Die Wahrheit über Sadiq Schirazi (Teil 3): Über Wilayat-ul-Faqih
Bereits in den ersten beiden Teilen dieser Serie ist deutlich geworden, dass es fundamentale Unterschiede in der Betrachtung des Islam zwischen Sadiq Schirazi als Vertreter einer bestimmten Richtung auf der einen Seite und Imam Chomeini und Imam Chamene’i als Vertreter einer anderen Richtung auf der anderen Seite gibt. So zu tun, als wenn diese Richtungen problemlos miteinander vereinbar wären, entspricht nicht der Logik, das soll auch in diesem dritten und vorläufig letzten Teil der Serie vertieft werden.
Zwar gibt es zwischen allen Gelehrten Unterschiede in Detailfragen, aber die Frage, die dabei aufgeworfen wird, ist folgende: Wie gehen die Gelehrten damit um? Zweifelsohne glaubt jeder Gelehrte, dass seine Analyse die richtigere ist, sonst hätte er sie ja nicht im Widerspruch zu einem anderen geäußert. Aber wenn z.B. Imam Chamene’i die Stadt Qum besuchen kommt, dann sind bei seiner Rede eine ganze Reihe von großen Gelehrten, darunter auch Maradscha (Vorbilder der Nachahmung), anwesend und würdigen den Besuch des Waliy-ul-Amr. Sadiq Schirazi bleibt demonstrativ weg. Das allein sollte hinreichend sein, um zu verstehen, dass wir es bei der Betrachtung dieser Richtungen nicht mit in Einklang bringbaren Richtungen zu tun haben.
Wer auf der Seite von Sadiq Schirazi steht, stellt sich unmissverständlich gegen Imam Chamene’i und umgekehrt. Solange das klar ist, solange ein Anhänger – welcher Richtung auch immer – klipp und klar sagt, ich vertrete diese oder jene Meinung oder versuche es zumindest, gibt es wenig Anlass zum Konflikt. Man kann bei Bedarf über theologische Unterschiede sachlich diskutieren, aber die Ausgangslage ist für jeden klar und jeder kann selbst entscheiden, welche Richtung ihn mehr anzieht. Diese Aufrichtigkeit darf von jedem Muslim erwartet werden!
Ein Problem aller Schirazi-Anhänger besteht darin, dass sobald sie sich klipp und klar – wie ihre Vorbilder – gegen Imam Chamene’i stellen, sie kaum noch Gehör finden unter Schiiten, oder zumindest erheblich weniger Gehör, als sie es sich wünschen. Um dem zu entgehen, wird herumgedruckst und der Eindruck erweckt, als wenn beides miteinander vereinbar wäre. Immerhin sei Sadiq Schirazi ja ein Schiit und der würde einem Imam Chamene’i näher stehen als ein Sunnit. Mit solchen und ähnlichen Tricksereien wird versucht, den wahren Charakter der Feindschaft des Schirazi-Clans gegen Imam Chamene’i zu vertuschen. Es gibt Sunniten, die lieben Imam Chomeini und Imam Chamene’i oder haben zumindest große Sympathien für sie. Es sind meist persönliche Gründe, warum sie ihre Rechtsschule noch nicht gewechselt haben. Warum sollte solch ein Sunnit Imam Chamene’i ferner sein, als sein offenkundiger Feind?
Eines der Themen, die hierbei von großer Bedeutung sind, ist das Thema der Statthalterschaft des Gelehrten (Wilayat-ul-Faqih), welches Imam Chomeini in unserer Epoche neu belebt hat. Sadiq Schirazi verbreitet auf seinen eigenen Internetseiten ein Buch zum Thema, das von seinem Bruder Muhammad Schirazi geschrieben wurde. Da er ihn im Titel des Buches auch „Imam“ nennt, ist davon auszugehen, dass er seine Meinung diesbezüglich teilt.
Die inhaltlichen Unterschiede in der Betrachtung zur islamischen Führung werden unter anderem deutlich in seinen Regeln zum Thema. Die englische Übersetzung siehe:
http://www.english.shirazi.ir/books/Isla...013_Edition.pdf
Auf Seite 16 beschreibt er, dass die Führung der Muslime einem Rat von geeigneten Gelehrten unterliegen muss, unterschlägt dabei aber, dass gemäß Islam jener Rat auch ein Oberhaupt haben müsste. Überhaupt scheint ihm genau jener Aspekt zu missfallen, denn er widerspricht der Forderung, dass es „Fatwas“ der einzelnen Gelehrten für ihre Anhänger geben könnte und übergeordnete „Hukm“ vom Oberhaupt, die jeder zu befolgen hätte. Er besteht darauf, dass jeder Muqallid (Nachahmer), seinen eigenen Mudschtahid befolgt und kein Muqallid (Nachahmer) dazu gebracht wird, in solch einer Situation einen anderen Mudschtahid zu befolgen, was das Konzept einer einheitlichen Führung bei übergeordneten Fragestellungen unmöglich macht. Wenn z.B. Imam Chamene’i bestimmt, dass es sehr schädlich für die Schia ist, dass sich Menschen öffentlich blutig schlagen und es daher verbietet, aber Sadiq Schirazi empfiehlt, dass man sich an einem bestimmten Tag öffentlich blutig schlägt, so kann nur dann eine Einheit erzielt werden, wenn die eine Meinung übergeordnet gewertet wird. Das aber will Schirazi ganz offensichtlich verhindern. Noch deutlicher wird es bei seinen Fragen und Antworten zum Thema Wilayat-ul-Faqih.
http://imamshirazi.com/wilayat-ul-faqih.html
Auf die Frage, wer denn aktuell der amtieren Waliy-ul-Amr ist, antwortet er klipp und klar, dass wir Muslime derzeit so jemanden nicht hätten! Gleichzeitig besteht er darauf, dass eine Art Gruppe aller Maradscha die Leitung übernehmen sollte, erwähnt aber nicht, wie das gehen soll ohne Führung, insbesondere dann, wenn sich die Maradscha nicht einig sind. Geradezu absurd werden seine Vorstellungen, wenn es um Fragestellungen wie Krieg und Frieden geht. Denn er schlägt tatsächlich vor, dass in einer Ummah, in der es Hunderte von Maradscha gibt, solcherlei Entscheidungen stets als Mehrheitsentscheidung unter den Maradscha abzuwickeln wären und beruft sich darauf, dass Imam Ali solch ein Prinzip auch angewandt hätte, ohne irgendeinen Beweis diesbezüglich zu bringen. Letztendlich – wenn man es genau analysiert – läuft es immer darauf hinaus, dass Sadiq Schirazi die Stellung Imam Chamene’is nicht akzeptiert und selbst regieren will, ohne dass er den Rückhalt dazu in der Bevölkerung hätte, denn sonst wäre er ja problemlos in den Expertenrat des Irans gewählt worden, in dem die religiöse Führung bestimmt wird. Er akzeptiert das Votum des iranischen Volkes für ihre Führung nicht. Manche der Meinungen mögen auf seinen verstorbenen Bruder zurückzuführen sein, aber da sie allesamt auf seinen eigenen Seiten zu finden sind, können sie auch als seine Meinung angenommen werden.
Einer der Hauptgründe für die Ablehnung Imam Chamene’is (und vorher Imam Chomeinis) liegt in der Beurteilung der Islamischen Republik Iran. Gemäß der Schirazis (und da kennen wir keinen Unterschied zwischen den Brüdern oder deren Söhnen und Anhängern) ist die Islamische Republik Iran nicht einmal ansatzweise ein islamischer Staat und auch nicht der Versuch dazu im Anfangsstadium. Der Vorwurf des Massenmordes an Schiiten gegen Imam Chomeini zu richten, ist den Schirazis eigen. Weitere Vorwürfe reichen von der Anwendung der Todesstrafe gegen die für die USA arbeitenden Generäle des Schahs und heuchlerischen Gruppen bis hin zu dem Krieg gegen den Irak, den, nach Meinung der Schirazis, Imam Chomeini viel früher hätte beenden sollen. Dabei wird Imam Chomeini vorgeworfen, aus Sicht der Schirazis unnötigerweise „Millionen von Schiiten“ umgebracht zu haben, indem den Krieg „sinnlos weitergeführt“ habe. Derartige Aussagen werden im Internet mit der Originalstimme Sadiq Schirazis bzw. als Kommentar in seinen Büchern verbreitet. Das Schicksal der irakischen Schiiten, die dann unter einem stärkeren Saddam hätten noch viel mehr leiden müssen, geht in diese Betrachtung nicht mit ein. Auch findet sich kein einziges Wort bei den Schirazis zu den großartigen Persönlichkeiten im Irak, die dazu aufgerufen haben, sich mit Imam Chomeini zu verschmelzen. Faktisch stellt er sich damit auf die Seite der UN, der USA und Saddams, die allesamt von Imam Chomeini den Waffenstillstand ab dem Zeitpunkt eingefordert haben, als der Iran – entgegen den ursprünglichen Erwartungen – Oberhand gewann gegen den Aggressor. Es gibt sicherlich einige Gelehrte in unserer Zeit, die das Prinzip Wilayat-ul-Faqih nicht akzeptieren oder anders interpretieren als Imam Chomeini oder Imam Chamene’i, aber die Schirazis stehen mit ihrer extremen Ablehnung der Islamischen Republik Iran gepaart mit dem Vorwurf, Imam Chomeini hätte Massenmord zu verantworten und den Waffenstillstand viel früher eingehen sollen, ziemlich allein da.
Diese Unterschiede sollen hier nicht weiter bewertet werden. Sie müssen nur klar und deutlich dargelegt werden, damit niemand auf die Idee kommt, die Meinungen zwei diametral unterschiedlicher Betrachtungen könnten in Einklang gebracht werden. Es ist weder für eine Einzelperson noch für eine Vereinigung möglich sowohl Imam Chamene’i zu akzeptieren als auch die Schirazis! Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass dieses der wohl bestehende größte Extremfall des Widerspruches innerhalb der aktuellen Schia ist. Andere Gelehrte, die im teilweisen Widerspruch zu Imam Chamene’i stehen, können sicherlich in Einklang gebracht werden, da die Unterschiede nicht derart grundsätzlicher Art sind.
Mit diesem dritten Teil soll die kleine Serie über Sadiq Schirazi als aktueller Kopf der Schirazis enden. Die Unterschiede zwischen den Schirazis und anderen Gruppen dürften hinreichend vermittelt worden sein inschaallah. Jeder ist frei, sich selbst ein weitergehendes Bild zu machen. Auch verbinde ich das Ende dieser Kurzreihe mit der Hoffnung, dass nunmehr klar geworden ist warum die Schizrazis so viel Hass gegen Imam Chomeini, Imam Chamene’i, Mystiker, Sufis, Sunniten und viele andere mehr hegen. Jeder kann frei entscheiden, ob er diese oder jene Gruppe für seine eigene Entwicklung auf dem Weg zur Liebe Gottes als Vorbild bevorzugt. Er ist frei in seiner Wahl. Aber kein Muslim soll, nachdem er sich für die eine Seite entschieden hat, so tun, als wenn sie mit der anderen Seite vereinbar wäre. Die Schirazis sind offene Feinde der Sunniten wie auch der Schiiten auf dem Weg Imam Chamene’is, sowie vieler anderer Schiiten. So lange sie das offen darlegen, gibt es kein Potential für Konflikte. Sobald aber Heuchelei aufkommt, ist der Widerstand der Muslime meines Erachtens Pflicht. Damit endet die Kurzserie, möge sie inschaallah nützlich gewesen sein.
Weitere zukünftige geplante Betrachtungen zum Thema Mardschaiyya, Wahdat-ul-Wudschud oder Meistwissenheit werden nicht mehr auf eine Person oder Gruppe fokussiert. Angesichts der Reaktionen auf die veröffentlichten Texte scheinen derartige Vertiefungen nützlich inschaallah. Ich nutze die Gelegenheit und bedanke mich für alle konstruktive Kritik und Fragen, die hilfreich waren, die nächsten Texte besser auszuarbeiten.
Euer Bruder im Islam
yavuz