der urgöttlichen Eigenschaft, nämlich dem „Erschaffen“ von Menschen. Aber auch ohne die Fortpflanzung erlebt das gottesehrfürchtige Paar den Duft des Paradieses, indem es lernt einen Menschen zu befriedigen, der so anders ist als er selbst. Die Ehe mit ihrer paradiesischen Sexualität ist sozusagen eine Art Trainingslager zum Erlernen der Liebe Gottes. Das ist auch einer der Gründe, warum Selbstbefriedigung im Islam untersagt ist. Des Lebens Zweck ist nicht das „Selbst“, sondern das Überwinden des „Selbst“ um in Gott aufzugehen, oder „Gottes Kinder zu heißen“, wie Sie es nennen. Ist nicht Homosexualität eine Art Selbstbefriedigung mit einem gleichartigen Partner? [5]
So ist es Gottes Wille im Sinn von Bezweckung, dass jeder Mensch mit der höchsten Stufe der Liebe Gottes begnadet wird. Aber er zwingt die Menschen nicht dazu, weil der Zwang dem Ziel widersprechen würde.
Jedes Kind, ob Contergan-Kind, ob Kind einer Alkoholikerin, einer unfreiwillig Hungernden oder andere Fälle habe gleichermaßen die Fähigkeit, die höchste Stufe der Liebe zu erlangen. Darin sind sich alle gleich und das ist Gottes unbedingter Wille! Doch von jedem wird anderes abverlangt, je nach Fähigkeit und Möglichkeit. Ein Kind, das niemals stiehlt, obwohl es im kriminellsten Milieu groß geworden ist, kann das hohe Ziel schon erreicht haben! Das wird bei einem Kind, das im Wohlstand und in einer gottesehrfürchtigen Umgebung groß wird, nicht genügen. Es ist Gottes bedingter Wille, dass der Menschen das Ziel erreicht, denn das Ziel setzt in einem gewissen Maß die Freiheit voraus.
Einfach zu behaupten, Homosexualität wäre Gottes Wille und daher zu segnen, widerspricht der Logik einer jeden Religion außer der neuen LGBT-Religion. Es ist kein Zufall, dass alle drei monotheistischen Religionen in diesem Aspekt absolut übereinstimmen. Die Vertreter der neuen LGBT-Religion haben in der Westlichen Welt in ihrem vom Zeitgeist geprägt Aufschwung den Druck auf alle Gottgläubigen drastisch erhöht. Die wenigen Muslime und Christen, die noch ein gewisses Maß an Widerstand leisten, sollte niemals vergessen, dass Wahrheit nicht von einer Mehrheit bestimmt wird. Wenn Mehrheit für Wahrheit maßgeblich wäre, hätte das Christentum niemals entstehen können und das Massaker von Aschura wäre rechtens.
So bitte ich Sie als Ihr kleiner demütiger Bruder im Glauben an die Quelle aller Gnade und Liebe: Überlassen Sie das Feld nicht dem Zeitgeist und Irrwegen. Ihre Enkel werden Ihnen Ihren Widerstandsgeist danken. Und lassen sie Ihre geringen muslimischen Geschwister im Land nicht allein im Einsatz für die Familie bestehend aus Ehemann, Ehefrau und Kindern als Basis einer gesunden Gesellschaft. Schauen Sie auch über den Tellerrand und fragen Sie sich, wie die Christen in der Region der Propheten der Bibel unter teils sehr schweren Bedingungen die Wahrheit versuchen zu verteidigen. Meine Abschlussbitten an Sie vor meiner Abreise sind: Bitte vergessen Sie niemals: Allahu Akbar! Und beten Sie auch für meine Wenigkeit.
Dr. Yavuz Özoguz
(Wissenschaftlicher Leiter von eslam.de)
[1] http://www.eslam.de/begriffe/f/fussmarsc...haf_kerbela.htm
[2] http://www.eslam.de/begriffe/a/as/aschura.htm
[3] https://www.zeit.de/2022/37/helmut-diese...w.google.com%2F
[4] https://www.vaticannews.va/de/kirche/new...ser-aachen.html
[5] https://www.eslamica.de/4-liebesverschme...litaet-im-islam