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Weltverbesserung beginnt bei Basics!

#1 von Yavuz Özoguz , 07.05.2015 14:42

Weltverbesserung beginnt bei Basics!

Wer die lebende Heiligkeit seiner Zeit erkennen will, muss zunächst die Heiligkeit in seinem eigenen Herzen freilegen.

Heiligkeit sucht nach Heiligkeit und findet sie auch. Sie sitzt im Herzen und sieht mit dem Auge des Herzens, vorausgesetzt, dass sie nicht durch den Sumpf von Sünden wie z.B. Hochmut und Stolz, Neid, Geiz, Habgier verbunden mit Wachstumswahn, Rachsucht und unkontrollierten Zorn, Triebhaftigkeit, Maßlosigkeit, Trägheit und Ähnlichem davon abgehalten wird, die vorbildhafte Heiligkeit zu finden. Manche Menschen denken, wenn sie obige Sünden hören, dass sie – wenn überhaupt – nur von wenigen betroffen sind und die meisten im Griff hätten. Sie denken bei Triebhaftigkeit an Ehebruch und bei Maßlosigkeit an extremes Übergewicht oder Millionärshaushalte. Sie denken bei Rachsucht an Blutrache und bei Geiz an Menschen, die niemals spenden. Sie denken bei Hochmut an die arrogantesten Typen, die sie kennen und bei Trägheit an Menschen, die 24 Stunden auf der Liege verbringen, davon die meisten Zeit vor dem Fernseher. Kurz: Sie denken an Menschen, die sie selbst nicht sind! Denn welcher halbwegs anständige Muslim, Christ, Jude oder Andersgläubige, welcher halbwegs anständige Mensch, der sich für Gerechtigkeit auf Erden einsetzt – selbst wenn er glaubt nicht an Gott zu glauben – wäre von solchen unmenschlichen Dingen betroffen? Doch genau dieser Tunnelblick ist es, der vielen Menschen den Weg versperrt, das eigentliche Potential der Liebe in seinem Herzen zu entfalten.

Obige Sünden betreffen viele von uns, und jeder beginne bei sich selbst. Es ist dabei von großer Bedeutung einen Blick in das Leben von wirklichen Heiligkeiten zu werfen, die in unserer Zeit leben oder gelebt haben, um zu verstehen, wo die Selbsterziehung beginnt! Am Beispiel Imam Chomeinis und seinen Umgang mit Wasser kann die Thematik sehr leicht vertieft werden. Wenn Imam Chomeini – Gott heilige seine Seele – sich ein Glas Wasser eingeschenkt hat, dann hat er es entweder ausgetrunken oder den Rest aufbewahrt. Das bedeutet: Falls er es nicht ausgetrunken hat (weil er nur begrenzt Durst hatte), dann hat er einen Deckel auf das Glas getan und den Rest ein anderes Mal ausgetrunken. Genau so sparsam war er bei seinen rituellen Waschungen. Er brauchte dafür immer nur ein Minimum an Wasser. Nie ging er verschwenderisch damit um.

Das Beispiel erscheint absurd angesichts des Wasserverbrauchs eines Deutschen, der durchschnittlich ca. 120 Liter Wasser am Tag verbraucht. Was machen da schon 0,1 Liter oder noch weniger aus? Aber die Selbsterziehung beginnt bei jedem Cent, bei jedem Liter Trinkwasser, bei jedem Tropfen Dankbarkeit! Spürt der Trinkende die Dankbarkeit bei jedem Schluck? Mag sein, dass auf seiner Toilette jede Spülung 5-10 Liter Wasser verbraucht. Mag auch sein, dass seine Möglichkeiten keine Wassereinsparung in diesem Bereich bei Einhaltung der Hygiene ermöglicht, weil er die finanziellen Mittel nicht hat. Aber die 0,1 Liter Wasser, die er nicht getrunken hat, kann er problemlos einsparen. Das kann jeder! Und es ist nicht eine Frage der Menge, sondern eine Frage der Selbsterziehung! Natürlich sieht er, wie bei einer Tagung, bei einem Treffen usw. Dutzende Liter nicht getrunkener Getränke weggekippt werden müssen; allein schon aus hygienischen Gründen. Aber das alles darf keine Ausrede für ihn sein, seine 0,1 Liter, die er im Glas nicht ausgetrunken hat, wegzukippen. Es geht um die Bewusstseinsbildung, um die Heiligkeit im eigenen Herzen. Auch eine sachliche Überlegung kann helfen, die Selbsterziehung zu verfeinern. Nehmen wir einmal an, dass jeder Erdenmensch pro Tag 0,1 Liter unnötig wegkippen würde (in vielen Regionen der Welt werden die Menschen das bestimmt nicht tun!), dann würden bei 8 Milliarden Menschen pro Tag 800 Millionen Liter Wasser vergeudet werden. Das entspricht fast dem Wasserverbrauch von ganz Deutschland, und Deutschland gehört zu den Ländern, die sehr viel Wasser verbrauchen. Wollten wir eine Gerechtigkeit bezüglich Wasserverbrauchs auf Erden anstreben, dann müssten wir z.B. berücksichtigen, dass der durchschnittliche Inder nur 25 Liter pro Tag zur Verfügung hat. Ein sich wirklich selbst erziehender Mensch geht anders mit Wasser um. Und Wasser steht stellvertretend für so viele Lebensbereiche!

Die Selbsterziehung kann weiter fortgesetzt werden im Bereich der Lebensmittelkonsums. Hier geht es nicht nur darum, dass die Speise halal ist; das wird ohnehin vorausgesetzt. Es geht auch hier um Verschwendung und Maßlosigkeit. Wie kann es sein, dass man ein Essen, nur weil es ein zweites Mal aufgewärmt wird, nicht mehr mag? Soll es weggeschmissen werden? Wie kann es sein, dass man bei Veranstaltungen die angebotene Speise verschmäht und dann „draußen“ Pommes kauft? Was ist das für eine Einstellung? Warum sollte man einen Reis, weil er ein einziges Mal im ganzen Jahr einen Hauch von Angebranntheit erahnen lässt, nicht essen, was durch extremen Stress an jenem Tag der sonst hervorragenden Köchin entstanden ist? Was ist mit uns los, dass wir solche Gedanken überhaupt zulassen? Wo ist die Dankbarkeit? Menschen, die der Heiligkeit in ihrem Herzen die freie Entfaltung zulassen wollen, erziehen sich so, dass sie die mehrfach aufgewärmte Speise noch mehr mögen, als die frische! Wissen sie denn nicht, dass die Propheten (a.) bei jeder Speise dankbar waren? Kann man sich einen echten Propheten vorstellen, der seine Ehefrau dazu nötigt, die Reste allein zu essen?

Und wie ist es mit dem Schlafen? Als Prophet Jesus (a.) einstmals sich einen harten Stein als Kopfkissen genommen hatte, während er auf dem harten Boden schlief, hat ihn der Teufel damit aufgezogen, so dass Jesus den Stein auf den Teufel, den Gesteinigten, geworfen hat. Wir müssen nur ganz selten auf dem Boden schlafen. Jeder von uns hat seine gemütliche Matratze und sein gemütliches Kopfkissen. Aber wie ist es, wenn wir bei einer Tagung auf dem Boden liegen müssen mit unserem Schlafsack? Können wir das noch? Oder sind wir so sehr an den Komfort gewöhnt, dass wir dann gar nicht mehr schlafen können? Haben wir unseren Körper so sehr an die Gemütlichkeit dieser Welt gewöhnt, dass sie diese Welt nicht mehr freiwillig verlassen will und gar nicht mehr erkennen kann, was wahre Schönheit ist? Und können wir überhaupt noch nachvollziehen, wie es den wirklich Armen in dieser Welt ergeht, wenn wir nicht einmal zwei Nächte im Jahr auf dem Boden schlafen können?

Bei den anderen Themen verhält es sich ähnlich! Selbstverständlich wird doch ein halbwegs anständiger Mensch keinen Ehebruch begehen, das ist doch außerhalb jeglicher Vorstellungskraft. Aber wie ist es mit den Gedanken und den Blicken? Hat man diese auch unter Kontrolle? Oder schweift der Blick zuweilen ab und führt der Gedanke zuweilen Sündiges vor Augen, das die Heiligkeit im eigenen Herzen verdunkelt? Ist zumindest eine gewisse Scham vorhanden, wenn man es bemerkt?

Neid ist doch nicht allein Neid, wenn man das Vermögen von Multimillionären neidet. Es ist auch dann Neid, wenn man bei jemand anderem etwas entdeckt, was man selbst lieber für sich haben würde als bei demjenigen, bei dem man es entdeckt hat. Doch woher rührt der Gedanke, dass es einem zustehen würde? Woher kommt der Irrglaube, dass es einen näher zur Liebe Gottes bringen würde?

Geiz bedeutet doch nicht, dass man gar nicht mehr spendet. Aber spendet nicht jeder an Hunger leidende Mensch in einer armen Zone mehr als wir, wenn er nur ein einziges Reiskorn seinem Nachbarn gibt? Was geben wir? Und wie geben wir es? Freuen wir uns, wenn wir geben können? Oder aber ist es immer mit einem gewissen Verlustgefühl verbunden? Fühlen wir uns reicher, wenn wir geben, oder ärmer? Und ist nicht allein schon derjenige Versorger seines Heims ein Geizkragen, wenn er seiner Ehefrau, die sich mit Heim und Kindern abschuftet nicht mindestens einen gerechten Anteil am eigenen Überschuss zur freien Verfügung zukommen lässt? Was lehr der Islam diesbezüglich?

Und woher kommt die Trägheit? Hängt sie mit den Sünden zusammen, die wir begehen, z.B. mit der Völlerei, die einfach nicht satt wird, weil wir immer nur das allerbeste Essen auf dem Tisch haben und uns daran nicht satt essen können, weil es so gut schmeckt? Und Rachsucht drückt sich doch nicht nur in der so schändlichen und verbrecherischen Blutrache aus, sondern allein die Tatsache, dass man nach Jahren noch an die geringe Verfehlung eines Menschen denkt ist doch bereits eine Sucht, die der Liebe im Herzen entgegensteht.

Am Schlimmsten ist der Hochmut, selbst wenn er nicht direkt außen sichtbar sein sollte. Allein der Gedanke, dass man selbst „besser“ sei, ist bereits die Ursünde und Ursache für alle anderen Sünden. Was bewegt den Hochmütigen dazu zu glauben, seine Arbeit wäre irgendetwas „Besseres“, weil er sich mehrere Stunden am Tag für „Islam“ einsetzt (oder zumindest glaubst es zu tun), als die Arbeit der Putzfrau, die 12 Stunden am Tag mit überstunden dafür schuftet um als Alleinerziehende ihre Kinder halal zu versorgen?! Du glaubst, dass Du die Welt veränderst, während jene Putzfrau niemandem diene? Du täuschst Dich! Sie läuft nicht Gefahr sich mit ihrer Arbeit hochmütig zu fühlen. Sie hat keinen falschen Stolz. Sie bewundert Deine Arbeit und ist dankbar auch über Deinen Einsatz, dass sie bei aller Mühe ihre Kinder versorgen kann. Wo aber ist Deine Dankbarkeit über ihre Arbeit? Siehst Du nicht, dass Du mit Deinem Hochmut die Heiligkeit in Deinem eigenen Herzen zerstörst, während sie die Heiligkeit in ihrem Herzen prächtig gedeihen lässt, wovon ihre Kinder reichlich profitieren werden!? Sie kann die Welt mehr retten als Du!

Wer die Welt verändern will, muss bei sich selbst beginnen. Es gibt keinen anderen Ansatz dazu! Gott braucht uns nicht, um die Welt zu verbessern. Der erwartete Erlöser bedarf nicht unseres Hilfe, damit er kommt und die Welt erlöst. Wir sind es, die Gott bedürfen und uns nach Erlösung sehnen. Dabei ist sie näher als unsere eigene Halsschlagader. Die Heiligkeit des Geistes Gottes strahlt in jedem Herzen eines jeden Menschen. In wie weit diese Strahlen nach außen dringen und die Welt erleuchten können, hängt von uns ab, von unserer Selbsterziehung. Ersetzen wir die teuflische „Selbstverwirklichung“ der materialistischen Gedankenwelt durch Selbsterziehung zur „Wirverwirklichung“, und das Licht wird immer heller strahlen – so Gott will.

Nachsatz: Während obige Gedanken – so Gott will – von vielen Menschen vieler Kulturen geteilt werden können, erlaube ich mir einen persönlichen Nachsatz an meine muslimischen Glaubensgeschwister. Wenn uns obige Selbsterziehung (nicht nur im Monat Ramadan) zunehmend gelingt, dann wird es uns in dieser Welt, in der die Pharaonen und andere Unterdrücker so offensichtlich erkennbar sind, nicht mehr so schwer fallen, die Heiligkeit unserer Zeit zu erkennen. Es ist stets das „Ich“, das diese Erkenntnis verhindert. Es ist das „Ich“, das hervortreten und stolz sein will. Es ist das „Ich“, dass die Heiligkeit im eigenen Herzen verdorren lässt und so die Heiligkeit der Zeit übersieht. Aber es ist das Wasser der Liebe, welches das „Ich“ überwinden lässt. Und daher sollte es auch niemals unnötig vergeudet werden.

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RE: Weltverbesserung beginnt bei Basics!

#2 von Dörte Donker , 07.05.2015 16:29

Sehr schöner Text, vielen Dank.
Ja wir sollten jeden Tag bei uns selbst anfangen.
Und vor allem sollte sich jeder bemühen, die Welt in seinem Unfeld ein wenig besser zu machen. Das alleine würde schon helfen.


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