Dankbar für die Erdbebenkatastrophe
In solchen Katastrophen unterscheidet sich die Menschlichkeit vom mörderischen Kapitalismus. Und in solchen Momenten wird deutlich, warum und wofür wir immer dankbar sein müssen.
Vor zwei Tagen ereignete sich im Südosten der Türkei und damit auch im Norden Syriens eine der größten Erdbebenkatastrophen der jüngeren Geschichte mit einer Stärke von 7,4. Gemäß dem türkischen Kandili Institut, welches die seismologischen Daten erfasst, hat es in 40 Stunden im Anschluss 772 Nachbeben gegeben, welche in einem Umkreis von 300 km zu spüren waren. Es gab so viele Nachbeben innerhalb von zwei Tagen, wie es im ganzen Jahr 2022 Beben in der Türkei gab. Gemäß Prof. Dr. Haluk Özener, dem Leiter des Kandili Instituts, verdeutlichen allein diese Nachbeben die Wucht des Hauptbebens. Auf beiden Seiten der syrisch-türkischen Grenze gab es nach bisherigen Angaben knapp 10.000 Tote. Die veröffentlichten Bilder lassen vermuten, dass sich diese Zahl noch erheblich erhöhen wird. Die Zahl der Verwundeten ist sechsstellig. Die türkische Stadt Antakya – Partnerstadt der deutschen Stadt Aalen – gleicht einem Trümmerfeld. Weitere Städte und Dörfer sind verwüstet. In Syrien ist auch die Infrastruktur in der Region zusammengebrochen.
Die Katastrophe ist kaum zu fassen und die weltweite Berichterstattung und Anteilnahme der Bevölkerungen ist überwältigend. Doch in solchen Zeiten wird deutlich, welches System menschlich denkt und wer nur seine eigenen Interessen versucht gewaltsam durchzusetzen. Während z.B. der russische Präsident Putin als einer der Ersten sowohl dem türkischen Präsidenten als auch den syrischen Präsidenten kondoliert hat und viele nichtwestliche Staaten es ihm gleich taten, haben die westlichen Regierungschefs keine Zeile nach Syrien gesandt. Während die russischen Hilfstrupps in beiden Ländern zu den ersten Helfern überhaupt gehörten, blieben sämtliche US-Ärzte und Zivilisten auf den unzähligen Stützpunkten in der Region in ihren Basen kleben. Während manche Hilfstrupps nach Syrien, unter anderem aus dem Iran, ihren eigenen Treibstoff mitgebracht haben, haben die USA nicht aufgehört das syrische Öl in dem von ihnen besetzten Gebiet zu plündern.
Kaum zu ertragen sind auch westliche Journalisten, die im Rahmen dieser Katastrophe fast ausschließlich daran denken, ihren westlichen Regime-Change-Phantasien Ausdruck zu verleihen. Geradezu unverblümt schreien sie in ihre Megafone: „Erdogan muss weg, Assad muss weg! Wir sind die Guten!“. So und so ähnlich ist es geschehen gestern Abend im ARD-Brennpunkt moderiert von Ute Brucker [2]. In ihrem Interview mit einem UN-Mitarbeiter in Syrien versuchte Sie durch manipulatorische Suggestivfragen ihren Interviewpartner dazu zu bewegen, zu sagen, dass die Regierung Assad Hilfslieferungen in die von den USA zusammen mit ihren selbstgezüchteten Steinzeitislamisten besetzten Gebieten in Idlib nicht zulassen würden. Geradezu enttäuscht musste sie anhören, dass Assad gar nichts verhindert, nicht einmal die Hilfslieferung in Gebiete, in denen Terroristen herrschen! Tatsächlich sind es die USA und der Westen, welche die Hilfslieferungen nach Syrien verhindern. Denn jegliche Bitten, die Sanktionen gegen Syrien zumindest für schweres Räumungsgerät kurzfristig aufzuheben, wurden bisher ignoriert. Und so sind es auch nicht irgendwelche angeblich geschlossenen Grenzübergänge, welche die Hilfeleistung nach Aleppo verhindern, sondern die völlig zerstörten Straßen, auf dem kein LKW fahren könnte und das fehlende Gerät, um die Straßen notdürftig zu flicken; fehlendes Gerät, welches wegen westlichen Sanktionen nicht ins Land kann. Der ARD-Brennpunkt wollte aber nicht nur Assad stürzen, sondern den türkischen Präsidenten gleich mit oder zumindest abwählen lassen. Die Sendung war kaum zu ertragen!
Der „böse“ Iran, die „bösen“ Russen helfen nach Kräften beiden Ländern. Der „gute“ Westen hilf aber nicht allen Menschen. Stattdessen verbreitet sie die Show-Einlagen, dass Israel angeblich Syrien helfen wolle staccatoartig und sie beschweren sich dann, dass Syrien diejenigen, die sie wöchentlich bombardieren, nicht ins Land lassen wollen. Eine weitere Show-Einlage ist das Hilfsangebot der Ukraine. Superstar Selenski muss bei jeder Show mitspielen. Ist er denn in der Lage die zunehmenden Katastrophen in seinem eigenen Land zu bewältigen? Kann jemand erklären, warum Deutschland Millionen von ukrainischen Flüchtlingen aufnehmen soll, wenn die Ukraine doch so gut in Schuss ist, dass sie sogar anderen Ländern helfen kann? Und kann jemand erklären, warum alle Presstituierten dieses unfassbare Propagandaspiel mitspielen?
Für all das muss man dankbar sein, denn es ermöglicht allen überlebenden Menschen zu erkennen, wer sich für ihr Wohl interessiert und wer nicht. Türkische Privatpersonen haben in Deutschland in ihrem jeweiligen Umfeld spontan Hundertausende an Euros gesammelt und wollen diese möglichst kurzfristig als Hilfsleistung überweisen. Das können sie aber nicht, weil ihnen dann das Finanzamt auf den Hals gejagt wird, wegen angeblicher Geldwäsche, unerlaubter Spendensammlung und vieles andere mehr. Ausnahmegenehmigungen können beantragt werden. Bis die genehmigt sind, sind die zerstörten Städte wieder aufgebaut.
Doch was hat es mit der umfassenden Dankbarkeit auf sich? Kann man in solch einem Moment, bei solchen Bildern, bei solch einer Katastrophe wirklich dankbar sein? Wahre Überzeugung von Gott trennt sich an solchen Tagen von einem Pseudoglauben, der den Glauben an sein Ego auf einen selbst gebastelten Gott projiziert und dann glaubt, an Gott zu glauben. Nach der Flutkatastrophe vom Ahrtal räumte der katholische Pfarrer Meyrer ein, „dass es ihm auch schwergefallen sei, im Vater Unser „Dein Wille geschehe“ zu beten: "War das wirklich Gottes Wille? Kann ich sagen „Dein Wille geschehe“ bei der Beerdigung einer jungen Frau, die ihr Leben noch vor sich hatte?“ [2]. Bei solch einem Glauben ist es kein Wunder, dass die Leute scharenweise von der Kirche weglaufen. Sind solche Momente nicht üblicherweise die wichtigste Stunde, um die Beziehung zu Gott zu intensivieren und nicht zu schwächen?
Um solche Momente verstehen zu können bedarf eines ganzheitlichen – monotheistischen – Glaubens; aber Glaube nicht in dem Sinn von „nicht wissen“, sondern Glaube als vollste Überzeugung mit gesichertem Wissen. Gott hat den Menschen erschaffen, um ihm mit der höchsten Stufe der Liebe zu begnaden. Diese höchste Stufe der Liebe beinhaltet, dass Gott seinem Geschöpf – wie jede Mutter ihrem eigenen Kind – Alles geben will. Die ost-asiatischen Religionen nennen jenes „Alles“ Göttlichkeit. In den monotheistischen Religionen heißt es eher Vollkommenheit. Diese Vollkommenheit soll auch die göttliche Freiheit beinhalten. Göttliche Freiheit bedeutet, dass wir für eine begrenzte Zeit die Freiheit erhalten, Gott verleugnen zu können. Wenn wir in jener zeitlich begrenzten Freiwilligkeit auf Erden Gott annehmen, kehren wir zurück in das Paradies, aus dem wir stammen, und haben einen höheren Bewusstseinszustand als zuvor. So können wir die Gaben des Paradieses auch intensiver genießen. Lehnen wir in dieser Zeit Gott ab, kehren wir auch zurück, und haben einen niedrigeren Bewusstseinszustand, der sogar zum Leid und Feuer umschlagen kann. In diesem System ist der Schöpfer und Herr über Raum und Zeit der Gnädige und Begnadende. Seine Gnade drückt sich unter anderem in der Gerechtigkeit aus, dass jeder Mensch die gleiche Chance erhält, die höchste Stufe der Liebe zu erlangen, unabhängig davon, wie lange er lebt und unter welchen Umständen. Ohne ins theologische Detail einsteigen zu wollen hat der unter den Trümmern verschüttete und daran gestorbene die gleiche Chance zu dieser höchsten Stufe der Liebe wie meine Wenigkeit, der in seinem gemütlichen Büro diese Zeilen tippt. Die Aufgaben erfolgen nach Fähigkeiten, die Chancengleichheit ist gewährt durch die Anpassung der Aufgaben an die Fähigkeiten und Umstände des Einzelnen. So kann theoretisch ein am Nordpol lebender Einheimischer, der niemals in seinem Leben die Chance hatte, etwas von Jesus oder Muhammad zu hören, dennoch eine höhere Bewusstseinsstufe erlangen als ein heiliger Christ oder Großayatollah. Einer der bedeutsamsten Schlüssel zu seinem Erfolg im Empfang der Gnade ist die Dankbarkeit.
So können wir alle dankbar sein, dass auch in dieser Katastrophe die Großartigkeit so vieler Menschen deutlich wird. Sie wachsen über sich hinaus und zeigen ihre wahre Menschlichkeit. Tausende und abertausende Helfer haben ihre Arbeit stehen und liegen lassen und sind in die Katastrophenregion gereist, um zu helfen. Sie bekommen kein Gehalt wie die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks aus Deutschland. Sie tun das aus Nächstenliebe. Alle türkischen Fluggesellschaften transportieren jene Helfer kostenfrei in die Region. Die Flughäfen sind überfüllt mit Freiwilligen. Alle Turnhallen (und davon gibt es viele in der Türkei) und alle Moscheen sind als Unterkunft bereitgestellt worden. Die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln funktioniert vom ersten Tag an. In Istanbul haben sich kilometerlange Schlangen vor den Blutspende-Organisationen gebildet. Der so sehr von Westen gehasste Assad lässt alle Hilfslieferungen zu den Terroristen in Idlib durch, während die USA weiterhin die Terroristen unterstützen und das syrische Öl Plündern. Auch dafür können wir dankbar sein, denn so können viele Menschen, die es sehen – aber nicht sehen wollen – nicht sagen, sie hätten es nicht gewusst. Während sich in der Region alle Medien mit dem Ziel zusammenschließen, um den Betroffenen zu helfen, Hoffnung zu verbreiten, Mut zu machen usw., übertrifft sich der Flaggenträger für sogenannte westliche freie Meinungsäußerung namens Charlie Hebdo in Unmenschlichkeit und Schamlosigkeit, wie es kaum vorstellbar war. Inmitten der großen humanitären Katastrophe twitterte das französische Satiremagazin eine Zeichnung, in der ein Trümmerfeld nach dem Erdbeben gezeigt wird. Der Text darunter lautet übersetzt: „Jetzt muss man keine Panzer mehr schicken“ [3]. Zwar war die westliche Art der Satire nicht für alle Menschen des Erdballs immer verständlich, aber jetzt können noch mehr Menschen als zuvor erkennen, welche schamlosen Hasser, denen offensichtlich jegliche menschlichen Gefühle abhanden gekommen sind, einstmals die Karikaturen zum vollkommensten Menschen der Menschheitsgeschichte verbreitet haben und zuletzt auch Karikaturen über die Heiligkeit unserer Zeit. Dafür können wir dankbar sein.
Wir können dankbar sein für jeden aus den Trümmern geretteten Überlebenden wie auch für jede würdevolle Leichenwaschung und jedes gebetsreiche Totenbegräbnis. Hunderte von Theologen sind in die Region gereist, um diese schmerzvolle Aufgabe zu erfüllen. Das Haus, das eingestürzt ist, hat Obdachlose hinterlassen. Die Gnade des Allmächtigen wird ihnen den Zugang zur höchsten Stufe nicht erschweren! Doch für uns ist es die Chance zu erkennen, dass sich alles von einem Moment auf den anderen verändern kann; auch durch Ereignisse, mit denen wir nicht rechnen. Schon morgen kann der Mensch, den wir lieben, uns vorangegangen sein in der Rückkehr ins Paradies. Genießen wir daher jeden Atemzug, mit dem wir begnadet werden, und seien wir dankbar.
Ein Erdbeben ist aber heutzutage keine Naturkatastrophe! In Japan gibt es jedes Jahr Dutzende derartige Ereignisse, bei dem schlimmstenfalls ein Computer kaputt geht, der vom Tisch fällt. Die Menschheit weiß, wie man erdbebensicher baut. Zur Katastrophe wird solch ein Ereignis erst, wenn der Mensch nicht nach seinem eigenen Wissen handelt. Und so können wir auch dankbar sein, dass am Vorabend des nächsten Atomwaffeneinsatzes, die gesamte Menschheit noch einmal gewarnt worden ist. Wir wissen alle, dass noch mehr Waffen in die Ukraine noch mehr Leid erzeugen wird. Und hunderte deutsche Panzer, die für die Ukraine gegen die Krim fahren, dürften eine noch größere Katastrophe bewirken als jenes Erbeben in der Türkei und Syrien, auch in Deutschland. Israels Ex-Premier hat unmissverständlich verdeutlicht, dass es die NATO-Staaten sind, die eine Verhandlungslösung zwischen Putin und Selenskyi blockiert haben [4]. Das Erdbeben kann eine Warnung für uns alle sein, nicht weiter zuzulassen, dass die schlimmsten Kriegstreiber unserer Zeit uns in einen Krieg jagen. Auch für solch eine Warnung muss man dankbar sein.
Es gibt noch tausende weitere Dinge, für die wir dankbar sein können, und jeder kann sich selbst überlegen, was ihn betrifft. Dazu zählen auch die konstruktive Trauer und das menschliche Beileid.
„Wir alle sind Gottes, und zu ihm ist die Heimkehr“ [5]. Unser Beileid ist mit den Trauernden in der Türkei und in Syrien und überall in der Welt, die ihre Angehörigen verloren haben. Möge Gott der Gnadenreiche ihnen viel Kraft und Geduld schenken, diese schweren Tage mit gesundem Herzen zu überstehen. Wir beten, dass die noch Verschütteten rechtzeitig geborgen werden können und die Verwundeten schon bald genesen. Wir beten darum, dass die Menschheit aus dieser Katastrophe lernt und ein friedliches Miteinander anstrebt. Möge das Licht der Wahrheit die Dunkelheit der Falschheit überwinden und mögen wir dabei nicht blind werden.
[1] https://haberler.boun.edu.tr/tr/haber/kr...gimiz-en-buyugu
[2] https://www.katholisch.at/aktuelles/1394...ch-gottes-wille
[3] https://www.berliner-zeitung.de/kultur-v...macht-li.315241
[4] https://exxpress.at/israels-ex-premier-n...-und-selenskyj/
[5] http://www.eslam.de/begriffe/t/todesnachrichterwiderung.htm