Bekenntnisreligion gegen Kulturreligion als Konfliktursache in Deutschland
Zweifelsohne hat der Konflikt der Westlichen Welt mit dem Islam bzw. gegen den Islam und die Muslime sehr viele Ursachen. Eine der Hauptursachen besteht unzweifelhaft darin, dass die Westliche Welt stets die Weltherrschaft angestrebt hat und die Befreiungstheologie des Islam dem entgegensteht. Aber man kann einem Teufel kaum vorwerfen teuflisch zu sein, so dass wir Muslime uns auch selbst fragen müssen, welche Faktoren mit dazu beitragen, dass viele gutherzige deutsche Bürger Probleme haben, die Faszination Islam zu erkennen.
Eines der Gründe, die in uns selbst und unserem gelebten Islam zu finden sind, heißt „Kulturreligion“. Eigentlich sind der Islam wie auch das Christentum Bekenntnisreligionen. Ein erwachsener Mensch setzt sich mit den Inhalten der Religion auseinander und verinnerlicht diese oder lehnt diese ab und sucht woanders nach der Wahrheit. Verinnerlicht er die Inhalte, und „bekennt“ er sich im vollen Bewusstsein und bei Kenntnis der Grundlage dazu, dann lebt er eine Bekenntnisreligion. Folgt er hingegen einer Religion nur deshalb, weil seine Eltern der Religion angehörten, dann ist das nur eine Kulturreligion. Tatsache ist, dass die allermeisten Menschen dieser Erde, unabhängig davon ob sie Christen, Muslime oder Andersgläubige sind, zumeist einer Kulturreligion angehören. Sie haben sich weder mit den Inhalten noch mit den Grundlagen ihres Glaubens im Detail beschäftigt, um sich im vollen Bewusstsein dazu zu bekennen. So gehören die meisten Christen in Deutschland zu einer Art Kulturreligion Christentum an. Ein bekennender Christ würde sich genau so von Weihnachtmännern, Tannenbäumen und Osterhasen irritiert fühlen, wie es für einen bekennenden Muslim merkwürdig wirkt. Ein bekennender Christ würde Christi Himmelfahrt nicht als kollektiven Besäufnistag missbrauchen und wüsste, dass Pfingsten mit dem Geist Gottes zusammenhängt. Er würde erst dann mit seiner Ehefrau zusammenziehen, wenn sie verheiratet sind und würde sich für die armen und unterdrückten Menschen in der Welt engagieren.
Aber wie viele Menschen sind schon in Deutschland bekennende Christen? Sie sind eine verschwindende Minderheit! Vor allem aber hätten sie weder Angst vor dem Islam noch vor Muslimen. Sie würden nicht gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ demonstrieren, weil sie fest davon überzeugt sind, dass die Ursache für einen Glaubensverlust nicht in den Muslimen liegt, sondern in der Abwendung der Christen selbst von ihrer eigenen Religion zu einer Art Kulturreligion. Da bekennende Christen davon überzeugt sind, die Wahrheit anzustreben, kann sie auch keine in ihren Augen Falschheit erschüttern. Sie sind Menschen, von deren Anstand und Aufrichtigkeit jede Gesellschaft profitieren könnte, aber es gibt sie viel zu wenig. Ergänzend sei an dieser Stelle gesagt, dass nicht etwa fanatisierende Evangelikale zu den bekennenden Christen zu zählen sind, da sie meist nur rassistische Heuchler im missbrauchten Gewand des Christentums sind.
Doch wie ist es bei den Muslimen in Deutschland? Sind sie Muslime, weil sie sich im vollen Bewusstsein zum Islam bekennen? Haben sie den Islam und die Grundlagen derart vertieft studiert, dass sie voller Überzeugung sagen können, dass sie an die vom Islam vermittelte Wahrheit glauben, weil sie fest davon überzeugt sind. Oder sind sie Muslime „nur“ weil ihre Eltern Muslime waren? Gehören sie z.B. eine Rechtsschule im Islam an, die sie ganz bewusst gewählt haben und für authentischer als die anderen bestehenden Rechtschulen ansehen, oder gehören sie der Rechtsschule an, die ihre Eltern befolgt haben? Kennen sie überhaupt die Unterschiede? Und kennen sie die Unterschiede zu den anderen Religionen? Ein bekennender Katholik glaubt z.B., dass Jesus Gottes „Sohn“ ist, wobei allerdings es durchaus möglich ist, dass jeder Mensch „Kind“ Gottes wird. Ein bekennender Schiit glaubt, dass es keinen Unterschied zwischen Gott und seinem Propheten Jesus gibt, außer dass der eine Schöpfer und der andere Geschöpf ist. Aber jeder Atemzug Jesu erfolgte im Namen Gottes. Sind die Unterschiede wirklich so groß?
Ein bekennender Muslim ist fest von den Grundlagen des Islam überzeugt und hat keinerlei Angst von anderen Glaubensrichtungen, da er ja stets die Wahrheit anstrebt. Er richtet sein Leben und das Leben seiner Gemeinde so aus, wie es nach seiner Vorstellung der Prophet und die besten Menschen getan hätten, würden sie heute und hier leben. Aber entspricht das der von Nichtmuslimen wahrgenommenen Glaubenspraxis der Muslime in Deutschland?
Da geht z.B. ein nichtmuslimischer Deutscher völlig vorurteilsfrei in eine Moschee und sieht noch vor dem Eingang zwei Flaggenmasten. An einem Flaggenmast hängt die deutsche Flagge und an der anderen die türkische. Die deutsche Flagge versteht er als Hinweis darauf, dass jene Moschee sich im Land integrieren will und freut sich. Aber was bedeutet die türkische Flagge? Ist der Islam eine türkische Religion? Und falls er sich für den Islam interessieren würde, müsste er dann „Türke“ werden? Das verwirrt ihn. Dann kommt er zum Eingangsportal an dem z.B. „Fatih-Moschee“ steht. Wer war denn dieser Fatih? War das ein großer Gefährte des Propheten des Islam? Er fragt neugierig nach und erfährt, dass es sich um Fatih Sultan Mehmet handelt, der Konstantinopel erobert hat. „Fatih“ ist sein Titel und bedeutet „Eroberer“. Nun fragt sich der deutsche Nichtmuslim, warum ihn eine Moschee anziehen sollte, die damit wirbt, dass ein Sultan die Hauptstadt des damaligen Christentums erobert hat!? Jener Sultan hat allerdings nicht nur das spätere Istanbul erobert sondern auch als erster Herrscher unter den Osmanen den sogenannten Brudermord eingeführt und gesetzlich legitimiert! Im Osmanischen Reich war der Brudermord beim Amtsantritt eines neuen Herrschers im Zeitraum 15. bis 17. Jh. n.Chr. durchaus üblich, wobei selbst unschuldige Kleinstkinder ermordet wurden. Jener „Fatih“ hat seinen Nachkommen ausdrücklich den Brudermord erlaubt, wenn es die "Ordnung der Welt" erfordere. Was hatte das mit Islam zu tun? Und wissen die Betreiber dieser Moschee das? Warum also sollte ein deutscher Nichtmuslim ausgerechnet von solch einer Moschee angezogen werden? Noch kurioser wird es z.B. wenn eine Moschee „Mehmet Akif Ersoy Moschee“ heißt. Jener Mehmet Akif Ersoy war der Dichter der türkischen Nationalhymne. Außerhalb der Türkei kennt ihn kein Muslim! Handelt es sich also um eine rein „türkische“ Moschee, oder ist es möglicherweise eher ein türkischer Kulturverein unter dem Dach einer Moschee? In solche einer Moschee wir nicht in deutscher Sprache zur Wahrheit eingeladen, sondern in türkischer Sprache die „ferne“ Heimat nachgelebt. Hätte der Prophet des Islam in Deutschland türkisch gesprochen? Solch eine Moschee ist zumeist von Anhängern einer Kulturreligion gebaut und nicht von Anhängern einer Bekenntnisreligion.
Und solch eine Moschee stößt dann auf die Vorbehalte der Deutschen, die ebenfalls einer Kulturreligion angehören, einer Art deutschen Christentumwirrwarr. In jener Kultur ist die türkische Variante des Islam nicht vorgesehen. Richtig spannend wird es, wenn z.B. orthodoxe Christen aus dem Morgenland ihre Enklaven in Deutschland aufbauen. Zwar gehören sie vordergründig der gleichen Religion an, der die meisten Deutschen angehören, aber da beide ja keine Bekenntnisreligion verfolgen, sondern zumeist eine Kulturreligion, gibt es eben doch Unterschiede zwischen den Christen unterschiedlicher Herkunft. Kulturgläubige haben entweder extreme Vorbehalte gegen andere Kulturgläubige oder aber neigen zum anderen Extrem und propagieren Mulitikulti; aber eben nicht Multireli! Die Kulturreligion des Islam kann nicht nur kaum Deutsche zur Wahrheit einladen, es gelingt ihr nicht einmal sich mit den anderen Muslimen zu vereinigen. Bis heute können die drei großen türkischstämmigen Dachverbände des Islam in Deutschland keine vernünftige Einheit aufbauen, damit sie als Religionsgemeinschaft – und nicht als Kulturvereine – wahrgenommen werden. Und selbst auf den unteren Ebenen der Moscheen fällt die Kooperation immer noch viel zu schwer, da eine libanesische Moschee Libanesisch spricht und eine türkische Türkisch. Auf die Idee, dass in unserer gemeinsamen Heimat Deutschland alles in Deutsch zu realisieren ist (bis auf die obligatorischen arabischsprachigen Kernriten) kommen nur die wenigsten Gemeinden. Auch sind die wenigsten Gemeinden überhaupt darauf vorbereitet, den Islam als Wahrheit an Nichtmuslime zu vermitteln.
Kulturreligiöse stoßen auf Vorbehalte in einer anderen Kultur. Der kulturelle Deutsche ist z.B. vom Kopftuch zumindest irritiert; die bekennende Nonne bestimmt nicht! Viele kulturelle Deutsche bestehen auf ihren regelmäßigen Bier und ihrem Schweinefleisch, völlig unabhängig von irgendwelchen wissenschaftlichen oder religiösen Argumenten. Aber der bekennende Christ würde nie Gefahr laufen, alkoholabhängig zu werden und würde ohnehin nur wenig Fleisch konsumieren. Der kulturelle Deutsche schmückt seinen Tannenbaum; interessanterweise etwas, was manche kulturelle Muslime nachahmen! Der bekennende Christ gedenkt zu Weihnachten Jesu und freut sich über die Glückwünsche, die ihm sein bekennender muslimischer Nachbar übermittelt. Der kulturelle Deutsche sieht sein „Deutschsein“ gefährdet durch zu viele Ausländer. Für einen bekennenden Christen gibt es gar keine Ausländer und Inländer, wie es diese auch für einen bekennenden Muslim nicht gibt.
Derartige Auflistungen ließen sich sehr lange fortsetzen und es käme immer wieder das gleiche Ergebnis heraus. Bekennende Muslime und Christen in Deutschland würden in größtmöglichem Frieden miteinander und füreinander leben. Kulturreligiöse stoßen immer wieder auf die Konflikte kultureller Grenzen, deren Verlauf sie weder verstehen noch erklären können. Wer nach Wahrheit sucht, der versucht ein Bekenntnis zu leben. Wer aber gefangener einer Kultur ist, in die er geboren wurde, verschenkt die Freiheit, die ihm sein Schöpfer geschenkt hat, um im Rahmen dieser Freiheit die höchstmögliche Stufe der Liebe zu erlangen.
Dazu heißt es im Heilligen Qur’an: „Und wenn ihnen gesagt wird: „Folgt dem, was Allah herabgesandt hat“, sagen sie: „Nein! Vielmehr folgen wir dem, worin wir unsere Väter vorgefunden haben.“ Was denn, auch wenn ihre Väter nichts begriffen und nicht rechtgeleitet waren?“ (2:170) Im Kontext des vorliegenden Artikels werden die Menschen aufgefordert sich zur Wahrheit zu bekennen, aber viele Menschen antworten, dass sie sich lieber zu der Kultur bekennen wollen, die ihnen durch ihre Vorfahren vorgegeben ist, völlig unabhängig davon, in welche Richtung sie führt.
Bekennende Muslime in Deutschland haben insbesondere seit dem historischen Brief Imam Chamene’is an die Jugend in Nordamerika und Europa die besondere Gelegenheit, ihr Bekenntnis intensiver als je zuvor vorzuleben und die künstlichen Schranken kultureller Hindernisse abzubauen. Bekennende Christen im Land haben die Chance in einem wahrhaftigen und ehrlichen Dialog zu erkennen, dass die Unterschiede zwischen den Bekenntnissen sehr gering sind und man sich gegenseitig bereichern kann.
Was hier bezüglich Kulturreligion und Bekenntnisreligion angedeutet wurde, kann auch auf andere Lebensbereiche ausgeweitet werden. Wir sollten aufhören die „Kultur“ des Kapitalismus weiter anzubeten, wenn doch jeder Verstand verdeutlicht, dass jene „Kultur“ in den Abgrund der Menschheit führt. Stattdessen sollten wir uns zu echten Werten bekennen, die kulturübergreifend sind, wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung. Das genau lehrt der wahre Islam und ein bekennender Muslim muss mit Leib uns Seele versuchen, das Ideal vorzuleben. Der Weg ist das Ziel.