Liebe Freunde des Muslim-Marktes !
Hier ist die Einschätzung vieler Friedensfreunde aus Deutschland und anderer Ländern, zusammengetragen in Belgrad, der Hauptstadt des ehemaligen Jugoslawien, durch den ehemaligen jugoslawischen Außenminister Zivadin Jovanovic auf dem Belgrader Forum für eine Welt der Gleichen im November 2015:
SICHERHEIT – GESCHICHTE UND HERAUSFORDERUNGEN
Vereinigen gegen den Terrorismus aber – unter dem Schirm der UNO.
Terrorismus – gegen die Wurzeln angehen.
von Zivadin Jovanovic, Belgrader Forum für eine Welt der Gleichen
Sicherheit und Stabilität in Europa sind nicht zu trennen von Sicherheit und Stabilität in den umgebenden Regionen und in der Welt. Deshalb kann die Zukunft von Frieden und Stabilität in Europa nicht richtig wahrgenommen werden, wenn das nicht eng verbunden ist mit Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten, in Asien, Nordafrika (Maghreb) und Afrika als Ganzem.
Leider ist die Welt heute mit wachsenden Gefahren und Bedrohungen für Sicherheit und Stabilität konfrontiert. Gegenseitige Achtung und Vertrauen unter den Mächten sind in einer tiefen Krise. Einige Mächte nehmen für sich in Anspruch, von der nach dem II. Weltkrieg etablierten und entwickelten Rechtsordnung ausgenommen zu sein. Wann immer das Gesetz ihrer imperialen Expansion im Wege steht, ignorieren sie es einfach, beseitigen sie es und halten sich an die Regel – Macht ist Recht! Die Machtzentren maßen sich die Rollen des Obersten Schiedsrichters und gleichzeitig auch des Vollstreckers an und intervenieren militärisch in der ganzen Welt. Verletzungen der Grundprinzipien des Völkerrechts wie der UNO-Charta und dem Schlussdokument von Helsinki und die Umgehung der Autorität des UNO-Sicherheitsrates sind seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Tagesordnung. Hier sei daran erinnert, dass Serbien (FRJ) das erste europäische Opfer einer unprovozierten und illegalen NATO-Aggression im Jahre 1999 war. Das wurde dann zu einer Blaupause für die folgenden Aggressionen und militärischen Interventionen in Afghanistan, Irak, Somalia, Libyen, Jemen, Mali, Syrien… Wir müssen uns fragen, was diese Aggressionen den Völkern auf dem Balkan, in Europa, dem Nahen Osten, dem Maghreb, Afrika gebracht haben…? Und der Welt? Der UNO und OSZE? Der internationalen Rechtsordnung? Wer profitiert von der Zerstückelung lebensfähiger Staaten, von nationalen, Spaltungen nach Stämmen und Religionen, von Chaos mit Hunderttausenden Toten, Millionen von Flüchtlingen, Vertriebenen, Emigranten…? Wer waren (sind) diese Führer, die Herren unseres Schicksals, die "unabhängigen" Denker, Philosophen, Journalisten, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im allgemeinen, die glaub(t)en, dass die Beteiligung an, oder öffentliche Verteidigung und Rechtfertigung von, militärischen Aggressionen, illegalen Regimeänderungen und Destabilisierungen souveräner Staaten der richtige Weg sei, um die Menschenrechte zu stärken, um Demokratie, Freiheit und Wohlstand zu bringen?
Nach dem ersten Krieg der NATO auf europäischem Boden seit den Abkommen von Jalta und Potsdam haben wir eine Neuauflage der alten Strategie des "Dranges nach Osten" erlebt, namentlich das Entstehen von NATO-Militärbasen in Richtung von Russlands Grenzen.
Als Europa 1999 an der Aggression der NATO teilnahm, beteiligte es sich am Krieg gegen sich selbst, gegen die eigene Stabilität. Mehr noch: Das war ein Wendepunkt, der die Mitgliedsländer der NATO/EU dazu brachte, sich an vielen anderen imperialen Kriegen und Regimeänderungen zu beteiligen. Europa beteiligte sich an der Destabilisierung der Ukraine und an Sanktionen, scheinbar gegen Russland, in Wirklichkeit aber gegen seine eigenen Interessen.
Europa kann nicht von der Verantwortung für Zerstörungen in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien freigesprochen werden. Der beispiellose Strom von Flüchtlingen und Emigranten, der auf dem Kontinent einen Ausnahmezustand hervorgerufen hat, ist dem Fehlen von Verantwortung, Vision und Staatskunst der Führenden von EU(NATO) geschuldet.
Heute leidet Europa an den Folgen der eigenen schrecklichen Fehler, des riskanten Spiels mit dem Feuer. Der Grad an Egoismus und mangelnder Bereitschaft der Führung der EU, wenn es um das Erkennen der wirklichen Ursachen des Problems geht, und darum, sich mit den Wurzeln zu befassen, nicht nur mit den Folgen, ist erstaunlich und verspricht kein positives Ergebnis. Der enorme Strom von Einwanderern ist sicher nicht nur ein humanitäres, soziales und ökonomisches Problem. Er ist auch ein Sicherheitsproblem. Trotzdem kann man dieses Problem nicht lösen, indem man neue Mauern baut, massive polizeiliche und militärische Grenzkontrollen einführt, Flüchtlingszentren einrichtet wie die Konzentrationslager des 21. Jahrhundert, und erst recht nicht, wenn man sich auf die Prinzipien von Dublin beruft, oder die sog. Rückführungs-Vereinbarungen, eine Art Deportationsmodell des 21. Jahrhunderts.
Gerade jetzt trauert die Weltöffentlichkeit um die Opfer der terroristischen Angriffe in Paris. Während aus allen Ecken der Welt aufrichtige Bekundungen der Solidarität mit den betroffenen Familien und der ganzen französischen Nation kommen, liegt in der ganzen Atmosphäre ein Gefühl der Ungewissheit, Unsicherheit und Angst, wer wohl der nächste sein mag. Zweifellos ist der Terrorismus eine universelle, äußerst ernste Bedrohung der Sicherheit, Stabilität und Zusammenarbeit – in Europa und der ganzen Welt. Trotz all der verschiedenen Aktionen und "Erfolge" im Kampf gegen den Terrorismus ist er nicht kleiner geworden, im Gegenteil, er wächst immer schneller. Spektakuläre Militäraktionen gegen den internationalen Terrorismus nach 2001 haben wohl einige Terroristenführer getötet, vielleicht auch einige Hauptquartiere von Terroristen zerstört, aber sie haben nichts gegen die Ideologie und den Wurzeln des Übels bewirkt.
Aufrufe, die Welt im Kampf gegen den Terrorismus zu einigen, sind logisch, willkommen und notwendig. Ernsthaft und verantwortungsvoll zu handeln bedeutet in unserer Sicht, sich unter der Autorität der UNO, d.h. des Sicherheitsrates, zusammenzuschließen. Weiterhin erfordert das, zu einem Konsensus zu kommen hinsichtlich der Definitionen von Terrorismus, Terroristen und terroristischen Akten, und zwar so, dass es bei Terrorismus und Terroristen nicht um "gut" und "böse", "mein" und "dein" geht. Herangehensweisen eines Doppelstandards und Ausnutzung des Kampfes gegen den Terrorismus für die Förderung egoistischer oder geopolitischer Zielstellungen müssen ausgeschlossen werden. Kampf gegen den Terrorismus umfasst entsprechende militärische Mittel, effiziente Behandlung und Bestrafung der Terroristen. Was aber bisher gefehlt hat, das ist ein Verstehen des Problems, des tiefe Wurzeln hat und sehr alt ist. Es hat politische, sozial-ökonomische und religiöse Wurzeln. Um die Ursachen zu beseitigen, ist es meiner Meinung nach notwendig, zu folgendem zurückzukehren:
• Verhandlungen, friedliche, politische, auf Kompromissen aufbauende Lösung aller Probleme, unter Respektierung der legitimen Interessen aller beteiligten Seiten, ohne Vorurteile und Doppelstandards, sei das in Afghanistan, Syrien, Libyen oder irgendeinem anderen Land;
• Einstellung der Finanzierung, Ausbildung und Bewaffnung terroristischer Gruppen und Organisationen;
• Gleiche, universelle Standards bei Terrorismus und Terroristen;
• Respektierung solcher Grundprinzipien internationaler Beziehungen wie Wahlfreiheit in der Innen- und Außenpolitik, Souveränität und territoriale Integrität, einschließlich Respektierung der Souveränität über natürliche und ökonomische Ressourcen eines jeden Landes;
• Sozial-ökonomische Entwicklung der Ursprungsländer von Terrorismus und Emigration, einschließlich Pläne für den Wiederaufbau, für Bildung und Beschäftigung für die junge Generation, vor allem in Regionen, die von Kriegen verwüstet sind (Naher Osten, Maghreb, Sub - Sahara).
Wäre es nicht an der Zeit, eine Weltkonferenz der UNO über den Kampf gegen den Terrorismus einzuberufen, mit dem Ziel, Organisation, Mandat und Zeitplan für die Annahme einer Weltkonvention über den Terrorismus aufzustellen?
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Ende November, ist die serbische Hauptstadt Belgrad Austragungsort der Wissenschaftlichen Internationalen Konferenz
"Jalta, Potsdam, Helsinki, Belgrad: auf der Suche nach einer Sicherheitsordnung".
Die Zusammenkunft von Wissenschaftlern, Diplomaten, Politikern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von etwa 60 Ländern aus Europa und der Welt ist dem 70. Jahrestag der Konferenzen von Jalta und Potsdam (1945) und dem 40. Jahrestag des Schlussdokuments von Helsinki (1975) gewidmet. Organisatoren sind das Belgrader Forum für eine Welt der Gleichen und zwei russische Organisationen – das Zentrum des Nationalen Ruhmes und der St.- Andreas- Fonds.
Übersetzung aus dem Englischen:
K. Trosetzky