Das Märchen über Demo, Repu und die Schuldenobergrenze
Es gab einmal ein Ehepaar, das über wundersame Fähigkeiten verfügte. Er hieß Demo und war ein Zauberer. Sie hieß Repu und war eine Hexe.
Eigentlich kannte sie jeder in ihrem Dorf. Sie waren das berühmteste, aufgeblasenste, unheimlichste, brutalste, arroganteste und verrückteste Paar im ganzen Dorf. Niemand mochte sie, aber jeder wollte mit ihnen zu tun haben, denn sie waren reich, sehr, sehr reich – zumindest glaubten das alle. Vor langen, langen Jahren hatten sie angefangen beim Bäcker mit Schuldscheinen zu bezahlen, auf denen ein komisches Auge auf einer Pyramide abgebildet war. Dieses Auge wirkte wie ein Zauber, so dass jeder diesen Schuldschein annahm und gar nicht danach fragte, ob das Ehepaar jenen Schuldschein jemals einlösen könnte. Der Bäcker hatte schon viele Schuldscheine bekommen, weil das unheimliche Paar sehr gerne und viel Süßigkeiten vernaschte. Der Ölhändler hatte viele von den Scheinen, da das Ehepaar sehr gerne mit Öl im Winter verschwenderisch heizte und viel Öl zum Spaß verbrannte. Der Gemüsehändler hatte viele Scheine, weil das Paar gerne seine Haustiere mit viel Gemüse fütterte. Aber auch der Schmied im Dorf, der Tischler, der Wagner, der Zimmermann und sogar die Bank hatte viele, viele Scheine von diesem Ehepaar erhalten.
Irgendwann hatte der Bäcker damit angefangen, auch mit jenen Scheinen bei dem Tischler zu bezahlen, wenn er einen neuen Tisch brauchte. Und der Tischler zahlte beim Schmied mit jenen Scheinen, als er neues Werkzeug brauchte. Und so bezahlte jeder bei jedem mit jenen schönen Scheinen mit jenem schönen Auge auf der Pyramide. Und die Bank gab jedem, der jene Scheine auf die Bank legte, nach einem Jahr einige Schein mehr zurück
Niemand bemerkte, dass er immer mehr bezahlen musste, um das Gleiche zu erhalten wie zuvor. Denn der Bürgermeister sagte, dass nichts teurer geworden ist. Dafür bekam er dann einige besondere Scheine von dem Ehepaar. Und was der Bürgermeister sagte, war wahr, selbst wenn es unwahr war. Niemand bemerkte, dass alle immer mehr arbeiten mussten, um sich versorgen zu können. Nur das reiche unheimliche Ehepaar musste immer weniger arbeiten. Sie produzierten nicht, sie arbeiteten nicht, sie halfen niemandem. Manchmal ärgerten sie sogar einen Nachbarn oder einen ferner wohnenden Bauern, indem sie ihnen etwas wegnahmen. Doch niemand traute sich, gegen das Ehepaar vorzugehen, denn sie waren ja so reich und arrogant und unheimlich. Und der Polizist im Dorf erhielt seinen Lohn nicht vom Bürgermeister, sondern von dem Ehepaar. Wie sollte er die festnehmen, die ihn bezahlten? Woher sollte er dann seinen Lohn erhalten? Das Ehepaar aber produzierte nichts außer diesen Scheinen!
Eines Tages fragte der Schmied den Gemüsehändler, ob denn jemals jemand danach gefragt hätte, wie denn jene Scheine entstanden sind. Er hatte ein Buch gelesen und war daher belesen. Und ein Belesener stellt manchmal dumme Fragen. Aber dies Frage durfte er nicht stellen, denn eine Katastrophe sollte das Dorf heimsuchen, weil der Belesen solch eine Frage gestellt hatte.
Die Katastrophe war deutlich zu hören. Plötzlich hörten alle aus dem Haus des Ehepaares ein unglaubliches Gekreische und einen fürchterlichen Geschrei. Es war ohrenbetäubend, wie der Donner des Blitzes. Ohne Zweifel, der Zauberer Demo und die Hexe Repu stritten sich sehr, sehr laut. Alle hatten nun Angst. Im Nu war das ganze Dorf und das Haus versammelt und versuchte zu horchen. Da hörten sie, wie Demo Repu anschrie und sagte, dass sie nie wieder bei dem Bäcker kaufen sollten, weil der nicht gut Backe. Oh, je! Wie sollte der Bäcker denn überleben, wenn er keine Scheine mehr erhalten würde. Und die Hexe Repu fauchte den Zauberer Demo an, dass sie nie wieder beim Ölhändler kaufen sollten, denn das Öl wäre viel zu teuer. Oh je, was sollte der Ölhändler denn machen, wenn sein verschwenderischster Kunde nicht mehr zu ihm kommen würde. Das Ehepaar hatte doch am Meisten bei ihm gekauft. Und so hörte jeder, wie sein Name fiel und dass bei ihm nicht mehr gekauft werden sollte und geriet in Angst und Schrecken. Alle hatten Angst, dass sie verhungern würden.
Dann stritten die beiden sich immer lauter und benutzen Zauberwörter und Hexereisprüche. Das Zauberwort hieß „Schuldenobergrenze“, die Hexerei hieß „Haushaltsdefizit“. Fast beschwörend riefen sich die beiden diese Zaubersprüche immer wieder zu. Und alle Zuhörer hatten sofort verstanden, dass die Schuldenobergrenze ein Zauberspruch war, der verhinderte, dass das Ehepaar weiter die so schönen Scheine verteilte. Und alle verstanden dass „Haushaltsdefizit“ ein Hexereispruch war, der immer lauter ausgerufen werden musste, ja sogar angebetet werden musste, damit die Schuldenobergrenze besiegt werden könnte.
Und so riefen der Bäcker und der Ölhändler, der Schmied und der Tischler, alle anwesenden aus dem Dorf riefen im Chor: „Wir wollen mehr Haushalsdefizit, wir wollen mehr Haushaltsdefizit!! Sie alle dachten, das sei ein Hexereispruch um die Zauberei „Schuldenobergrenze“ zu besiegen. Alle hofften inständig, dass das Ehepaar Repu und Demo ihren Streit irgendwann beilegen würden. Es ging tagelang und wochenlang so weiter. Am Ende hörten die Zaungäste, wie Demo und Repu sich in den Armen lagen und nach draußen riefen: Liebe Leute, macht euch keine Sorgen. Wir haben mit dem Hexereispruch „Haushaltsdefizit“ den Zauberspruch „Schuldenobergrenze“ besiegt. Es gibt vorerst keine „Schuldenobergrenze“ mehr. Der böse Zauber „Schuldenobergrenze“ wurde verjagt. Wir werden auch weiterhin kräftig bei Euch einkaufen.
Der belesene Schmied war so glücklich, dass er seine eigene Frage vergessen hatte. Alle waren glücklich, alle gingen nach Hause und feierten. Und so kauften Repu und Demo auch weiterhin bei allen ein. Und alle waren glücklich und zufrieden. Und wenn Repu und Demo noch nicht gestorben sind, dann werden sie auch weiterhin das gesamte Dorf ausrauben, ohne dass die das merken, denn Demo war kein echter Zauberer und Repu keine echte Hexe. Ihr ganzer Zauber und ihre ganze Hexerei bestanden darin, dass sie dem gesamten Dorf ihre wertlosen Scheine gegeben haben, um wertvolle Güter zu erhalten, und das gesamte Dorf darüber glücklich war.
Manche Märchen werden auch wahr und so rauben Demo und Repu heute noch!
Eines Tages aber werden alle maßgeblichen Köpfe des Kapitalismus als größte Verbrecher aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen! Und das ist sicherlich kein Märchen.