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Wie deutsch darf ein Muslim sein?

#1 von Yavuz Özoguz , 19.02.2016 12:38

Wie deutsch darf ein Muslim sein?

Eine Gedenkschrift eines Muslims zum Jahrestag der Ermordung Sophie Scholls.

Viele eingebürgerten Muslime beschäftigen sich viel zu wenig mit der deutschen Geschichte. Dadurch können sie einerseits sich nicht mit den gebildeten Einheimischen gebührend über die identitätsbildende Historie dieses Landes unterhalten. Andererseits erwecken sie damit den Eindruck, als wenn der Islam eine „orientalische“ Religion wäre und jeder, der die Wahrheit des Islam annehmen möchte, ein Orientale werden müsste. Auf der anderen Seite „wehren“ sich konvertierte Muslime gegen eine derart falsche Vereinnahmung zuweilen mit äußerst merkwürdigen Mitteln. Manche verharmlosen die Verbrechen der rassistischen Nazis oder bejubeln sogar äußerst merkwürdige Gestalten der deutschen Geschichte. Andere stellen sich in der aktuellen Debatte um so genannte Flüchtlinge auf die Seite der heutigen Rassisten im Kleid von AFD und anderen Gruppen. Sicherlich stecken unter jenen Provokateuren einige V-Leute und/oder Agenten des Zionismus, die die Aufgabe haben, den Islam und die Muslime in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. Aber manche deutschstämmige Muslime, wie auch eingebürgerte Muslime schauen auf die eigene Geschichte mit einem durchaus merkwürdigen Blick, als wenn es die Nürnberger Rassegesetze nie gegeben hätte. Es fällt viel zu vielen schwer, die Geschichte und die Gegenwart differenziert zu beurteilen.

Nein! Die Deutschen waren und sind kein Tätervolk. Wer immer diese Begriff geprägt hat und heute noch versucht aufrecht zu erhalten, ist ein übler Rassist und versucht lediglich von Verbrechen unserer Zeit abzulenken und die Deutschen für immer zum Schweigen zu bringen, wenn es um aktuelles Unrecht geht. Die Deutschen sollen immer an der Seite der größten Verbrecherstatten unserer Zeit, dem westlichen kapitalistisch-imperialistischen Gebilde angeführt von den USA, Israel und Großbritannien ewige Treue schwören, seien die begangen Verbrechen noch so groß!

Aber auch Nein! Die Deutschen sind auch kein Engelvolk oder Opfervolk oder was auch immer. „Die Deutschen“ sind genau wie „die Türken“, „die Araber“, „die Iraner“, „die Russen“ usw. die Bezeichnung eines Kollektivs von Menschen, in denen sich große Verbrecher wie Heilige befunden haben. In diesen Kollektiven gab es Verbrechen und Nächstenliebe, Teufelsanbetung und Gottesehrfurcht. Je nachdem, welche Epoche man herausstreicht und auf welches Segment der Gesellschaft man blickt, kann man die eine oder andere Gruppe finden. Dazu ein Beispiel: „Die Iraner“ waren nicht alle immer eine Volk von Revolutionären, die sich schon immer für die Unterdrückten der Welt eingesetzt haben. Zuerst waren die Iraner berühmt dafür, keine Schiiten zu sein. Buchari, Fachri-Razi und viele Größen des sunnitischen Islams waren Iraner. Aber auch später, als die Schia dominierte, wollte kein Herrscher seine Macht mit dem erwarteten Erlöser teilen! Wenn wir heute in einer Epoche leben, in der wir die Früchte der Islamischen Revolution miterleben dürfen, so bedeutet das nicht, das alle Iraner Anhänger Imam Chamene’is sind. Ein zweites Beispiel: Die Briten waren ein sehr „erfolgreiches“ Kolonialregime. Sie sind hauptverantwortlich an der größten Hungersnot, die jemals den Iran heimgesucht hat, bei dem bis zu 10 Millionen Iraner verhungert sind. Ihre Massaker im ehemaligen Indien, die bis heute nachwirken wurden gar nicht mitgerechnet. Sind deshalb „die Briten“ ein Tätervolk?

Auch die Deutschen haben ihre Verbrecher und ihre Heiligen gehabt. Es gehört zu der Bildung eines jeden Deutschen, auch den Eingebürgerten, dass sie aus der Geschichte der Märtyrer eines Volkes lernen, und versuchen diese Identität hoch zu halten, denn jene Größen der Geschichte sind für alle Völker Vorbilder.

In drei Tagen jährt sich der Tag der Ermordung Sophie Scholls. Sophia Magdalena Scholl lebte zur Zeit der Nazis und hatte die Blüte ihrer Jugend während des Zweiten Weltkrieges (sie ist 1921 geboren). Sie wurde aufgrund ihres Engagements in der Widerstandsgruppe Weiße Rose hingerichtet. Doch wie kam es dazu? Eigentlich hat sie eine ganz normale Sozialisation als Deutsche und als Nazi-Mädchen vollzogen. Von der Mutter hatte sie zwar die christlichen Werte der Nächstenliebe erfahren, aber in der Umgebung stand das Christentum nicht mehr im Mittelpunkt. Sie trat in den Bund Deutscher Mädel ein und war von dem Gemeinschaftsritual der Nazis fasziniert. Bei ihrem Reichsarbeitsdienst fiel ihr im Frühjahr 1941 (sie war gerade 20 Jahre alt) eine Schrift vom Kirchenvaters Augustinus von Hippo in die Hand. Sie las dabei Sätze wie: „Suche nicht draußen! Kehre in dich selbst zurück! Im Innern des Menschen wohnt die Wahrheit.“ Im Ergebnis eines langen Denkprozesses schloss sie sich der Widerstandsgruppe Weiße Rose an.

Am 18. Februar 1943 wurde Sophie Scholl bei einer Flugblattaktion zusammen mit ihrem Bruder Hans in der Münchner Universität erwischt, am 22. Februar wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und am Abend des gleichen Tages hingerichtet. Aus den hinterlassenen Schriften kann man erkennen, wie sehr sie der Liebe des Schöpfers Nahe gekommen sein muss. Zu ihren berühmtem Zitaten gehören: „Ich merke, dass man mit dem Verstand wuchern kann, und dass die Seele dabei verhungern kann.“ „Das Gesetz ändert sich. Das Gewissen nicht.“ Vor einem Richter, von dem sie wusste, dass er ein Henker in Robe ist, sagte sie: „Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen.“ Und vor ihrer Hinrichtung sagte sie: „So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln.“

Wer sich aus einer gottesehrfürchtigen Überzeugung für die Wahrheit einsetzt, der rettet vor allem seine eigene Seele. Will jetzt ein deutscher Salafist kommen und dieser Frau ihren möglichen Paradiesplatz wegnehmen, weil er glaubt Ticketverkäufer für Paradiesplätze zu sein und jene Frau keine Muslima sei? Oder will jetzt ein deutschtümmeliger Muslim kommen und jenes deutsche Erbe mit heutigen Frauen vergleichen, die das gesamte Wesen der Menschlichkeit und Nächstenliebe der Deutschen wieder in die Ecke schieben will, die jedem Volk großen Schaden zugefügt hat?

Sophie Scholl hat auch eine Aussage von sich gegeben, die seit der Zeit der Propheten immer wieder von wahrheitsliebenden Menschen gesagt wurde und immer wieder zutraf: „Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen.“ Die Wahrheit ist immer aus blutigen Mündern geflossen. Und wer die Wahrheit ausspricht muss den Hass derjenigen ertragen, die letztendlich ihre eigene Seele hassen und durch Herumbrüllen versuchen sich Luft zu verschaffen.

Es gab viele solche gottesehrfürchtigen Helden in der deutschen Geschichte, auch in der Zeit der Nazis. Dietrich Bonhoeffer ist ein weiteres Beispiel. Obwohl alle Helden der Geschichte der Menschheit und Menschlichkeit so unterschiedliche Umgebungen hatten und unterschiedliche Erziehungen genossen haben, haben sie in bestimmten Grundaussagen immer das Gleiche gesagt: „Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn auch für unsere Kirche wieder Zeiten kommen werden, wo Märtyrerblut gefordert werden wird. Aber dieses Blut, wenn wir denn wirklich noch den Mut und die Ehre und die Treue haben, es zu vergießen, wird nicht so unschuldig und leuchtend sein wie jenes der ersten Zeugen. Auf unserem Blute läge große eigene Schuld: Die Schuld des unnützen Knechtes, der hinausgeworfen wird in die Finsternis.“

Was bedeutet eigentlich Muslim? Manche Muslime glauben, damit sie die Zugehörigkeit zu der Religion Islam gemeint, wie Christ nur jemand sein kann, der dem Christentum angehört. Aber „Muslim“ ist ein Derivat der Begriffe „Salam“ (Frieden) und „Taslim“ (Hingabe, Ergebenheit). Wenn ein Mensch versucht in dem Maß der Wahrheit hinzugeben, wie es ihm möglich ist, dann ist er ein „Muslim“, selbst wenn er bestimmte Aspekte der Wahrheit nicht kennt: Sprecht „Es gibt nichts Anbetungswürdiges außer Gott und werdet erlöst“.

Das deutsche Volk hat viele teuflische Gestalten gehabt und Hitler ist sicher nicht der Einzige. Aber genau so hat das Volk viele gottergebene Märtyrer gehabt. Das gilt heute noch.

In Deutschland gibt es Menschen, die völlig unabhängig von ihrer Blutsabstammung sich für die Heiligkeit unserer Zeit einsetzen und z.B. die Briefe Imam Chamene’is voller Freude verbreiten, wie einstmals die Weiße Rose ihre Flugblätter verteilt hat; auch gegen den Wunsch des herrschenden Imperiums, nur das die heutigen Aktivisten nicht einen Bruchteil der damaligen Konsequenzen fürchten müssen und es erlaubt ist, solche Flugblätter zu verteilen. Und es gibt wieder andere – deutschstämmige wie Migranten – die nicht nur die Briefe nicht verteilen wollen, sondern sich gegen die Heiligkeit der Zeit engagieren, gegen diejenigen, die ihn unterstützen und sich an die Seite von geistigen Brandstiftern stellen. Es gibt Muslime, die auch in Christen und Juden Mitstreiter im Kampf gegen das Unrecht in dieser Welt sehen und Muslime, die sogar dem Mitmuslim den Glauben absprechen. Sie alle sind Deutsche! Doch Deutschsein nütze einem nichts, wenn man zum Schöpfer allen Seins zurückkehrt, denn Wahrheit und Wahrhaftigkeit hat keine Nation.

Im Dezember 1944 verfasste Dietrich Bonhoeffer ein Gedicht, das bis heute jeder bewusste Christ kennt. Wenige Monate später wurde er hingerichtet. Vielleicht sollte auch jeder deutsche Muslim das Lied lernen:

1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

2. Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

4. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

5. Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Yavuz Özoguz  
Yavuz Özoguz
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Registriert am: 27.12.2011


   

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